von Pavel Haas, Oper in drei Akten und sieben Bildern, Libretto von Pavel Haas, UA: 2. April 1938, Brünn, Landestheater
Regie: Kay Kuntze; Bühne/Kostüme: Duncan Hayler;
Dirigent: Jens Troester, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Opernchor von Theater & Philharmonie Thüringen, Einstudierung: Bernhard Ott.
Solisten: Andreas Scheibner (Dr. Eisenbart), Katrin Strocka (Amaranta), Franziska Rauch (Rosina), Kai Wefer (Jochimus), Peter-Paul Haller (Bakkalaureus), James Wood (Feuerfresser/Mann mit Krücken/Deserteur/Scheusal) u.a.
Besuchte Aufführung: 6. März 2009 (Premiere/deutsche Erstaufführung)
Kurzinhalt
Die Handlung spielt Ende 17. Jahrhunderts. Doktor Eisenbart und seine Gaukler-Gefährten schlagen das Publikum mit werbewirksamen Therapien und artistischen Einlagen in ihren Bann. Plötzlich erscheint Amaranta, die Frau eines Professors. Sie erzählt Esenbart, daß sie seit einer Fehlgeburt völlig gelähmt sei. Mit einer eigenwilligen Brennessel-Kur kann er sie von ihrem Leiden befreien und überredet sie, von ihrer Schönheit berauscht, sich seiner Truppe anzuschließen. Mitten im Jubel klagt der Mönch Jochimus Eisenbart der Scharlatanerie an. Er reist dessen Truppe in eine andere Stadt nach und versucht, Amaranta zur Rückkehr zu überreden. Eisenbarts Ehefrau Rosina hat mittlerweile das Verhältnis von Eisenbarth mit Amaranta durchschaut und geht wütend auf ihre Konkurrentin los. Nachts vor einer Mühle macht Eisenbart Amaranta glühende Liebeserklärungen, doch verstört weist sie ihn zurück. Gleichzeitig planen zwei Mitglieder der Truppe, den Doktor zu bestehlen, aber Eisenbart kommt ihnen auf die Schliche. In einer anderen Stadt preist er sein neustes Mittel an, das Lebenselexir „Spiritus Universale“. Jochimus verschwindet unbemerkt mit Amaranta im Getümmel. Einige Zeit später kommt ein schwerkranker Patient zu Eisenbart. Er entpuppt sich als Jochimus. Trotz Operation kann der Arzt seinen Patienten nicht retten. Der Pöbel beschimpft ihn als Scharlatan und fordert seinen Tod. Nach der Auflösung der Truppe verfällt Eisenbart dem Alkohol und seinen Depressionen. In einer Schenke meint er plötzlich den verstorbenen Mönch zu sehen und bricht vor Schreck tot zusammen.
Aufführung
Die überwiegend dunkle und leere Bühne gibt im ersten Bild zunächst den knalligen, zum Teil skurrilen rot-blauen Latexkostümen des Doktors und seiner Truppe Wirkungsraum. Allein die weiß gepuderte, riesige Lockenperücke Eisenbarts weist auf die Epoche hin. Sein blauer Umhang mit goldenem Stern erinnert an einen Superhelden aus amerikanischen Comics. Sowohl Amarantas als auch Jochimus Kostüme – sie ganz in weiß und er ganz in schwarz – stehen dazu stark im Kontrast. Im Verlauf der Oper dekorieren abwechselnd ein großer Frauenkopf samt Brüsten aus der Vogelperspektive oder schwebende Fußsohlen den Raum. Die Mühle aus dem zweiten Akt wird lediglich durch sich drehende Sensen angedeutet und am Ende des Gelages durch die betrunkenen Mitglieder der Gauklertruppe angezündet. Im dritten Akt sinkt der Frauenkopf von der Decke herab und öffnet sich nach oben zu einem rot-blauen Gewirr aus Nervenbahnen und Blutgefäßen. Die Konstruktion fällt aber nach der mißglückten Operation in sich zusammen und wird vom Wirt weggefegt. Der Chor als anonyme Masse erscheint abwechselnd in bäuerlichen Trachten des Mittelalters, in weißen Gewändern mit Gesichtsmasken à la Kukuxklan und zum Schluß als Jochimuskopien in denselben schwarzen Mönchskutten.
Sänger und Orchester
Unumstrittener Star des Abends war der lyrische Bariton Andreas Scheibner als Doktor Eisenbart. Seine Darstellung, unterstrichen durch seine facettenreiche Stimme mit präziser Tonführung, zeigte die absteigende Skala vom zunächst selbstbewußten, bewunderten Arzt, über einen an sich zweifelnden Mann angesichts der Kriegsschrecken bis hin zum depressiven, ausgebrannten Versager. Auch die Sopranistin Katrin Strocka glänzte stimmlich und darstellerisch. Ihre Interpretation der Amaranta war sowohl kokett-naiv, selbstbewußt eitel, als auch verstört und verängstigt. Größte Intervallsprünge bewältigte sie ohne Schwierigkeiten. Ihre Stimme blieb auch in den tieferen, teils in Sprechgesang wechselnden Lagen, kräftig und warm. Mit seinem sonoren, voluminösen Baß bildete Kai Wefer (Mönch Jochimus) einen positiven stimmlichen Kontrast zu seinen beiden Kollegen. Mehr Textverständlichkeit wäre aber bei allen Ensemblemitgliedern zu wünschen gewesen. Zum Glück gab es Übertitel.
Ein weiteres Mal führte Jens Troester das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera zu Höchstleistungen. Die Musiker produzierten, wenn auch in überwiegend gleich bleibender Dynamik, einen leidenschaftlichen und trotzdem transparenten Gesamtklang.
Fazit
Pavel Haas einzige Oper verliert in dieser deutschen Erstaufführung nichts von ihrer politisch-geschichtlichen vorahnenden Stimmung. Die Sensenmühle erinnert auffällig an ein Hackenkreuz. Musikalisch wird der Hörer allerdings in eine Mischung aus mittelalterliche Jahrmarksmusik, Jazzklängen und Expressionismus der 30er Jahre hineingezogen. Die Inszenierung überzeugt durch ihrer intelligente Figurenregie in Zusammenspiel mit der phantasievollen Ausstattung und entläßt den Besucher mit einem Gefühl der Begeisterung.
Josephin Wietschel
Bild: Stephan Walzl
Bildlegende: Andreas Scheibner (Dr. Eisenbart) bei einer Operation umgeben von Johannes Weinhuber (Spinnweb), Franziska Rauch (Rosina), Peter-Paul Haller (Bakkalaureus), Bernhard Hänsch (Schlangenbeschwörer) und dem Chor (Bauernvolk)