von Carl Maria von Weber (1786-1826), romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Johann Friedrich Kind nach der Novelle Der Freischütz. Eine Volkssage von Johann August Apel; UA: 18. Juni 1821 Berlin, Schauspielhaus
Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme: Christopher Melching, Dramaturgie: Katja Pfeifer, Dr. Sascha Löschner
Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester Vorpommern, Opernchor, Extrachor des Theaters Vorpommern, Choreinstudierung: Rustam Samedov
Solisten: Dennis Marr (Max), Liubov Belotserkovskaya (Agathe), Linda van Coppenhagen (Ännchen), Thomas Rettensteiner (Fürst Ottokar), Tye Maurice Thomas (Erbförster Kuno), Alexandru Constantinescu (Kaspar), Roger Krebs (Eremit), Johannes Richter (Kilian) u. a.
Besuchte Aufführung: 18. Oktober 2014 (Premiere)
Kurzinhalt
Jägerbursche Max trifft seit Wochen nichts mehr. Das erfüllt ihn mit großer Sorge, denn er will am nächsten Tag Agathe, die Tochter des fürstlichen Erbförsters Kuno, heiraten. Dazu muß er einen Probeschuß absolvieren. Sein Kollege Kaspar überredet ihn, Freikugeln zu verwenden, die ihr Ziel nie verfehlen. Was Max nicht weiß: Kaspar hat zuvor einen Pakt mit dem Teufel Samiel geschlossen; die siebte Kugel tötet ein Opfer seiner Wahl. Es soll Agathe sein. Max erhält vier Kugeln, Kaspar drei. Am nächsten Tag verschießt Max schon früh die ersten drei Kugeln. Kaspar tut es ihm schnell nach, um sicherzugehen, daß die Kugel für den Probeschuß die siebte ist. Agathe hat währenddessen böse Vorahnungen. Als statt eines Jungfernkranzes versehentlich eine Totenkrone geliefert wird, flechten die Brautjungfern einen Kranz aus geweihten Rosen, die Agathe von einem Eremiten bekommen hatte. Als es zum Probeschuß kommt, lenkt der Kranz die Kugel ab – sie trifft Kaspar. Max gesteht alles und wird von Fürst Ottokar verbannt. Doch da schreitet der Eremit ein. Er bringt den Fürsten dazu, den veralteten Brauch des Probeschusses abzuschaffen und durch ein Probejahr zu ersetzen.
Aufführung
Passend zum Motto „bürgerlich“ für die laufende Spielzeit am Theater Vorpommern sind Bühnenbild und Kostüme am Stil des Biedermeier orientiert. Die drehbare Bühne hat zwei Seiten, eine Waldschänke und Agathes Zimmer. Auch die Wolfsschlucht-Szene spielt sich dort ab, durch Beleuchtungseffekte verfremdet. Der Wald taucht in Form von herabhängenden romantischen Gemälden und als Projektion auf dem Vorhang während der Vorspiele auf. Bilderrahmen werden als zentrales Motiv verwendet. Besonders körperlich gegenwärtig ist die Rolle des Samiel gestaltet: Ein weiß geschminkter Schauspieler tritt immer wieder als verführender Mephisto auf, am Ende sogar – für alle sichtbar – als Fürstengattin verkleidet.
Sänger und Orchester
Die sängerische und schauspielerische Leistung aller Solisten war durchweg sehr gut, alle Rollen waren perfekt besetzt. Besonders der junge Tenor Dennis Marr (Max) überzeugte auf ganzer Linie: Seine wunderbar ausgewogene, durch alle Register und in allen Lautstärken gleichermaßen natürliche, klangvolle Stimme voll weichen Timbres und schillernden Nuancen war ein Genuß für die Ohren. Liubov Belotserkovskaya (Agathe) bildete mit ihrem dunkel gefärbten, ausdrucksstarken Sopran und dem großen Vibrato, wodurch sie gerade die düsteren Ahnungen ihrer Rolle perfekt umsetzte, einen schönen Kontrast zur fröhlichen Linda van Coppenhagen (Ännchen), die zwar das Publikum über eine angeschlagene Stimme vorwarnen ließ, dann aber mit glockenklaren Höhen und hellem, reinen Klang, nur gelegentlich kaum hörbar eingetrübt, begeisterte. Auch die tieferen Stimmen beeindruckten: Alexandru Constantinescu (Kaspar) mit klarem, leicht nasalem Bariton und dem Blick eines Mannes, der dem Wahnsinn nahe ist; Tye Maurice Thomas (Erbförster Kuno) mit warmem, sonorem Baß, der eher den liebevollen Vater als den militärisch strengen Vorgesetzten suggerierte; Thomas Rettensteiner (Fürst Ottokar) mit durchschlagender Kraft und unanfechtbarer Autorität; und schließlich Roger Krebs (Eremit), der mit imposantem Auftreten und posaunengleichem Baß auch glaubhaft die Apokalypse hätte verkünden können.
Letzterer sorgte unbeabsichtigt für den Beweis, daß auch das Orchester an diesem Abend wachsam und gut auf die Sänger abgestimmt war – ein schlecht getimter Einsatz in der vorletzten Szene brachte beinahe das gesamte musikalische Gebilde zum Einsturz. Aber unter der souveränen Leitung von Golo Berg konnte das Orchester reagieren und die Situation ohne Abbruch entschärfen. Der Dirigent verlangte volles Risiko gleich zu Beginn, als er die Ouvertüre im leisesten Pianissimo beginnen ließ, zugunsten eines atmosphärischen Klangeindrucks, leider auf Kosten zweier Kiekser im Hornthema. Insgesamt aber war das Ensemble in guter Form. Das gilt auch für den verstärkten Chor, der, wie gewohnt, sich schauspielerisch gekonnt an der Handlung beteiligte.
Den tiefsten Eindruck von allen hinterließ der Schauspieler Stephan Waak (Samiel), der mehr mit Gesten als mit Worten einen gespenstischen, allerdings sehr menschlichen, verspielten und doch gefährlichen, trotz seiner Bösartigkeit, sympathischen und charmanten Verführer darstellte.
Fazit
Eine durch und durch gelungene Opernaufführung, die vom zahlreich erschienenen Greifswalder Publikum verdientermaßen mit außergewöhnlich langem Applaus belohnt wurde!
Anna-Juliane Peetz-Ullman
Bild: Barbara Braun/MuTphoto
Das Bild zeigt v. l. n. r: Tye Maurice Thomas (Erbförster Kuno), Stephan Waak (Samiel), Thomas Rettensteiner (Fürst Ottokar), Männer des Opernchores und des Extrachores des Theaters Vorpommern