Bielefeld, Stadttheater – RUSLAN UND LUDMILA

von Michail Iwanowitsch Glinka (1804-1857), Eine Phantastische Oper in fünf Akten, Libretto: Michail Iwanowitsch Glinka und Walerjan F. Schirkow nach dem Poem von Alexander S. Puschkin; UA: 9. Dezember 1842, St. Petersburg
Regie: Nicholas Broadhurst, Bühne/Kostüme: Timo Dentler, Okarina Peter, Dramaturgie: Jón Philipp, Aufführung in Russisch mit Übertitel
Dirigent: Leo Siberski, Bielefelder Philharmoniker, Opernchor und Extrachor, Einstudierung: Hagen Enke
Solisten: Monte Jaffe (Swetosar, Großherzog von Kiew), Viktoria Granlund (Ludmila, seine Tochter), Michael Bachtadze (Ruslan, 1. Freier), Dshamilja Kaiser (Ratmir, 2. Freier), Jacek Janiszewski (Farlaf, 3. Freier), Sarah Kuffner (Gorislawa, Geliebte Ratmirs), Luca Martin (Finn, ein guter Zauberer), Ljubka Nikolowa (Naina, böse Zauberin), Lassi Partanen (Bajan, ein Sänger), Ulrich Neuweiler (der Zwerg Tschernomor)
Besuchte Aufführung: 14. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
ruslan.jpgIn Kiew finden die Hochzeitsfeierlichkeiten von Ruslan und Ludmila, der Tochter des Großfürsten Swetosar statt. Unter den vielen Gästen sind auch die zwei von Ludmila abgewiesenen Verehrer Ritter Farlaf und Ratmir. Begleitet von Donnerschlägen wird Ludmila plötzlich von Ungeheuern entführt. Schockiert ruft Swetosar die drei Ritter auf, Ludmila zu retten. Er verspricht demjenigen, der seine Tochter unversehrt zurück bringt, deren Hand und sein halbes Reich. Ein bizarres Abenteuer beginnt, das die Helden sowohl ins Reich der Zauberer, Riesen und Zwerge führt, als auch in die Arme schöner Wasserwesen und Nymphen.
Aufführung
Ein großer Container, getarnt als Flaschenkarton mit der Aufschrift STOLICHNAYA Russian Vodka auf einem Bühnenrondell bildet die zentrale Spielfläche. Die Wände des Containers lassen sich zu allen Seiten öffnen und so beginnt die Inszenierung damit, daß sich erst die beiden Seitenwände öffnen und so viele Darsteller in verschiedenen, grell bunten folkloristischen Kostümen heraustreten, daß das Publikum hörbar erstaunt ist. Als auch die Vorderseite des Containers geöffnet ist, bilden die entstehenden Flächen die Bühnenmitte für die Hochzeitsfeierlichkeiten von Ruslan und Ludmila. Überdimensionierte Bonbons mit russischer Aufschrift werden auf die Bühne plaziert und die Hochzeitsgäste verbreiten ein buntes, ausgelassenes Durcheinander. Die Darstellung des Riesenkopfes als Wächter des uralten Schlachtfeldes im zweiten Akt wird durch eine große Metallkonstruktion, die vom hinteren Containerrahmen herunterhängt, gelöst. Die Aufführung endet mit einem Freudenfest. Musikalisch begleitet sammeln sich alle Darsteller wieder in der Mitte des Containers und mit dem letzten Ton schließen sich die Wände des Containers und bilden zum Anfang einen abgeschlossenen Zirkel.
Sänger und Orchester
Das Orchester unter der Leitung von Leo Siberski setzt die musikalische Vorgabe gekonnt um. Die dynamischen und rhythmischen Wechsel ertönen szenisch äußerst genau und harmonische Parameter, die teilweise bis zur Gleichzeitigkeit von Dur und Moll kontrastierend gegenübergestellt sind, verleihen dem Vortrag den passenden Klangteppich russischen und orientalischen Charakters und versinnbildlichen zugleich die gegensätzlichen Seiten des ganzen Stückes. Der Bartion Michael Bachtadze (Ruslan) bekommt für seinen vorzüglichen Gesang, wie auch für seine überzeugende theatralische Darbietung den kräftigsten Applaus des Publikums. Viktoria Granlund (Ludmila) gibt in ihren Arien ein Beispiel vorzüglichen Belcantogesangs. Mit Dshamilja Kaiser (Ratmir), einer Mezzosopranistin für die Rolle des 2. Freiers, ist der Stimmenvorgabe Glinkas (Alt) entgegen gekommen. Sie meistert ihre Männer-Rolle gesanglich, wie auch in theatralischer Hinsicht bravourös. Jacek Janiszewski (Farlaf) erntet viel Applaus, als er seine Arie im zweiten Akt mit kräftiger Baßstimme zu Gehör bringt. Sarah Kuffner (Gorislawa) singt sehr souverän und überzeugt zudem durch ausdrucksstarke Bühnenpräsenz. Luca Martin (Finn) beeindruckt nicht nur durch seine gute gesangliche Leistung, sondern auch in seiner Kostümierung eines alten, guten Zauberers mit langen weißen Haaren, Bart und langem Gewand. Der Bassist Monte Jaffe (Swetosar), Lassi Partanen (Bajan), Tenor, und Ljubka Nikolowa (Naina) Mezzosopran singen sehr souverän. Der Bielefelder Opernchor und insbesondere der Extrachor unterstützen durch ihre Gesangseinlagen die Klangatmosphäre ganz vortrefflich.

Eine Mischung aus phantasievollen Märchen aus 1001 Nacht, Volkstümlichkeit sowie brillantes Belcanto, das man in den wunderbaren Arien, Ensembles und mitreißenden Chören hört, lassen die Gesamtlänge der Aufführung von über drei Stunden keineswegs lang erscheinen. Etwas störend wirkte der kleine in der linken oberen Ecke des Containers installierte Monitor in der Szene auf dem uralten Schlachtfeld im zweiten Akt: Das Bild des Monitors wechselte ständig zwischen Blue-Screen und Orchesterübertragung und zog dadurch ablenkend die Publikumsblicke auf sich. Das schmälert aber den Gesamteindruck der gelungenen Inszenierung nicht.

Britta Wandschneider
Bild: Matthias Stutte

Bildlegende: Ruslan, Ludmila, Kaiser und Chor

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