von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Commedia per musica (Opera buffa) in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte nach Beaumarchais UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater
Regie: François de Carpentries, Bühne/Kostüme: Karine van Hercke
Dirigent: Arn Goerke, Hofer Symphoniker und Opernchor, Choreinstudierung: Cornelius Volke
Solisten: Jens Waldig (Figaro), Carolina Ullrich/Inga Lisa Lehr (Susanna), Birger Radde (Graf Almaviva), Jan Cornelius (Gräfin Almaviva), Anna Brull (Cherubino), Masako Iwamoto-Ruiter (Barbarina), Hyung-Wook Lee (Bartolo), Stefanie Rhaue (Marcellina), Mathias Frey (Basilio) u.a.
Besuchte Aufführung: 13. Juni 2014 (Premiere)
Figaro und Susanna sind Bedienstete des Grafen Almaviva und wollen heiraten. Cherubino entdeckt, daß der Graf Susanna nachstellt und wird deshalb vom Grafen hinwegbefördert. Nachdem Cherubino der Gräfin ein Liebeslied vorgetragen hat, klopft der Graf wütend an die Tür. Cherubino kann aus dem Fenster flüchten. Doch der Graf findet nur Susanna vor. Der Gärtner Antonio berichtet, er habe Cherubino aus dem Fenster springen sehen, aber Figaro behauptet, er wäre es gesprungen. In den Tumult platzt Marcellina, die Figaro im Gegenzug für ein Heiratsversprechen Geld geliehen hatte. Nun pocht sie auf das Eheversprechen. Die Heirat ist vom Tisch als sich herausstellt, daß Marcellina Figaros Mutter ist. Nachts im Park erwartet die Gräfin in Susannas Kleidern den treulosen Ehemann. Figaro glaubt hingegen, seine Ehefrau wolle ihn betrügen. Nach einigen Verwirrungen finden die Paare wieder zueinander.
Aufführung
Die stets fast leere Bühne ist vom Hintergrund her in einen bläulich-violetten Farbton getaucht. Blickfang sind überdimensionale Uhren oder Bauteile davon, die die wenigen konkreten Requisiten wie Schrank, Tisch, Bett, Tür oder Stuhl an den Rand drängen. Im ersten Akt stehen mehrere kleine Zifferblätter halbversenkt im Boden, im Zimmer der Gräfin ist ein überdimensionales Zifferblatt Bestandteil der Gitter der Fensterfront. In der Gerichtsszene zeigt eine Uhr mit Sonnenkranz den Machtanspruch des Grafen an, während im Park nur noch Zahnräder den Maskenball im Dunklen begleiten, während im Hintergrund schon die Revolution mit Guillotine heraufdämmert. Die Figuren sind als Zerrbilder in barockisierenden Kostümen passend zur Entstehungszeit gekleidet, könnten aber auch der Commedia dell’arte entsprungen sein. So wäre der Graf ein tragischer Pierrot, Marzelline die Brighella, Dottore (Bartolo) ist ganz er selbst, nur Don Basilio wirkt wie eine zeitlose Mischung aus Struwwelpeter, Max und Moritz.
Sänger-Orchester
Wenn ein Intendant vor den Vorhang tritt, droht meist eine Umbesetzung. In diesem Fall übernimmt Carolina Ullrich für Inga Lisa Lehr, die die aufwendig choreographierte Rolle der Susanna auf der Bühne darstellt, während Carolina Ullrich aus dem Orchestergraben singt. Die chilenische lyrische Sopranistin mit warmen volltönenden Charaktertönen ist im Ensemble der Semperoper Dresden und hat dort die Partie der Susanna langjährig intensiv erarbeitet. Sie kann mit spielerischer Leichtigkeit und mit viel Witz alle Nuancen der Susanna intensiv gestalten. Anna Brull (Cherubino) klingt mit fester Stimme stahlhart schön, ist aber vom Klangbild her nicht so der jugendlich feurige Liebhaber, obwohl genügend spanisches Feuer lodert. Als Mezzo zeichnet Jan Cornelius die Gräfin als tiefsinnigen, nachdenklichen Charakter. Mit weichem runden Klangbild unterstreicht sie, gerade in der Auftrittsarie Porgi, amor, qualche ristoro, mit bestechend sicherer Höhe ihre hohe Stellung als Gräfin – wenn auch mit leicht tremolierender Stimme. Stefanie Rhaue stellt die bösartige Intrigantin dar und verleiht mit ihrer dunkel timbrierten, kräftigen Stimme der Marcellina entsprechendes Profil. Mathias Frey (Basilio) hat einen gut ausbalancierten, lyrischen Tenor, der sich mit sicherer Höhe gut entwickelt hat. Thilo Andersson beeindruckt mit seinem Kurzauftritt als stotternder Don Curzio. Jens Waldig ist eine sichere Bank, der mit treffsicheren und durchschlagsstarken Bariton einen leicht beschränkten Figaro gibt. Birger Radde besitzt einen volltönenden Bariton mit großer Reichweite in den Registern, der einen vielschichtigen Almaviva zwischen Freude und Verzweiflung zeichnet und stimmlich über Raum für Gefühl und Wärme verfügt. Arn Goerke führt die Hofer Symphoniker mit viel Esprit durch Mozarts Werk, das er als zeitlose, revolutionäre, musikalische Komödie an der Grenze zum 19. Jahrhundert sieht.
Fazit
Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding, heißt es im Rosenkavalier von Richard Strauß und das könnte man auch als Motto dieser Bühnenproduktion nehmen, in der Uhren in jeder Form und Größe zentrale Bestandteile des Bühnenbildes sind. So unterstreicht man den zeitlosen Anspruch des Figaro als heitere Sommer-Verwechslungskomödie, die zwischen farbenprächtigem, venezianischem Maskenball (im 4. Akt) und Commedia dell’arte anlegt ist. Deshalb und auch des mitreißenden Sängerensembles wegen läßt das Publikum den Abend mit stürmischen Applaus ausklingen.
Oliver Hohlbach
Bild: Harald Dietz, SFF Fotodesign, Hof
Das Bild zeigt: Hyung-Wok Lee (Bartolo), Stefanie Rhaue (Marcellina), Birger Radde (Il Conte di Almaviva), Thilo Andersson (Don Curzio) und Jens Waldig (Figaro)