Salzburger Festspiele 2014

Der Rosenkavalier

von Richard Strauss (1864-1949), Komödie für Musik in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: 26. Januar 1911 Dresden, Semperoper

Regie: Harry Kupfer, Bühne: Hans Schavernoch, Kostüme: Yan Tax

Dirigent: Franz Welser-Möst, Wiener Philharmoniker, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und Theater-Kinderchor

Solisten: Krassimira Stoyanova (Feldmarschallin), Günther Groissböck (Baron Ochs auf Lerchenau), Sophie Koch (Octavian), Adrian Eröd (Herr von Faninal), Mojca Erdmann (Sophie), Silvana Dussmann (Jungfer Marianne), Rudolf Schasching (Valzacchi), Wiebke Lehmkuhl (Annina), Tobias Kehrer (Polizeikommissar), Franz Supper (Haushofmeister der Feldmarschallin), Stefan Popp (Ein Sänger), u.a.

Besuchte Aufführung: 5. August 2014 (großes Festspielhaus)

Grosse Schubertiade

Solisten: Cecilia Bartoli, Marie-Claude Chappuis, Michael Laurenz, Christoph Strehl, Oliver Widmer, Kurt Widmer, Robert Holl, Mitglieder des Coro Della Radiotelevisione Svizzera (Leitung Diego Fasolis), u.a.

Besuchte Aufführung: 15. August 2014 (großer Saal des Mozarteums)

Young Conductors Award – Preisträgerkonzert

Dirigent: Maxime Pascal, Gustav Mahler Jugend-Orchester

Solisten: Marianne Crebassa (Mezzosopran)

Besuchte Aufführung: 17. August 2014 (Felsenreitschule)

La Cenerentola

von Gioacchino Rossini, Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Jacopo Ferretti nach Charles Perrault: Cendrillon, U.A.: 25. Januar 1817 Rom, Teatro della Valle

Inszenierung: Damiano Michieletto, Bühne: Paolo Fantin, Kostüme: Agostino Cavalca

Dirigent: Jean-Christophe Spinosi, Ensemble Matheus, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

Solisten: Javier Camarena (Don Ramiro), Nicola Alaimo (Dandini), Enzo Capuano (Don Magnifico), Lynette Tapia (Clorinda), Hilary Summers (Tisbe), Cecilia Bartoli (Angelina, gen. Cenerentola), Ugo Guagliardo (Alidoro).

Besuchte Aufführung: 29. August 2014 (im Haus für Mozart)

Salzburg RosenkavalierVorbemerkung

Salzburg steht für Kunst, Kultur, Mozart und für Festspielproduktionen, die zumeist zufriedenstellen, aber auch für Prominentenrummel und Blitzlichtgewitter. Die Sponsoren haben alle Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Von den Festspielhäusern ist es nur ein Schritt zur barocken Altstadt, zur Welt Mozarts, zur Residenz und Dom. Auf dem Domplatz wird Hofmannsthals Jedermann aufgeführt, dort steht auch die Videoleinwand des Sponsors Siemens, die früher in Bayreuth fürs Public Viewing benötigt wurde, die hier Touristen und Festspielgäste mit Übertragungen und Aufzeichnungen erfreut. Mittendrin die stets gut gefüllten zahlreichen Kaffeehäuser und Restaurants, nur nach mancher Spätvorstellung wird es mit der Essensversorgung schwierig.

