Dessau, Anhaltisches Theater – THE TURN OF THE SCREW – DIE DREHUNG DER SCHRAUBE

von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in einem Prolog und zwei Akten, Libretto: nach der Erzählung von Henry James (1898) von Myfanwy Piper, UA: 14. September 1954, Teatro La Fenice, Venedig
Regie: Jana Eimer, Bühne/Kostüme: Stephan Rieckhoff, Dramaturgie: Ronald Müller
Dirigent: Markus L. Frank, Mitglieder der Anhaltischen Philharmonie Dessau
Solisten: Cornelia Marschall (Gouvernante), Florian Ott (Miles), Hannah Fricke (Flora), Sabine Noack (Mrs. Grose), Marian Albert (Quint/Der Prolog), Allison Oakes (Miss Jessel)
Besuchte Aufführung: 13. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
dessau-the-turn-of.jpgIm viktorianischen England (19. Jh.) bekommt eine junge, namenlose Gouvernante von einem Londoner Geschäftsmann den Auftrag, seine beiden verwaisten Mündel Miles und Flora auf dem Landgut Bly zu hüten. Trotz ihrer Zweifel willigt sie ein und findet bei ihrer Ankunft erleichtert eine harmonische, friedliche Welt vor. Doch der Schein trügt: Die Gouvernante erblickt auf einem Turm eine unbekannte Gestalt. Es ist Quint, der verstorbene frühere Diener des Hauses. Auch die ebenfalls verstorbene Miss Jessel, Gouvernante des Hauses, scheint zu neuem Leben erwacht. Quint und Miss Jessel wollen zusammen sich der Kinderseelen bemächtigen. Nach einer alptraumreichen Nacht soll Flora nun endgültig dem besitzergreifenden Einfluß Miss Jessels entzogen werden und verläßt Bly zusammen mit Mrs. Grose. Miles bleibt mit Miss Jessel zurück. Als Quint in der kommenden Nacht vom Turm hinabsteigt und auf Miles zukommt, flüchtet sich dieser in die Arme der Gouvernante, wo er jedoch mit den Worten Peter Quint, du Teufel! zusammenbricht und stirbt.
Aufführung
Die Bühne, hinter der das Orchester positioniert ist, besteht aus drei übereinander stehenden, tischähnlichen Plateaus. Über ihr hängen Bänder von der Decke, an denen Requisiten befestigt sind. Diese Dinge – Floras Puppe, ein Kreuz sowie ein Stickkranz – werden im Laufe der Oper Stück für Stück heruntergenommen und ins Geschehen eingeflochten. Viele Details erläutern die Handlung: Bei Miles Worten Gold, o ja Gold! greift Quint in seine Manteltaschen und wirft etwas in die Luft, das wie Goldfunken im Licht herunterregnet, bei ihrem Kirchgang tragen die Kinder brennende Kerzen und Miss Jessels Ebenbild findet sich in Floras Puppe – kreidebleich, mit dunklen Augen und langen schwarz-blauen Haaren. Die Kostüme stehen ganz im Stil des viktorianischen 19. Jh. und das Geisterpaar – in dunkelblauen Satin gehüllt und mit schneeweißer Haut – erfüllt die gruseligen traditionellen Assoziationen der „verstaubten“ Gespenster aus alten Geschichtsbüchern.
Sänger und Orchester
Cornelia Marschall machte die verschiedenen Stimmungen der Szenen deutlich: Mit warmem Klang und Leichtigkeit in der Stimme besang sie den milden Sommerabend zu Beginn der vierten Szene, mit Schmerz und Verzweiflung Lebwohl, lebwohl Miles! am Ende der achten Szene. Hervorzuheben ist der erst 11-jährige Florian Ott in der Rolle des Jungen Miles. Trotz seines gesanglich hoch anspruchsvollen Parts als zweite Hauptfigur blieb seine Intonation selbst bei schwierigen Stellen wie dem Malo-Lied sauber und im Text verständlich. Hannah Fricke verlieh der Figur der Flora Lebendigkeit und Charme – beispielsweise durch Munterkeit und Witz im Lied Tom, Tom der Pfeiferssohn. Sowohl Sabine Noack in der Gestalt der Mrs. Grose als auch das Geisterpaar Miss Jessel und Quint, gespielt von Allison Oakes und Marian Albert zeigten durch klangliche Differenzierung und gesanglichen Facettenreichtum geprägte solide Leistungen: Noack beispielsweise rief Flora und Miles bei Schweigt Kinder! mit gebieterischem Ton in donnerndem Fortissimo zur Ordnung, während Oakes und Albert bei der Beschwörung der Kinder eine Klangfarbe trafen, die an den wispernden, drängenden Ton des Erlkönigs erinnerte, als sie die Kinder mit O komm, komm zu mir komm! zu sich lockten. Eine deutliche Entwicklung durchlebte das Kammerorchester aus Mitgliedern der Anhaltischen Philharmonie Dessau unter der Leitung von Markus L. Frank. Ließ der erste Akt bezüglich musikalischer Genauigkeit und dynamischer Differenzierung sowie Leichtigkeit im Zusammenwirken mit den solistischen Einsätzen der Kindern noch Wünsche offen, schöpften sie die erkennbaren Reserven im zweiten Akt vom ersten Ton an aus.
Fazit
Zweieinhalb eindrucksvolle Stunden, die das Publikum mit lang anhaltendem und begeistertem Applaus belohnte.
Friederike Jurth

Bild: Claudia Heysel
Bildlegende: Die Gouvernante, gefangen im Netz ihrer eigenen Psyche

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