ALCESTE – Händel-Festspiele Halle

Dirigent: Kristjan Järvi, MDR Sinfonieorchester, MDR Rundfunkchor, Choreinstudierung: Jörn Hinnerk Andresen

Instrumentalsolisten: Daniel Schnyder, Saxophon/Flöte, Christian Sprenger, Flöte, Thomas Dobler, Percussion

Besuchte Aufführung: 8. Juni 2014

HändelfestspieleDie abendliche Aufführung der Alceste im Rahmen der Händel-Festspiele Halle wurde mit folgenden Zeilen im Programmheft kommentiert: Hochverehrtes Publikum, haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie heute zu hören bekommen? Vermutlich ist nur ein Teil von Ihnen auf das gefasst, was Ihnen unter dem Titel Alceste begegnen wird.

Händel schrieb 1750 Alceste (Libretto von Tobias Smollett), eine Semi-Oper bzw. Masque. Sie wurde aus unbekannten Gründen nie uraufgeführt. Die Musik übernahm Händel später in sein Oratorium Die Wahl des Herakles.

Mit dem Einzug der Königin von Saba, der Sinfonia zum dritten Akt des Oratoriums Salomo, eröffnete Kristjan Järvi, Leiter des MDR-Sinfonieorchesters, den Abend. Das etwa dreieinhalb-minütige Stück ist als festlicher Auftakt für einen Händel-Abend wie gemacht. Järvi wählte ein rasantes  Tempo und schaffte das Stück in knapp drei Minuten. Im Ergebnis hasteten die Holzbläser hinter den Streichern her und patzten in ihren Soli. Es mag auch an der Eile liegen, daß dynamisch viel weniger gestaltet wurde, als das Stück hergibt. So wurde der Effekt eines feierlichen Händel-Entrees leicht verschenkt. Mit Beginn des offiziellen Programmteils sollte das Publikum auf zwei musikalische Reisen entführt werden. Händel war auch dabei. Gespielt wurden jedoch die Arrangements und Kompositionen von Daniel Schnyder.

Der erste Teil des Konzertabends führte über den Atlantik in die Neue Welt, die Karibik. Hierfür hat Schnyder eine verjazzte Neufassung der Wassermusik geschrieben. Der Schweizer Komponist instrumentiert neu, setzt viel Schlagwerk ein und verschiebt die rhythmischen Akzente so, daß man am Ende bei Jazz- und Latin-Music herauskommt. Zögerlich wechselt die Oboe nach anfänglichen barocken Klängen in eine tonal orientalisch anmutende Melodie, begleitet von flirrenden Streichern. Hin und wieder scheint ein Händel-Motiv durch, dann übernehmen gedämpfte Trompeten, kreischende Posaunen, Trommeln, Becken und Marimbaphon. Das Wechselspiel zwischen Klassik und Jazz gelingt überaus schillernd und klanggewaltig, auch durch das eloquente Dirigat von Kristjan Järvi. Der junge, aus Estland stammende Kapellmeister vermittelt die Jazzrhythmen zupackend und tänzerisch, eine Freude, ihm zuzuschauen. Gleiches gilt für die Solisten, den Flötisten Christian Sprenger, Daniel Schnyder am Saxophon und Thomas Dobler am Marimbaphon. In der Karibik angekommen, folgte eine Komposition von Schnyder ohne thematischen Bezug zu Händel, das Concerto for Flute, Percussion and String Orchestra. Impressionistisch angehauchte, filmmusikalische Klänge mit virtuos gestalteten Soloparts der Flöte. Händel/Schnyders March and Gavotte aus der Triosonate D-Dur op. 5 schließen den ersten Teil ab.

Der zweite Teil des Programms führte in die Unterwelt und damit zu der angekündigten Alceste. Schnyder hat Händels fragmentarische Bühnenmusik als Vorlage genommen und die Geschichte der Titelheldin in neun Teilen erzählt. Nach der Ouvertüre opfert sich Alceste für ihren todkranken Ehemann, König Admetos. Sie geht über den Styx in die Unterwelt, wird schließlich von Herkules ins Leben und zu Admetos zurückgeholt.

Schnyders Musik zeichnet die Fahrt nach unten und oben klanglich facetten- und farbenreich nach. Seine Version der Alceste sieht keine Gesangssolisten vor, sondern ein groß besetztes Orchester, Instrumentalsolisten und Chor. Das klingt nicht nach barocker Schlankheit, sondern einem prallen Sound. Die Rollen der Sänger werden von Instrumenten übernommen, der Chor kommentiert die Versatzstücke. Die ursprünglichen Händel-Fragmente wirkten leicht und frisch gegenüber dieser Neubearbeitung mit eindrücklich sprechenden, klagenden Soloparts, gewaltigen Jubelgesängen des MDR-Chors sowie donnernden Percussionspassagen.

Auf diese vom Publikum sehr bejubelte Uraufführung folgten nochmals March and Gavotte aus der Triosonate, diesmal in großer Besetzung. Am Ende des offiziellen Programms, und das hatte nun wirklich gar nichts mehr mit Händel zu tun, sondern wie Schnyder bemerkt, mit der Jahreszeit, ein Arrangement von Gershwins Summertime.

Fazit

Zu guter Letzt kann man sich die Frage stellen, wie man ein solches Programm ankündigt und ob es geschickt ist, diese durchaus auf- und anregende musikalische Reise unter dem Namen Alceste anzuzeigen. Doch sollten Komponist und Veranstalter auch so viel Mut aufbringen, sich nicht hinter dem Label Händel zu verstecken.

Norma Strunden

Bild: Händel-Festspiele Halle

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