Aufführung, Sänger und Orchester

Die akustischen Verhältnisse im großen Festspielhaus sind schwierig. So ist das Mischungsverhältnis zwischen Orchester und Sängern im Rosenkavalier unausgewogen, in diesem Fall sind die Sänger vom Orchester dominiert, werden manchmal zugedeckt. Ein möglicher Erklärungsansatz ist darin zu suchen, daß Franz Welser-Möst das Orchester auf einer oberen Position des Orchestergraben-Hubpodiums spielen ließ. Sicherlich kommt dadurch der (wie immer!) phänomenale Klang der Wiener Philharmoniker besser zur Geltung, jedoch so, daß auch herausragende Sänger sich nicht mehr durchsetzen können, Piano-Passagen gehen unter – und über Wortverständlichkeit kann eigentlich nicht mehr geredet werden. So wäre das Rollen-Debüt von Günther Groissböck als Ochs von Lerchenau beinahe wortwörtlich untergegangen. Sowohl stimmlich als auch schauspielerisch ist sein Ochs kein ungehobelter grobschlächtiger Einfaltspinsel vom Land, sondern eher ein eleganter, feinsinniger aber auch arrogant überheblicher Großstadtmensch vom Typ „Schickeria“, dem er seine nuancenreiche, facettenreiche, dynamisch geführte Baß-Stimme leiht. Das unterstützt auch das nichtssagende Bühnenspiel von Harry Kupfer, das so konturlos bleibt, daß das Stück sowohl heute, als auch in der Entstehungszeit spielen könnte. Das Bühnenbild wird von großformatigen Fotos der Wiener Ringstraßenarchitektur dominiert, zeigt fast alle Wiener Sehenswürdigkeiten. In dieser Situation wirkt sogar Sophie Koch (Octavian) farblos, kann sich „als Mann“ kaum gegen Ochs und Orchester durchsetzen, so daß man sich die Frage stellt, warum eigentlich die so jugendlich klar singende Mojca Erdmann als naive Sophie sich nicht für den Ochs entscheidet. Krassimira Stoyanova läßt die Marschallin nicht nur alt aussehen, sie hört sich auch so an. Die vielen kleineren Rollen sind eindrucksvoll besetzt, vor allem Tobias Kehrer als Polizeikommissar kann sich in den Vordergrund singen, lediglich Stefan Pop verfügt als Sänger über keinerlei italienischen Belcanto.

Salzburg  CenerentolaLa Cenerentola ist eine Übernahme von den Salzburger Pfingstfestspielen und somit ein Musterbeispiel für die gelungene Zusammenarbeit der jeweiligen Intendanten Alexander Pereira und Cecilia Bartoli. Der Erfolg gründet sich auch darauf, daß die Geschichte des italienischen Aschenputtels auch in einer heutigen Fassung funktioniert – die kleinen Unterschiede zum Märchen wirken wie Bagatellen: So betreibt Don Magnifico mit seinen Töchtern ein italienisches Buffet: Während Cenerentola arbeitet, gehen ihre Stiefschwestern einkaufen. Der Ball findet in einer Nachtbar namens „Palace“ statt, aus der Don Magnifico wegen seines Verhaltens vom Sicherheitsdienst entfernt wird. Witzigerweise paßt der heutige Disco-Rock-and-Roll-Tanzstil auch zur Musik Rossinis. Nur die Rezitative sind eher im Barmusik-Stil ausgeführt und gewöhnungsbedürftig. Jean-Christophe Spinosi spielt schon die Ouvertüre äußert schmissig und versucht während des gesamten Stückes mit heutigen Klangbildern Dynamik zu erzielen. Erfolgreich, wie das Publikum mit frenetischem Applaus am Schluß bestätigt, was auch die mitreißende Leistung der Sänger einschließt. Cecilia Bartoli polarisiert allerdings generell wegen ihres Gesangsstils. Sie arbeitet mit einer Art forciertem Tremolo, was die Stimme in Schwingungen versetzt. Allerdings gelingen ihr die Lautstärkeabstufungen einwandfrei und auch gestalterisch sind viele Nuancen und charakteristische Farbschattierungen möglich. Die übrigen Solisten entsprechen den gewohnten derzeitigen Klangbildern: Javier Camarena (Don Ramiro) ist ein durchschlagsstarker, italienischer Tenor mit klarer, sauberer Höhe und samtenen, baritonalem Timbre. Nicola Alaimo als sein Diener Dandini ist ein Baß-Bariton mit eher hellerer Stimme, aber sicherem Tritt in den Abgründen der Tiefe, wo auch Ugo Guagliardo (Alidoro) etwas blasser zu Hause ist. Enzo Capuano als Vater Don Magnifico ist ein sehr gelenkiger Spielbaß mit vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten.

