von Gaetano Donizetti (1797-1848) Dramma lirico in quattro atti, Libretto: Arrigo Boito, Libretto von Felice Romani, nach Le philtre von Eugène Scribe: UA: 12. Mai 1832 Mailand, Teatro della Canobbiana
Regie: Bernd Mottl, Bühne/Kostüme: Friedrich Eggert, Licht: Andreas Grüter, Choreographie Otto Pichler, Dramaturgie Tanja Fasching
Dirigent: Andreas Schüller:, Gürzenich-Orchester und Chor, Einstudierung: Marco Medved
Solisten: Anna Palimina (Adina), Jeongki Cho (Nemorino), Christopher Bolduc (Belcore), Carlo Lepore (Dulcamara), Marta Wryk Giannetta
Besucht Aufführung: 22. Juni 2014 (Premiere)
Der junge Bauer Nemorino ist in seine Grundherrin Adina verliebt, aber zu schüchtern, um sich ihr zu erklären. Helfen soll der angebliche Liebestrank des Quacksalbers Dulcamara. Dabei handelt es sich allerdings um Bordeaux-Wein, und der beschwipste Nemorino benimmt sich gründlich daneben. Verärgert willigt Adina in die Heirat mit dem smarten Offizier Belcore ein. Daraufhin verpflichtet sich Nemorino bei Belcore als Soldat, um vom Sold eine zweite Flasche Bordeaux zu kaufen. Als plötzlich alle Mädchen nur noch Augen für Nemorino haben, glaubt Dulcamara selbst an den Trank. Aber der Zuschauer weiß längst Bescheid: Nemorino hat seinen reichen Onkel beerbt. Unterdessen erfährt Adina, daß sich Nemorino an die Armee verkauft hat um ihre Liebe zu erhalten. Sie gesteht ihm daraufhin ihre Liebe. Während sich das Paar in die Arme fällt, zieht Dulcamara, seine Wundermittel anpreisend, weiter.
Aufführung
Ein große Mutter-Gottes-Statue als Halbfigur, die betenden Händen vor der Brust und im blauen Gewand, um den Kopf einen Sternenkranz, begrüßt die hereinkommenden Zuschauer. Vor der Figur finden sich nach und nach betende Menschen ein, bis ein Mann hereinkommt und finito ruft, dabei andeutend, daß sich die Betenden zerstreuen sollen. Die Figur weicht zurück und öffnet den Blick auf einen kargen Fabrikraum, in dem an langen Tischen, die vom Bühnenrand zur Rückwand hintereinander aufgereiht sind, zahlreiche Frauen in grünen Ganzkörperkitteln Flaschen in Kisten lagern.
Im Opernverlauf werden nacheinander weitere Requisiten wie Chaiselongue oder Schreibtisch hereingefahren, wobei jedesmal von oben die Rückwand heruntergelassen wird. Adina erscheint mit karierter Jacke. Darunter trägt sie das „kleine Schwarze“ à la Coco Chanel, das ab halbem Oberschenkel die bestrumpften Beine freiläßt. Nemorino kommt in grauem Overall mit Putzwagen. Belcore erscheint in königsblauer Uniform mit federbewehrter Kopfbedeckung (Soldatenuniform von 1830), der er sich gelegentlich entledigt, um seinen trainierten Körper sehen zu lassen (meist unter Kreischen der Claque, die unweit des Rezensenten sitzt).
Zum Opernende erscheinen Nemorino und seine angebetene Adina im Partnerluk. Beide tragen ein grau-orangenfarbenes, gestreiftes Fußballtrikot.
Sänger und Orchester
Andreas Schüller und das Gürzenich-Orchester gehen mit der nötigen Energie das kurze Präludium an und begleiten zurückhaltend die Sänger. Die Instrumentalsolisten leisten ihr Bestes. Jeongki Cho gestaltet mit seinem lyrischen Tenor den unglücklich Liebenden Nemorino in niedergeschlagener Haltung: Quanto è bella – wie schön sie ist und äußert seinen Respekt gegenüber seiner Adina: Sie liest, studiert, lernt, es gibt nichts, was sie nicht wüßte. Sich selbst bezeichnet er bescheiden als Tölpel. (1832 zeichnen die Autoren eine Frau ganz ohne Unterdrückung).
Vor ihren Arbeiterinnen – sie ist offensichtlich eine Fabrikbesitzerin – liest Anna Palimina (Adina) aus der Chronik einer Liebe des Tristan und Isolde. Kommt in Fabriken wohl nicht häufig vor. Unangenehm verdunkelt sie ihren sonst sauberen, lyrischen Sopran mit zuviel Vibrato. Dies wird dann später besser. Die Auftrittsarie des schönen Offiziers, Christopher Bolduc (in der Rolle des Belcore): Come Paride vezzoso – so wie der schöne Paris trägt dieser mit wohltönendem Baß Adina vor, womit er an das Urteil des Paris erinnert, der Wahl von Aphrodite zur schönsten Frau, statt Athene oder Hera. Adinas und Nemorinos Duett Chiedi all’aura lusinghiera – frag den schmeichelnden Zephir kommt harmonisch und mit viel Temperament über die Rampe. Beide gestalten ihre Koloraturen in rechter Weise.
Carlo Lepore, ein waschechter Basso comico, zeichnet in schauspielerischer Aktion und Gesang souverän seine Rolle als Dulcamara. Er paßt sich der bestehenden Slapstick-Atmosphäre am besten an und fühlt sich pudelwohl in Begleitung von vier Tänzerinnen in Varieté-Kostümen. Die Choreographie hält die Tanzschritte in schlichtem Rahmen, so daß auch die anderen, allen voran die Soldaten, sich bewähren können. Der Eindruck, einer Tanzrevue der 1920 Jahre ist wohl beabsichtigt.
Am Opernende dann der Höhepunkt Una furtiva lagrima – eine verstohlene Träne, die Tenor Jeongki Cho seidenweich, mit Natürlichkeit und Inbrunst darstellt und uns teilnehmen läßt an der endlich erhörten Liebe: Sie liebt mich, ja sie liebt mich … und … Himmel, dann kann ich sterben.
Fazit
Die bei uns oft drangsalierte Oper Liebestrank will hier die Slapstick Probe bestehen. Ganz schön, könnte man sagen, das bringt Kurzweil und Fun. Allein der Regisseur sollte mehr Chaplin-Filme verinnerlichen, dann zündet das Feuer vielleicht. Wohlwollender Applaus, untermischt mit Buhrufen beim Erscheinen des Regie-Teams.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Paul Leclaire / Köln Oper
Das Bild zeigt: Dulcamara (Carlo Lepore, Mitte), Chor der Oper Köln und Tanzensemble