von Christoph Willibald Gluck (1714-1787), Tragédie in 4 Akten, Libretto: Nicolas-François Guillard, nach Euripides; UA: 18. Mai 1779 Paris, Opéra
Regie, Bühne: Elmar Gehlen, Kostüme: Martina Feldmann
Dirigent: Laurent Wagner, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Opernchor von Theater und Philharmonie Thüringen
Solisten: Anne Preuß (Iphigénie), Max An (Orest), Jueun Jeon (Pylades), Kai Wefer (Thoas), Akiho Tsujii (Priesterin), Sin Ae Choi (Diana), u.a.
Besuchte Aufführung: 17. Oktober 2014 (Premiere)
Kurzinhalt
Auf Tauris dient Iphigénie der Göttin Diane als Oberpriesterin. Zu ihren Pflichten gehört die Opferung jedes Fremden, der Tauris betritt. Durch einen Sturm stranden Orest und sein Gefährte Pylades auf Tauris und sollen geopfert werden. Orest wird, seit er den Tod des Vaters durch die Ermordung der Mutter Klytemnestra rächte, von Furien verfolgt. Als er Iphigénie begegnet, jedoch nicht erkennt, da er sie für tot hält, berichtet er von den furchtbaren Ereignissen im Vaterhaus. Iphigénie will den Fremden, der sie an den Bruder erinnert, retten und mit einer Botschaft zur Schwester schicken. Doch Orest droht mit seinem Selbstmord, bis sie Pylades schickt. Iphigénie erkennt Orest, aber König Thoas ist erzürnt über die Flucht von Pylades und Iphigénies Verweigerung der Opferung. Rechtzeitig kehrt Pylades zurück, Diana beendet den Kampf und gewährt den Geschwistern die Heimfahrt nach Mykene.
Aufführung
Innere Spannungen stehen in dem Seelendrama im Mittelpunkt, daher benötigt es auch keine große Ausstattung. Das dunkel düster gehaltene Bühnenbild besteht aus einer schmucklosen steinernen Rampe (flankiert von dorischen Säulen), die zugleich Tempel, Strand oder Stadt ist. Ein großer Spiegel ermöglicht den Blick hinter die Rampe, so daß man sieht, wer kommt, oder, was in der Zukunft passieren wird – das Orakel läßt grüßen. Die Kostüme und Frisuren sind teilweise dem Bild einer griechischen Tragödie angelehnt: Iphigenie trägt ein klassisches weißes Priesterinnengewand, die Erinnyen eine rote Perücke und eine Maske aus einem Pferde-Skelettschädel. Thoas ist in einen langen Mantel mit Schurwollkragen gehüllt, das Diana-Bildnis ist in sein Zepter integriert, dieses nehmen die Griechen mit nach Mykene.
Sänger und Orchester
Musikalisch ist dieser Abend sicherlich eine erfolgreiche Umsetzung der aktuellen barocken Aufführungspraxis. Vater des Erfolges ist GMD Laurent Wagner, der das Philharmonische Orchester auf die wesentlichen Merkmale barocker Musik eingestellt hat. Farbenreichtum, fein ausgewogene Lautstärke- und Tempowechsel verbildlichen die Gefühle, die die Hauptdarsteller auf der Bühne darstellen. Die Ballett-Einlagen sind musikalisch erfrischend heiter musiziert, das funktioniert auch ohne Ballett-Einlagen auf der Bühne. Durch die Einheit zwischen Bühne und Orchester werden die Abgründe in den menschlichen Seelen fühlbar. Auch entspricht es der barocken Aufführungspraxis, daß die Streicher ohne Vibrato spielen. Sie klingen dadurch härter und aus heutigen Klanggewohnheiten heraus „unsauber“. Aber genau das macht die historische Klangwirkung aus. Das alles macht deutlich weshalb dies eine Reformoper ist! Auch das Sängerensemble stellt sich darauf ein, kommt mit der dynamischen Gestaltung der Da-capo-Arien gut zurecht. Wie Anne Preuß als Iphigenie. Stark in den dramatischen Momenten, lyrisch verhalten mit technischem Glanz in den nachdenklichen Momenten. Ebenso ausdrucksstark Max An als Orest, der sich im italienisch-französischen Fach mit klarer Höhe empfahl. Dagegen kann sich Jueun Jeon als Pylades nicht durchsetzen. Seine Höhen sind tremolierend unschön. Thoas ist ein Gewaltmensch. Kai Wefer leiht diesem Unsympathen seine Stimme und führt die Arien an die Grenze zwischen Hochdramatik und Durchschlagskraft der Stimme. Sin Ae Choi als Diana hat nur einen kurzen Auftritt mit einer Arie und kann die Göttin glaubhaft verkörpern.
Fazit
Eigentlich muß man für jede Vorstellung in Gera (und Altenburg) dankbar sein. Weil nach den rigiden Sparmaßnahmen „Theater an sich“ fast nicht mehr möglich schien. Nun ist es gelungen beide Spielstädten und das „bis aufs Skelett“ ausgedünnte Musiktheaterensemble samt Orchester zu erhalten. Auf Kosten des Personals, das immer weniger verdient. Ein Ensemble, das aufgrund der Leistung des Abends größte Achtung verdient hat. Laurent Wagner, weil er auch ohne barocke Zusatzinstrumente sein Orchester auf barocke Klangbilder einstimmen kann. Solisten, die schwere Partien innerhalb weniger Tage singen, wie Anne Preuss, die Iphigenie und die Marschallin im Rosenkavalier singt. Nur die Geraer Bürgerschaft hat das noch nicht bemerkt, obwohl sie doch, um ihr Theater auch in Zukunft zu halten, massiv hinter ihrem Theater stehen müßte. So war die Premiere in Gera nicht überlaufen, die Künstler wurden jedoch hinterher einhellig bejubelt.
Oliver Hohlbach
Bild: Stephan Walzl
Das Bild zeigt: Orest (Max An) wird zunächst von den Priesterinnen willkommen geheißen. Das blutgetränkte Gewand der Iphigenie (Anne Preuß) bemerkt er zunächst nicht.