 

In der Großen Schubertiade Cecilia Bartoli einen weiteren Auftritt. Hier sang sie italienische Schubert-Lieder wie La Pastorella (D 528) oder Vedi quanto adoro (D 510). Und rückte damit in den Mittelpunkt, daß es auch italienische Schubert-Lieder gibt und – daß sie mit ihren eingangs beschriebenen Mitteln – auch als Liedsängerin durchgeht, allerdings mit der etwas seltsam anmutenden Erkenntnis, daß sich ihre Schubert-Lieder eher nach spätem Verdi anhören. Die Hauptlast der Veranstaltung trugen ihre Mitstreiter, wie der von einer Stimmband-Operation genesende Robert Holl, der mit der Taubenpost (D 965a) liedsängerische Maßstäbe setze. Den Vergleich mit Bartoli nicht scheuen muß Marie-Claude Chappuis, die mit dem Ständchen (D 920) Beifallsstürme entfachte. Der Männerchor war im wahrsten Sinne sehr variabel, denn der Männerchor im Widerspruch (D 685) waren fünf Solisten, während der eigentliche Männerchor den Nachtgesang im Walde (D 913) mit einem Waldhorn-Quartett aufführte. Nach zwei Stunden ohne Pause hätte man dennoch gerne noch stundenlang weiter zugehört. Bartoli würde sagen: „Viva Schubert“!

Das Preisträgerkonzert Young Conductors Award macht ein Grundproblem der klassischen Musik deutlich. Sowohl der Preisträger Maxime Pascal als auch das Gustav Mahler Jugend-Orchester sind junge Leute, der Altersdurchschnitt im Publikum liegt jenseits der 60 Jahre. Das Konzert selbst belegt wie gut das Orchester eingestellt bzw. wie gut der Nachwuchs mittlerweile ist. In La Mer von Claude Debussy gelingt die Einbindung der Blechbläser in eine harmonische Einheit mit Streichern und Holzbläsern herausragend. Das wenig bekannte Poeme de l’amour et de la mer von Ernest Chausson hat Klangbilder, die an die dramatische Wucht und Traumbilder Korngolds erinnern. Das Orchester ist hier der zurück genommene ideale Begleiter für Marianne Crebassa, auch wenn die gesanglichen Ansprüche eher gering sind.

Fazit

Salzburg bietet seinen Besuchern eine große Auswahl mit vielen Themenkreise und ebenso vielen Schwerpunkten: Schauspiel, Konzerte und Oper. Man wußte auch in dieser Spielzeit nicht, wofür man sich entscheiden sollte.. Und da die großen Namen wie Netrebko oder Domingo dabei sind, ist das einzige Limit für das persönliche Programm die Verfügbarkeit der Karten. Hat man das Pech nicht zum Zug gekommen zu sein, so hat man das Nachsehen, denn das „System Pereira“ (Intendant der Salzburger Festspiele mit Besucherrekord 2012) sieht keine Wiederaufnahmen vor, dafür jedes Jahr eine Vielzahl an Premieren. Dieses Jahr war die Akzeptanz besonders, denn alle Produktionen wurden vom Publikum bejubelt, lediglich bei wenigen Produktionen gab es verhaltene Reaktionen, doch Enttäuschungen gab es keine. Leider verliert Salzburg Pereira „im Streit mit dem (mit Politikern besetzten) Kuratorium“ an die Mailänder Scala. Wir werden sehen, wie es die nächsten Jahre weitergeht, dem Vernehmen nach soll es dann wieder Wiederaufnahmen geben. Ist das eine Garantie für eine sichere Zukunft?

Oliver Hohlbach

Das Bild 1 zeigt. Sophie Koch (Octavian), Mojca Erdmann (Sophie) in Rosenkavalier

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild 2 zeigt: Cecilia Bartoli (Angelina), Enzo Capuano (Don Magnifico) in La Cenerentola

Bild: Silvia Lelli

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