L’INCORONAZIONE DI POPPEA – Paris, Palais Garnier

von  Claudio Monteverdi (1567-1743), Dramma per musica mit Prolog, Libretto: Giovanni Francesco Busenello nach Tacitus und Sueton, UA: Winter 1642 oder 1643 Venedig, Teatro SS Giovanni e Paolo (Teatro Grimani)

Regie: Robert Wilson, Regieassistent: Guiseppe Frigeni, Kostüme: Jacques Reynaud/Yashi, Bühne: Robert Wilson/Annick Lavallée-Benny, Licht: A.J. Weissbard/Robert Wilson, Dramaturgie: Ellen Hammer

Dirigent: Rinaldo Alessandrini, Concerto Italiano

Solisten: Gaëlle Arquez (Fortuna/Drusilla), Jaël Azzaretti (La Virtù/Damigella), Amel Brahim-Djelloul (Amore), Varduhi Abrahamyan (Ottone), Karine Deshayes (Poppea), Jeremy Oveden (Nerone), Manuel Nuñez Camelino (Arnalta), Monica Bacelli (Ottavia), Guiseppe di Vittorio (Nurice), Andrea Concetti (Seneca), Marie-Adeline Henry (Valetto) u.a.

Besuchte Aufführung: 11. Juni 2014 (Premiere: 7. Juni, Koproduktion mit Teatro alla Scala, Mailand)

du Mardi 3 juin au Lundi 30 juin 2014Kurzinhalt

Im Prolog wetten Fortuna, La Virtù und Amore, wer von ihnen  bei den Menschen den Vorrang habe und Amore will für sich den Beweis liefern.

Kaiser Nero liebt Poppea, eine verführerisch schöne, aber zynische, ehrgeizige Intrigantin. Der Kaiser will Ottavia verstoßen und Poppea heiraten. Kaiserin Ottavia bittet den Philosophen Seneca, den Kaiser umzustimmen. Seneca versucht es, aber wird dafür von Nero zum Selbstmord verurteilt. Vergeblich versucht Ottone, seine Gattin Poppea zurückzugewinnen. Er findet schließlich Trost bei Drusilla. Seneca gibt sich stoisch im Kreise seiner Freunde den Tod. Ottavia befiehlt Ottone Poppea zu ermorden, Drusilla will dabei helfen. Amore ist entschlossen Poppea zu schützen. Ottone, als Drusilla verkleidet, zögert vor der Schönheit der schlafenden Poppeas, sie umzubringen. Drusilla, die man für die Schuldige hält, wird festgenommen. Um Ottone zu retten, gesteht sie den Mordversuch. Ottone wiederum beschuldigt sich selbst, um Drusilla zu retten. Nero, durch ihre Liebe gerührt, schickt sie gemeinsam ins Exil. Auch Ottavia wird verstoßen. Poppea wird zur Kaiserin erhoben. Amore feiert ihren Sieg.

Aufführung

Für diese höchst amoralische, barocke Kriminalgeschichte hat Robert Wilson eine einfallsreiche Inszenierung geschaffen. Auf seiner Bühne wachsen  Säulen, einfache Bäumchen, Obelisken aus dem Boden oder werden von unsichtbarer Hand herbeigezogen, Rundbogendurchgänge oder geometrische Formen vollenden das Dekor und lassen eine  kühle, stilisierte Welt entstehen. Zum Tode Senecas hängt eine entwurzelte Zypresse à la Magritte surrealistisch vom Himmel. Fast märchenhaft wirkt das langsame Aufsteigen der Mondsichel am nächtlichen Himmel in der Wiegenliedszene. Die Darsteller sind im höfischen Stil des 17. Jahrhunderts gekleidet: Lange weite Seidenkleider mit Reticella-Hochkragen für die Frauen, die Männer in schwarzen Samtwesten, Pumphosen und Halskrause, manchmal mit Brustpanzer. Alle Gesichter sind wie Masken weiß gepudert. Wie aufgezogene Spielfiguren auf dem Schachbrett des Lebens bewegen sich Sänger und Sängerinnen über die Bühne. Die ernsten, wie die komischen Szenen sind ein streng geregeltes Zeremoniell zwischen Ballett und Pantomime, wobei den Armen und Händen eine besondere Ausdrucksrolle zukommt. Die sich stets verändernde Beleuchtung schafft ein wirkungsvolles Wechselspiel von Silhouetten und Vollbildern. Zusammengenommen ergibt sich daraus eine reizvolle Theatralik, die in ihrem genauestens festgelegten Ablauf, sowohl der antiken Handlung als auch dem zeremoniellen 17. Jahrhundert  Monteverdis gerecht wird.

Sänger und Orchester

Für diese Aufführung ist es gelungen, ein einheitliches, besonders auf die anspruchsvollen Melismen der Monteverdi Oper zugeschnittenes, ausgezeichnetes Ensemble zusammenzustellen. Die Diktion, die Klarheit der Stimmführung und die Makellosigkeit der Koloraturen sind auffallend. Klanglich schön sind Karine Deshayes und Jeremy Ovenden als das amoralische Liebespaar. Dennoch scheinen sich ihre Stimmen im berühmten Schlußduett  Pur it miro, pur ti godo, pur ti stringo nicht wirklich zu verschmelzen. In ihren beiden lamenti, in die Monteverdi seine besten concitato Höhepunkte einfließen läßt, spielt Monica Bacelli als tragische Ottavia sehr eindruckvoll auf allen Registern ihres vokalen, schaupielerischen und mimischen Könnens. Varduhi Abrahamyan ist mit dunklem, klangvollem Mezzosopran ein erstaunlich schnell getrösteter Ottone. Gaëlle Arquez ist mit glockenklarem, hellem Mezzosoprano seine neue fröhliche, opferfreudige  Liebe Drusilla. Andrea Concetti ist der stoische  Seneca. Es wären noch die komischen Rollen der Oper, Valetto und die Amme und  die Hofdame Arnalta zu erwähnen, die den Weg bahnen für die spätere italienische opera buffa. Sie sind witzig gespielt und gesungen von Marie-Adéline Henry, Guiseppe Vittorio und Manuel Nuñez Camelino.

Rinaldo Alessandrini hält alle Fäden der Aufführung fest in der Hand und dirigiert das Concerto Italiano mit subtiler Gestik.

Fazit

Fühlte sich Monteverdi als Erbe der stolzen venezianischen Schule, so war er doch auch ein kühner Erneuerer. Diese seine letzte Oper mit ihren ausdrucksvollen, klanglich und melodisch subtilen ariosi – Vorstufen der Da-capo-Arien – hat den Grundstein zur venezianischen Oper gelegt.

Ein sehr genußvoller Abschluß der Saison im Palais Garnier!

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Opéra national de Paris/Andrea Messana

Das Bild zeigt: Karine Deshayes (Poppea), Varduhi Abramyan (Ottone) et Manuel Nuñez Camelino (Arnalta)

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