Musik und Text von Arnold Schönberg (1874-1951), Opernfragment in zwei Akten, UA: konzertant 12. März 1954, Hamburg; szenisch 6. Juni 1957, Zürich
Regie: Christof Nel, Bühne: Roland Aeschlimann, Kostüme: Silke Willrett
Dirigent: Wen-Pien Chien, Düsseldorfer Symphoniker. Chor und Extrachor, Einstudierung: Gerhard Michalski
Solisten: Michael Ebbeke (Moses), Wolfgang Schmidt (Aron) u.a.
Besuchte Aufführung: 20. März 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Eine Stimme befiehlt Moses, das Volk Israel zu Gott zu bekehren und aus der Sklaverei zu befreien. Da Moses ein schlechter Redner ist, soll sein Bruder Aron sein Mund sein. Durch Aron verkündet Moses den Gedanken des einzigen, unsichtbaren und unvorstellbaren Gottes. Doch das Volk versteht ihn nicht. Erst eine Reihe von Wundern kann die Menschen von der Allmacht Gottes überzeugen. Das Vertrauen wird erschüttert, als Moses 40 Tage auf dem Berg der Offenbarung verbringt, um Gottes Gesetze entgegenzunehmen. Durch seine lange Abwesenheit verunsichert, verlangt das Volk die alten Götter zurück. Aron gibt nach. Ein Götzenbild, das Goldene Kalb, wird in einer wilden Orgie verehrt, zerfällt aber vor dem Zorn des zurückkehrenden Moses. Bei der anschließenden Auseinandersetzung mit Aron erkennt Moses jedoch, daß sein Gottesbild das Volk überfordert. Verzweifelt bricht er zusammen.
Aufführung
Die Musik beginnt aus dem Nichts. In Kostümen des 21. Jahrhunderts lagert der Chor, das Volk Israel, auf drei Treppen, welche die gesamte Bühne einnehmen. Die Kleidung ist schlicht, ähnelt Uniformen. Nur hier und da hebt sich aus dieser gestaltlosen Masse ein Individuum ab. Moses wird vom Chor bedrängt, seine Mission anzunehmen. Zunächst sind es nur einige Hände, die ihn betasten. Dann wird er an die Rampe getrieben und gibt nach. Aus seiner Lethargie erwacht er nur für kurze Augenblicke, etwa wenn er mit Aron um seinen Stab ringt. Aron, äußerlich ein kraftvoller, selbstbewußter Mann, ist selbst vom ersten Moment an mit Zweifeln erfüllt. Die Orgie um das Goldene Kalb verstört ihn. Am Schluß wird klar, daß nicht nur Moses ein Gescheiterter ist: Aron fällt zu Boden, zerbrochen an seiner Vermittlerrolle. Moses sinkt über ihm zusammen, während der Chor sich über die Treppen entfernt.
Sänger und Orchester
Moses und Aron ist eines der wichtigsten Werke der Zwölftonmusik (Dodekaphonie), zu deren Schöpfern Schönberg gehört. Beim ersten Hören klingt diese Musik unter Umständen fremd, denn hier gelten die meisten Regeln der traditionellen tonalen Musik nicht. Eine weitere Besonderheit der Oper: Moses’ Sprachlosigkeit gibt Schönberg durch einen eng an die Musik gebundenen Sprechgesang Ausdruck. Michael Ebbecke meistert Moses tadellos und mit vorbildlicher Textverständlichkeit, auch in den kurzen Zornesausbrüchen. Für den wortgewaltigen Aron ist dagegen ein virtuoser Gesang mit immensem Tonumfang charakteristisch. Wolfgang Schmidt hat sich diese mörderische Partie so intensiv angeeignet, daß er sogar noch zu leisen Zwischentönen findet: zweifellos ein Höhepunkt seiner Karriere. In den diversen Klein- und Kleinstrollen präsentiert sich das Ensemble der Rheinoper überwiegend solide, wird aber an den Rand gedrängt von der gewaltigen, fast an Monumentalität grenzenden Präsenz des Chores. Die lange Probenzeit (anderthalb Jahre dauerte die Vorbereitung) hat sich gelohnt: Jeder Takt der anspruchsvollen Musik sitzt perfekt, bis hin zum Flüstern, Sprechen und Schreien. Dirigent Wen-Pin Chien führt die Düsseldorfer Symphoniker souverän durch die Partitur und hält das Ensemble durch engen Blickkontakt zusammen.
Fazit
Ein Aufschrei hinter dem geschlossenen Vorhang: So macht sich am Ende das Ensemble der Rheinoper seiner Anspannung Luft. Die eigenen Erwartungen waren hoch, hatte man doch als Maßstab die 1968 im eigenen Haus über die Bühne gegangene westdeutsche Erstaufführung des Werkes als Vorbild. Ein Erfolg ist Moses und Aron zweifellos auch diesmal. Das Engagement aller Mitwirkenden macht die Musik in ihrer Dramatik und herben Schönheit zu einem Erlebnis. Dazu kommt die unaufdringliche und dennoch intensive Regie von Christof Nel. Mit einfachen Mitteln zieht Nel die Spannungsschraube nicht nur in der Opferszene gehörig an. Zögernd einsetzender, aber dann jubelnder Applaus für alle Beteiligten, vor allem für den Chor.
Dr. Eva-Maria Ernst
Bild: Eddy Straub
Das Bild zeigt Michael Ebbecke (Moses), Wolfgang Schmidt (Aron), Chor und Extrachor der Deutschen Oper am Rhein