von Richard Strauss (1864-1949), Oper in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), UA: 10. Oktober 1919 Wien, Haus am Ring
Regie: Uwe Eric Laufenberg, Bühne: Gisbert Jäkel, Kostüme: Antje Sternberg, Licht: Andreas Frank, Choreinstudierung: Albert Horne, Christoph Stiller, Dramaturgie: Regine Palmai
Dirigent: Zsolt Hamar, Hessisches Staatsorchester Wiesbaden, Stephan Breith (Solocello), Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Solisten: Thomas Piffka (Kaiser), Erika Sunnegårdh (Kaiserin), Andrea Baker (Amme), Oliver Zwarg (Barak), Nicola Beller Carbone (Färberin), Matias Tosi (Geisterbote bzw. Keikobad), Gloria Rehm (Stimme des Falken), Romina Boscolo (Stimme von oben), Aaron Cawley (Erscheinung eines Jünglings) u.a.
Besuchte Aufführung: 12. September 2014 (Premiere)
Ein Kaiser aus der Märchenwelt macht Jagd auf eine weiße Gazelle. Diese verwandelt sich in die schöne Tochter des Geisterkönigs Keikobad, ist jedoch kein Mensch aus Fleisch und Blut. Da sie also keinen Schatten wirft und nach zwölf Monaten noch nicht schwanger ist, droht der Kaiser zu versteinern. Die Kaiserin reist mit ihrer dämonischen Amme zu Färber Barak und dessen Frau in die Menschenwelt. Die Färberfamilie ist ebenfalls kinderlos. Die Frau, vom Hokuspokus der Amme verblendet, verweigert sich Barak immer mehr und ist bereit, gegen Reichtum ihren Schatten herzugeben. Die Kaiserin durchschaut schließlich den teuflischen Handel und beide Paare finden in wahrer Liebe zueinander.
Aufführung
Zu Beginn ist man ein wenig ernüchtert über den sterilen weißen Kubus, in dem sich die erste Szene der Märchenwelt abspielt. Während des Berichts, was bisher geschah, öffnet sich in der Bühnenwand ein Ehebett in Aufsicht, worin man das nackte Kaiserpaar beim Schmusen sieht. Die Kostüme sind aus unserer Zeit, wenig erinnert an die märchenhafte Intention von Strauss/Hofmannsthal. Mit dem geschlossenen Vorhang beim Zwischenspiel ändert sich dies: wir sind nun in einer ärmlichen Färberei. In diesem sichtbaren Elend fügt sich die nun folgende menschliche Tragödie sehr gut ein. Auch Kerker und Jagdhaus sind zu erkennen, wobei letzteres wieder in die Sterilität der abstrakten Märchenwelt zugehört. Mit leichtem Augenzwinkern ist die Erscheinung des Jünglings in Szene gesetzt. Bei aller Tragik der Situation erscheint hier ein in Liebesdingen erfahrener homo eroticus in goldenem Tanga. Die Szenenwechsel und Zwischenmusiken erfolgen bei geschlossenem Vorhang und halten so den Spannungsbogen.
Sänger und Orchester
Dank der Akustik des historischen Wiesbadener Opernhauses ist dieser Abend musikalisch durchaus genießbar. Der Klang des Orchesters ist transparent und ausgewogen, die solistischen Passagen sind raumfüllend und, trotz lauter Tutti-Einsätze an vielen Stellen, gehen die Solisten in diesen Lawinen nicht unter. Die Auswahl der Sänger dagegen war eher durchwachsen. Da gab es zum einen Andrea Baker als Amme, die zwar über ein beeindruckendes Volumen in tiefer und mittlerer Lage verfügt, sobald sie ihrer Stimme jedoch etwas Höhe zumutet, verhärtet sich ihr Timbre hin zum Metallischen. Leider läßt auch die Artikulation zu wünschen übrig. Gerade beim anspruchsvollen deutschsprachigen Repertoire werden in Deutschland viel zu oft Sänger engagiert, die zwar vom Klang her den entsprechenden Charakter verkörpern, der Partie phonetisch jedoch nicht gewachsen sind. Nicola Beller Carbone dagegen weist zwar eine etwas zerrissene Tessitura (Stimmumfang) auf, verkörpert dies als Färberin aber psychologisch durchaus glaubwürdig. In Brustlage und mittlerer Lautstärke verschließt sich die Stimme, wirkt leicht verkloßt und gepreßt. Auch ihr oftmaliger Verzicht auf ein sanftes Vibrato verleiht der Partie eine gewisse Härte und Unterkühlung. Erika Sunnegårdh (Kaiserin) ist an manchen Stellen lediglich etwas dünn im Ansatz und in Spitzentönen teils sehr scharf, meistert die große Partie jedoch ansonsten routiniert. Thomas Piffka (Kaiser) ist ein rauher Tenor mit lyrischer Note, wie das Werk es vorschreibt: mehr Jäger als Kaiser oder Liebhaber. Gloria Rehm singt die Partie des Falken mit lyrischem Einfühlungsvermögen und gefühlter Trauer. Dies kontrastiert mit dem harten Instrumentalsolo, das ihr Motiv vorwegnimmt. Hier tritt uns ein Falke entgegen der sehr menschlich fühlt und nicht papageienartig-mechanisch seine Noten abzwitschert. Ein Höhepunkt war sicherlich Oliver Zwarg als Barak. – eine beeindruckende Leistung, wie er sich seinen Weg als rudimentärer Färber und gutmütiger Liebhaber durch das Werk bahnt. Der Klang seiner Stimme in dieser hohen Bariton-Partie ist ausgewogen und schön zu hören, auch ein Hauch von Melancholie fehlt an vielen Stellen nicht. Eine kleine Sternstunde war zudem der kurze Auftritt von Romina Boscolo als Stimme von oben. Zwar ist ihr Volumen noch bei weitem nicht ausgereift, ihr Timbre jedoch ist äußerst reich an Klangfarbe und Wärme im Ausdruck. Wenn diese junge Sängerin sich nicht von selbsternannten Stimmexperten ins falsche Fach drängen läßt, darf man in einigen Jahren sicherlich einiges von ihr erwarten.
Fazit
Für den Start der neuen Intendanz unter Uwe Eric Laufenberg war das nicht ausverkaufte Opernhaus zur Eröffnungspremiere eine kleine Überraschung. Wahrscheinlich wird man sich erst das unter den Vorgängern verlorengegangene Publikum mühsam zurückerobern müssen. Die Frau ohne Schatten ist zweifellos für jedermann eine große Herausforderung. Wenn das Team sich dieser inhaltlich-seriösen Linie treu bleibt, wird hier mit Sicherheit noch die eine oder andre gute Produktion zu sehen sein.
Daniel Rilling
Bild: Monika und Karl Forster
Das Bild zeigt: Andrea Baker (Amme) li. , Erika Sunnegårdh (Kaiserin) re.