LA TRAVIATA – Paris, Opéra Bastille

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach Alexandre Dumas, UA: 6. März 1853 Venedig, Teatro La Fenice

Regie: Benoît Jacquot, Bühne: Sylvain Chauvelot, Kostüme: Christian Gasc, Licht: André Diot, Choreographie: Philippe Giraudeau

Dirigent: Dan Ettinger, Chor und Orchester der Opéra National de Paris, Choreinstudierung:José Luis Basso

Solisten: Ermonela Jaho (Violetta Valéry), Anna Pennisi (Flora Bervoix), Cornelia Oncioiu(Annina), Francesco Meli (Alfredo Germont), Dimitri Hvorostovsky (Giorgio Germont), Kevin Amiel (Gastone, Visconte de Letorières), Fabio Previati (Il Barone Douphol), Florian Sempey (Il Marchese D’Obigny), Antoine Garcin (Dottore Grenvil), Nicolas Marie (Giuseppe), Shin Jae Kim (Domestico), Jian-Hong Zhao (Commissario)

Besuchte Aufführung: 8. September 2014 (Première)

Paris TraviataKurzinhalt

Bei einem Fest im eigenen Hause lernt die berühmte Kurtisane Violetta  den schönen Alfredo Germont kennen, der in Liebe zu ihr entbrennt. Auf seine Bitte akzeptiert sie, ihr bisheriges Leben aufzugeben. Alfred ist glücklich, als sie darauf ein ruhiges Leben in einem Haus auf dem Lande führen, aber entdeckt bald, daß Violetta sich ruiniert, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Alfredo fährt nach Paris, um sie für ihr ihre Ausgaben zu vergüten. In seiner Abwesenheit, erscheint Alfredos  Vater, der sie auffordert, auf ihr Leben mit seinem Sohn zu verzichten, um die Hochzeit seiner Schwester nicht zu kompromittieren. Violetta willigt ein, obwohl es ihr das Herz bricht und schreibt einen Abschiedsbrief an Alfredo. Kurz darauf sehen sie einander auf einem Fest wieder. Alfredo, der die wahren Gründe nicht kennt, fühlt sich betrogen und erniedrigt sie vor allen Gästen. Während ganz Paris  Karneval feiert, liegt Violetta, von allen verlassen, im Sterben. Durch einen Brief von Alfredos Vater erfährt sie, daß er seinem Sohn alles gestanden hat. Alfredo erscheint, um seine Geliebte um Verzeihung zu bitten. Violetta stirbt, in seinen Armen.

Aufführung

Benoît Jacquot ist eine erfreuliche Inszenierung gelungen. Im ersten Akt auf der leeren Bühne verteilt: ein reichverziertes Himmelbett, ein Toilettentisch, ein Speisetisch mit Kerzenleuchtern, eine Causeuse, im zweiten. Akt links ein großer Baum, rechts im Dunkel eine Prunkstiege, die in der zweiten Szene für das Fest dann festlich erleuchtet wird, im letzten Akt, das verlassene Himmelbett, ein verhüllter Spiegel und eine Krankenliege. Kostüme der Zeit des Zweiten Empires, für Violetta in langem, hellen Abendkleid hoheitsvoll schön à la Winterhalter. Im dritten Akt ringt sie in langem weißen Hemd mit dem Tode. Leider steht der Chor, statt wie üblich zu Anfang der Oper sprudelnde Lebendigkeit und mitreißende Bewegung auf die Bühne zubringen, in Frack und Zylinder regungslos mit verschränkten Armen wie eine drohende schwarze Mauer im Hintergrund.

Ganz witzig, dagegen, im zweiten Akt die Balletteinlage, teils Zigeunertanz, teils French Can-can, teils Stierkämpferflamenco.

Sänger und Orchester

Der unumstrittene Star des Abends war Ermonela Jaho. Sie singt nicht Violetta, sie spielt sie nicht, sie ist Violetta. Mit allen Fasern ihres Wesens, alle Feinheiten ihrer reichen stimmlichen Fähigkeiten ausschöpfend, durchlebt sie für uns die leidenschaftliche Liebe, den herzzerreißenden Schmerz ihres Verzichts auf Alfredo, und den verzweifelten Todeskampf. Vielleicht ist der Höhepunkt ihr langes Duett mit Germont im zweiten Akt und vor allem darin das fast verklärte Dite alla giovine sì bella si pura – sagt der Jungfrau, so schön und rein, worin trotz aller Verzweiflung eine tiefe Menschlichkeit herrscht, die den Verzicht zuläßt. Gegenüber solcher Bühnenpräsenz gelingt es Francesco Meli als Alfredo Germont, trotz der Konsistenz und der Sicherheit seines Singens, erst langsam, sich auf der Bühne durchzusetzen. Dmitri Hvorostovsky (Giorgio Germont) ist mit tiefer, warmer und vor allem sehr ausdruckstarker  Baritonstimme ein ebenbürtiger Gegner. Alle übrigen Sänger und Sängerinnen bilden mit den drei Hauptdarstellern ein ausgezeichnetes Ensemble. Dan Ettinger dirigiert das Orchester straff und klar, jegliche romantischen Exzesse vermeidend.

Fazit

Als diese zeitkritische Oper 1853 in Venedig uraufgeführt wurde, fiel sie durch. La Traviata gestern abend – ein Fiasko. Ist es meine Schuld oder die der Sänger? Die Zeit wird urteilen, schrieb Verdi am nächsten Tag. Die Zeit hat geurteilt!

Und 161 Jahre später hat nun die Oper an der Bastille mit diesem Meisterwerk der Romantik in einer sehr schönen Aufführung die nächste Saison eröffnet. Als Ermonela Jaho nach Ende der Oper, ganz allein, vor dem Vorhang erscheint und vor Erschöpfung fast in die Knie geht, wird sie von tosendem Applaus empfangen.

Alexander Jordis-Lohausen

(s. Interview mit Ermonela Jaho in OPERAPOINT 2013/I, S. 11-13)

Bild: E. Bauer, Opéra national de Paris

Das Bild zeigt: Ermonela Jaho (Violetta Valéry) im weißen Kleid, daneben Francesco Meli (Alfredo Germont), sitzend: Anna Pennisi (Flora Bervoix), Fabio Previati (Barone Douphol), daneben stehend Florian Sempey (Marchese D’Obigny)

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Opéra Bastille