von Richard Strauss (1864–1949), bukolische Tragödie in einem Akt, Libretto: Joseph Gregor, UA: 15. Oktober 1938 Dresden, Semperoper
Dirigent: Henrik Schaefer, Orchester und Männerchor der Oper Göteborg
Solisten: Agneta Eichenholz (Daphne), Anders Lorentzson (Peneios), Maria Streijffert (Gaea), Tomas Lind (Leukippos), Stefan Vinke (Apollo), Marco Stella (erster Schäfer), Ingemar Anderson (zweiter Schäfer), Sofie Asplund (erste Magd), Ann-Kristin Jones (zweite Magd) u.a.
Besuchte Aufführung: 15. August 2014 (konzertant, Göteborger Erstaufführung)
Daphne, Tochter der Gaea und des Fischers Peneios, weilt am Abend des Dionysosfestes bei ihrem Lieblingsbaum. Sie fühlt sich den Pflanzen stärker verbunden als den Menschen. Ihr Vater ruft die Schäfer mit einem Horn zum Fest, das dem Rausch und der Zeugung gewidmet ist. Unter ihnen befindet sich Leukippos, den Daphne seit ihrer Kindheit kennt, der sie jedoch nun als erwachsener Mann zu begehren beginnt. Daphne weist ihn zurück, und die beiden Mägde überreden ihn, sich in Frauenkleidern unter die Feiernden zu mischen, um seine Annäherungsversuche fortsetzen zu können. Unterdessen erscheint Apollo als Hirte verkleidet, der Daphne ebenfalls begehrt und sie damit erschreckt. Er und Leukippos geraten aneinander. Der Gott gibt sich als Phöbus Apollo zu erkennen und tötet Leukippos mit einem Blitz. Von Reue geplagt bittet er daraufhin den Göttervater Zeus Kronion, Leukippos unter die Götter zu versetzen und Daphne ihren tiefsten Wunsch, eins mit den von ihr am meisten geliebten Geschöpfen zu werden, zu erfüllen. Sie verwandelt sich in einen Lorbeerbaum.
Aufführung
Die Aufführung war zwar konzertant, wurde jedoch sparsam mit Licht und Videoprojektionen ausgestattet, die u.a. Wolken am Himmel oder am Schluß das sonnendurchflutete Blätterwerk eines Baumes zeigten. Der Männerchor wurde abwechselnd im Hintergrund oder zu beiden Seiten des Proszeniums aufgestellt, und die Solisten traten zu ihren jeweiligen Einsätzen auf einem Podium über dem Orchester auf. Das erweiterte Orchester in deutscher Aufstellung – d.h. mit den ersten Geigen auf der linken und den zweiten auf der rechten Seite – nahm den vorderen Teil der Bühne ein und wurde dadurch auch visuell zum Hauptakteur des Abends.
Sänger und Orchester
Agneta Eichenholz sang die Titelpartie tadellos, mit deutlicher Aussprache, sicherer Intonation und einem leichten, jugendlichen Timbre, mit dem sie gleichwohl stets gegen das riesige Orchester zu bestehen vermochte. Die große Anstrengung, die das Singen dieser Partie mit sich bringt, hörte man ihrer Stimme nur in den kurzen Passagen an, die a-cappella gesetzt sind. Schlichtweg beeindruckend ist das Stimmaterial, mit dem Stefan Vinke als Apollo aufwartet. Sein Tenor besitzt eine Brillanz und unglaubliche Durchschlagskraft, mit der er mühelos auch die stark orchestrierten Abschnitte der Apollo-Partie klanglich beherrschte. Daß der voluminöse Glanz seiner Stimme mit einem gaumigen Ansatz erkauft wird, fällt bei dieser Partie ebenso wie sein S-Fehler so gut wie gar nicht ins Gewicht. Neben ihnen war die Rolle der Gaea mit Maria Streijffert gesanglich hervorragend besetzt. Nur bei den allertiefsten Tönen ihrer Partie drohte das Orchester sie zu überdecken. Ordentlich waren die Leistungen von Anders Lorentzson (Peneios) und Tomas Lind (Leukippos), während Marco Stella in der kleinen Partie als erster Schäfer stimmlich labil wirkte. Das neckische Duett von Sofie Asplund (erste Magd) und Ann-Kristin Jones (zweite Magd) war klanglich ausgeglichen und rhythmisch präzise. Nicht ganz so präzise und ziemlich verwaschen in der Aussprache war hingegen der Vortrag der meist einstimmigen Gesänge durch den Männerchor. Hier hätte ein wenig mehr Deutlichkeit notgetan.
Als eigentlicher Hauptakteur des Abends trat aber, wie erwähnt, das Orchester in Erscheinung. Henrik Schaefer leitete eine gute, im letzten Drittel der Oper sogar hervorragende Wiedergabe der Partitur. Die rhythmische Präzision der stark markierten Blechbläserakkorde nach dem Tod des Leukippos war glasklar, das Zusammenspiel von Sängern und Orchester ebenso. Daß bei einem derart selten gespielten Werk, das zum ersten Mal in Göteborg erklang, nicht alles perfekt sein konnte, ist selbstverständlich. So gab es ein paar Einsätze der Holzbläser zu Beginn, die man sich distinkter gewünscht hätte, die Begleitung des Streites von Leukippos und Apollo war ein wenig undeutlich und an der einen oder anderen Stelle der durch alle Tonarten modulierenden Musik zeigten sich leichte Intonationsschwächen der Bläser. Alles in allem kann man aber vor der Leistung der Instrumentalisten an diesem Abend nur den Hut ziehen.
Fazit
Trotz ihrer überaus farbigen Partitur ist diese Strauss-Oper immer noch eine echte Rarität und stellt an Sänger und Instrumentalisten höchste Ansprüche. Das Publikum applaudierte Agneta Eichenholz und dem Orchester stehend. Daphne wurde den Göteborgern in einer guten bis sehr guten musikalischen Realisierung präsentiert. Man mag bedauerlich finden, daß dies ‚nur’ in Form einer konzertanten Aufführung geschah. Oder man mag begrüßen, daß hier die Musik buchstäblich ganz im Vordergrund des Geschehens stand ohne von einer – möglicherweise von dem Wohlklang des Stückes ablenkenden oder gar abstechenden – szenischen Interpretation visuell überdeckt zu werden.
Dr. Martin Knust
Bild: Tilo Stengel
Das Bild zeigt: Henrik Schaefer (Dirigent) und Solisten