von Giacomo Puccini (1858-1924), Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem gleichnamigen Schauspiel von Victorien Sardou, UA: 14. Januar 1900 Rom, Teatro Costanzi
Regie: Pierre Audi, Bühne: Christof Hetzer, Kostüme: Robby Duivemann, Licht: Jean Kalman, Dramaturgie: Klaus Bertisch
Dirigent: Evelino Pidò, Chor und Orchester der Opéra National de Paris, Maîtrise de Hauts-de-Seine, Kinderchor der Opéra National, Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten: Martina Serafin (Floria Tosca), Marcelo Alvarez (Mario Cavaradossi), Ludovic Tézier (Scarpia), Wojtek Smilek (Cesare Angelotti), Carlo Bosi (Spoletta), André Heyboer (Sciarrone), Francis Dudziak (Il Sagrestano), Andrea Nelli (un carceriere)
Besuchte Aufführung: 10. Oktober 2014 (Premiere)
Kurzinhalt
Der Maler Cavaradossi, der in einer Kirche in Rom ein Heiligenbild malt, verhilft Angelotti, einem entsprungenen, politischen Häftling, in seinem Haus Versteck zu finden. Der Polizeichef Scarpia, der schon seit langem ein Auge auf Cavaradossis Geliebte, die Sängerin Floria Tosca, geworfen hat, verdächtigt Cavaradossi. Da seine Spione aber Andreotti nicht bei ihm finden können, verhaftet er den Maler kurzerhand und läßt ihn foltern. Tosca, die er zum Abendessen eingeladen hatte, hört im Zimmer daneben die Schmerzensschreie ihres Liebhabers. Als sie sie nicht mehr ertragen kann, verrät sie Scarpia das Versteck des Flüchtlings. Angelotti begeht Selbstmord. Cavaradossi soll hingerichtet werden. Nach langem Zögern willigt Tosca ein, dem Polizeichef zu Willen zu sein, sofern Cavaradossi freigeht und man ihnen freies Geleit gewährt. Scarpia willigt ein und ordnet eine fingierte Erschießung an. Statt sich ihm hinzugeben, ermordet Tosca Scarpia. Nach der „Schein“-Exekution stellt Tosca mit Grauen fest, daß Cavaradossi tot ist. Die Ermordung Scarpias wird entdeckt. Um ihren Verfolgern zu entgehen, stürzt sich Tosca von der Engelsburg in den Tod.
Aufführung
Pierre Audi hat mit seinem Team eine halb moderne, halb historische Inszenierung auf die Bühne gestellt. Im ersten Akt eine Kirchenszene mit geschützten Winkeln aus groben Beton Blöcken, (die der Akustik zugute kommen), Kerzenstöcken und einfachen Stühlen. Das „Heiligenbild“ des Cavaradossi kommt eher der Orginalmalerei eines Rubens näher. Im zweiten Akt ein im Empirestil möblierter Halbrundsaal und im dritten ein Soldaten-Feldlager auf freiem Feld. In den beiden letzten Akten hängt über der Bühne ein Riesen-Holzkreuz. Die Kostüme sind im Stil um 1800 gehalten: Tosca in langen Empirekleidern, im zweiten Akt mit Diadem à la Josephine, Cavaradossi in losem Kittel, Hosen und Stiefeln, Scarpia im ersten Akt in langem schwarzem Ledermantel, im zweiten in elegantem, grauem Morgenrock. Spoletta sieht aus wie Nosferatu. Die Soldaten tragen Uniformen der napoleonischen Zeit. Die Regie hat auch das kleinste Detail genau herausgearbeitet. Die Choreographie ist bühnenwirksam.
Sänger und Orchester
Martina Serafin ist keine Callas, aber sie hat in den lyrischen Szenen eine herrlich strahlende, weiche Sopranstimme, mal spielerisch leicht, mal zärtlich versonnen, wie gleich am Anfang in der ersten Szene mit Cavaradossi im ersten Akt. Sie singt konzentriert und gesammelt wie im Gebet Vissi d’arte, vissi d’amore – Ich lebte für die Kunst, lebte für die Liebe im zweiten Akt. Sie spielt vorzüglich, gibt sich aber – nach eigener Aussage – nie ganz hin, bleibt immer Zuschauerin ihrer eigenen Darstellung. Und das merkt man. Die hohen dramatischen Passagen meistert sie ohne ins Schrille umzukippen, aber gerät hier wohl auch an die jetzigen Grenzen ihrer stimmlichen Fähigkeiten. Marcelo Alvarez’ spinto-Tenor fühlt sich jetzt auch in der schweren Cavaradossi-Rolle völlig wohl, mit reiner Stimmführung, lyrischer Weichheit, klarer Diktion. Auch in der Höhe ist die Stimme sicher plaziert und schön timbriert, wie in der Arie E lucevan le stelle – und es leuchten die Sterne am Anfang des dritten Akts. Trotz angeblicher Indisposition bietet uns Ludovico Tessier (Scarpia), ein absolutes Meisterstück aus Eleganz, Schönheit und Dämonie. Seine hohe musikalische Kunst und seine vorzügliche Diktion, erlaubt es ihm, im Laufe des lang andauernden Dialogs mit Tosca im zweiten Akt schauspielerisch und stimmlich ein Portrait jenes Scarpias zu schaffen, der völlig gelassen, mit Napoleonmiene, zynisch seine Macht mißbraucht. Mit wundervoller Resonanz in der Stimme auch in den leisen Passagen.
Diese drei ausgezeichneten Protagonisten, ergänzt durch die gut besetzten Nebenrollen, bilden das hervorragende Ensemble der Aufführung, verstärkt durch einen vielköpfigen Chor mit Kindern, der besonders in der Kirchenszene am Schluß des ersten Akts sehr schön zur Geltung. Evelino Pidò gelingt es mit Präzision, Orchester und Sänger musikalisch optimal zu verquicken.
Fazit
Die selten gute Interpretation dieses melodramatischen Werks Puccinis sowie auch die Inszenierung wurden mit einstimmigem, anhaltendem Applaus bedacht.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Charles Duprat/Opéra national de Paris
Das Bild zeigt: Martina Serafin (Tosca), Marcelo Alvarez (Mario Cavaradossi), festgehalten von zwei Schergen, Ludovic Tézier (Scarpia) mit Pistole