DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Leipzig, Oper

von Richard Strauss (1864-1949), Oper in drei Akten, Text von Hugo von Hofmannsthal, UA: 10. Oktober 1919 Wien, Staatsoper

Regie: Balázs Kovalik, Bühne: Heike Scheele, Kostüme: Sebastian Ellrich

Dirigent: Ulf Schirmer, Gewandhausorchester, Chor und Kinderchor der Oper Leipzig, Choreinstudierung: Alessandro Zuppardo

Solisten: Burkhard Fritz (Der Kaiser), Simone Schneider (Die Kaiserin), Doris Soffel (Die Amme), Tuomas Pursio (Der Geisterbote), Sebastian Fuchsberger (Die Erscheinung eines Jünglings), Olena Tokar (Die Stimme des Falken), Sandra Janke (Eine Stimme von oben), Thomas J. Mayer (Barak), Jennifer Wilson (Baraks Frau), Jonathan Michie (Der Einäugige), Sejong Chang (Der Einarmige), Dan Karlström (Der Bucklige)

Besuchte Aufführung: 14. Juni 2014 (Premiere)

Leipzig Frau ohne SchattenKurzinhalt

In Hofmannsthals Zaubermärchen stehen sich zwei Paare gegenüber: der Kaiser der südöstlichen Inseln hat die Tochter des Geisterkönigs Keikobad auf der Jagd erbeutet und sich mit ihr vermählt. Nicht länger Fee und noch nicht menschliches Wesen ist sie eine „Frau ohne Schatten“ und kinderlos. Ein Falke prophezeit Unheil: Wenn sie keinen Schatten wirft, muß der Kaiser zu Stein werden. Die Feentochter und ihre Amme, letztere ein mephistophelisches Wesen, das die Menschen verabscheut, begeben sich auf die Suche und treffen auf das zweite (kinderlose) Paar, den Färber Barak und seine griesgrämige Frau, die für Gold und Gewänder alles herzugeben bereit ist. Das stolz entrückte Kaiserpaar wird ebenso wie das allzu weltliche Färberehepaar Prüfungen in Keikobads Geisterwelt unterzogen Am Ende gewinnen Menschlichkeit und wahres Eheglück.

Aufführung

Das Regieteam hat sich für eine surreale und zeitlose Märchenkulisse entschieden. Die vielen kontrast-reichen Szenenwechsel der Oper werden mit Schiebewänden, Vorhängen und mehrgeschossigen Bühnen-bildern umgesetzt, die zwischen schriller Buntheit, Nostalgie und musealer Schlichtheit changieren. In der elfenbeinernen Welt des Kaiserpaares dominieren Büsten, Jagdtrophäen und ein Ehebett mit goldener Satinbettwäsche. Die Welt der Menschen kennzeichnen betongraue Häuserfluchten, „sündige“ Leuchtreklamen, Arbeitsmonturen und Pappkartons. Die Färberfrau ist eine „Cindy aus Marzahn“ und läßt sich vom Prunk des Wiener Opernballs verführen. Als moderne Hexe erscheint die Amme in grellrotem Hosenanzug, die Fee ist ein Ebenbild von Kaiserin Sissy, ihr Mann ein Uniformierter. Die üppige Bilderflut reduziert sich zum Finale hin, bis die gewonnene Schlichtheit von einer Kinderwagenlawine überrollt wird.

Sänger und Orchester

Die Oper Leipzig hat die fünf dramatischen Hauptpartien dieser Strauss-Oper grandios besetzt. Simone Schneider (Die Kaiserin) meistert die ätherische Rolle der Titelheldin souverän. Ein leuchtender, dunkel timbrierter Sopran mit hoher Sicherheit in der Intonation. Schneider ist in der Lage, den Ton ohne die geringste Anstrengung auch in der Höhe zu entfalten. Sicher und brillant singt sie hohe Cʾs wie in So kennst du die Schwelle (3. Aufzug, 2. Szene). Doris Soffel ist eine ideale und erfahrene Besetzung der schrillen Ammenrolle. Ihr Mezzosopran besticht weniger durch Schönheit als durch Expressivität und ist  nicht frei von einer gewissen Grellheit. Sie singt mit klarem Ton und ist so prägnant in der sprachlichen Artikulation, daß sie ihre dämonische Aura mit jeder Phrase und Geste umsetzten kann. Das immer wiederkehrende tiefe „G“ in Der Kaiser muss versteinen! (1. Aufzug), setzt eher dramatische als stimmliche Akzente.

Auch die Amerikanerin Jennifer Wilson verkörpert die Rolle der Färberin glaubhaft. Ihr Sopran ist ausdrucksvoll und von vokaler Reinheit. Partien wie O Welt in der Welt. O Traum im Wachen (2. Aufzug, 3. Szene) singt sie nuanciert und in reichen Farben. An ihrer Seite glänzt Thomas J. Mayer als rührender Barak, ein warmer und kraftvoller Baßbariton, der ergreifend seinen Auftritt im dritten Aufzug Mir anvertraut, daß ich sie hege (3. Aufzug, 1. Szene) verkörpert. Die Rolle des Kaisers, dargestellt von Burkhard Fritz, ist steifer und passiver. Im Vortrag wirkt der Tenor ein wenig einstudiert. Die Stimme ist strahlend und fokussiert, ganz besonders im Finale wie Das sind die Nichtgeborenen. Es gelingt ihm jedoch nicht immer, sich gegenüber dem Orchester zu behaupten. Ensemblemitglied Tuomas Pursio überzeugt durch eine stimmgewaltige Darstellung des Geisterboten.

Der Chor der Oper Leipzig ist in jedem Aufzug eine Bereicherung. Dagegen gelingt dem Chor der ungeborenen Kinder kein reiner Zusammenklang von den oberen Rängen. Ein bißchen schade war das, gerade im ansonsten so überwältigenden Finale.

Die Frau ohne Schatten erfordert ein Orchester mit 120 Musikern. Ulf Schirmer hat das riesige Gewandhausorchester im Griff und entfaltet das Kolorit dieser Partitur mit opulenter, monumentaler Klangpracht. Bläser und Streicher spielen hinreißend. Alles stimmt.

Fazit

Das große Wagnis, eine szenisch sehr komplexe und musikalisch nicht weniger anspruchsvolle Oper wie Die Frau ohne Schatten zum Strauss-Jahr und nach über 50 Jahren auf die Leipziger Bühne zu bringen, wurde vom Publikum mit einem 10-minütigen Beifallssturm belohnt. Ein hochkarätiges Sängerensemble erfüllte die hohen Anforderungen an die Partien dieser Oper glanzvoll. Das Gewandhausorchester berauschte mächtig.

Norma Strunden

Bild: Kirsten Nijhof

Das Bild zeigt: Jennifer Wilson (Frau des Färbers) vor der Kulisse des Wiener Opernballs

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