von Carl Millöcker (1842-1899), Operette in drei Akten, Libretto: Friedrich Zell und Richard Genée nach der Komödie Fernande von Victorien Sardou, UA: 6. Dezember 1882 Wien, Theater an der Wien
Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme: Ella Späte, Dramaturgie: Stephanie Langenberg
Dirigent: Henning Ehlert, Philharmonisches Orchester Vorpommern, Opernchor des Theaters, Choreinstudierung: Rustam Samedov Choreographie: Stefan Haufe
Solisten: Dennis Marr (Symon), Johannes Richter (Graf Opalinski alias Jan Janicki), Thomas Rettensteiner (Oberst Ollendorf), Julie Martin du Theil (Laura), Anna Wagner (Bronislawa), Doris Hädrich-Eichhorn (Palmatica), Tye Maurice Thomas (Enterich) u.a.
Besuchte Aufführung: 29. November 2014 (Premiere)
Kurzinhalt
Nach einer Zurückweisung von der schönen Laura will Oberst Ollendorf nun Rache.
Die Gefängnisinsassen Symon und Jan sollen sich als Fürst Wybicki und sein Sekretär ausgeben. Symon soll Laura umgarnen und heiraten, damit Ollendorf das Schauspiel später auflösen und Laura bloßstellen kann. Doch Symon verliebt sich in Laura und möchte ihr noch vor der Hochzeit die Wahrheit sagen. Ollendorf kann dies verhindern, und so muß Laura auf ihrer Hochzeitsfeier erfahren, dass ihr Gatte nur ein armer Bettelstudent ist. Aber dann gibt sich Jan als Hauptmann Opalinski zu erkennen und schafft es mit einer List, Ollendorf zu stürzen. Laura entscheidet sich trotz allem für ihren Symon.
Aufführung
Die Aufführung findet vorwiegend auf der Hauptbühne statt, doch bereits in der ersten Szene betritt der Frauenchor den Saal von den Zuschauereingängen aus. Und auch im zweiten Akt stürzt Enterich volltrunken mit vier seiner Inhaftierten in den Besucherraum herein.
Das Bühnenbild besteht aus einzelnen weißen Bauelementen, mit denen binnen weniger Momente unterschiedlichste Schauplätze geschaffen werden. Durch Licht erzeugte Stimmungen kennzeichnen verschiedene Orte und Tageszeiten.
Die Ausstattung ist in einem am Rokoko orientierten Stil gehalten, welcher von modernen Einschüben durchzogen ist. Bereits im ersten Akt betritt Symon alias Fürst Wybicki, gekleidet in goldenem Samt, den Ringplatz zu Krakau, angereist per Hubschrauber samt Bodyguards. Fürstin Nowalska und ihre Töchter tragen Kleider mit Reif- und Tüllunterröcken in kräftigen Farben. Oberst Ollendorf präsentiert sich in einer weißen Uniform und Stachelhalsband, und seine Offiziere reiten stets mit grauen Offiziersjacken und weißen Pferden ausgestattet auf die Bühne.
Sänger und Orchester
Die Wahl der Solisten war perfekt, und die Umsetzung der verschiedenen Charaktere gelang zum Großteil mit Bravour. Besonders Thomas Rettensteiner (Ollendorf) überzeugte mit seiner kräftigen, durchschlagenden Stimme, die seine Rolle als Autoritätsperson widerspiegelte. Jedoch war er stellenweise zu laut und überschallte das gesamte Ensemble. Ebenso eindrucksvoll stellte Dennis Marr den Bettelstudenten Symon dar, den er mit dem richtigen Maß an Witz und Charme ausstattete. Sein warmer, facettenreicher Tenor strahlte gerade in den Höhen und hob sich so vom Gesamtklang ab. Die sehr gute Textverständlichkeit rundete den positiven Eindruck ab und war besonders im Duett Ich setz den Fall von Vorteil. Mit Julie Martin du Theils (Laura) heller Sopranstimme ergab sich ein äußerst harmonischer Klang. Ihr Volumen war zwar begrenzt, allerdings glich ihr selbstbewusster Umgang mit der Stimme dies aus. Sicher traf sie die hohen Töne und intonierte sie angemessen, aber nicht selten fiel es schwer, den gesungenen Text zu verstehen. Schauspielerisch wußte sie den Charakter der Laura gut umzusetzen, doch in den Tanzpartien vor allem entstand ein versteifter und kalter Eindruck, da ihre Mimik nicht die erforderliche Fröhlichkeit und Leichtigkeit widerspiegelte. Im Trio mit Doris Hädrich-Eichhorn (Gräfin Nowalska) und Anna Wagner (Bronislawa) entstand ein einheitliches Klangbild. Doris Hädrich-Eichhorn spielte die Rolle der Mutter so überzeugend, als wäre sie für sie geschrieben worden. Die Mezzosopranistin bot im Zusammenspiel mit Laura und Bronislawa eine solide Basis. Anna Wagner brillierte als Lauras Schwester mit ihrer ausdrucksstarken und fröhlichen Darstellung, und mit ihrem nuancenreichen, weichen Sopran zeigte sie glaubhaft verschiedene Emotionen. Im Duett mit Johannes Richter (Jan Janicki) bewies sie eine große stimmliche Durchschlagskraft. Johannes Richter wiederum glänzte in seiner Rolle und betörte mit seinem samtigen, etwas nasalen Tenor, wobei er manchmal etwas lauter hätte sein können.
Der Opernchor des Theaters Vorpommern nahm aktiv am Geschehen teil. Unterhaltsam und in ihren Stimmen wohlklingend traten die Chorsänger als Gefängnisinsassen und deren Frauen als Bürger auf dem Markt oder als Hochzeitsgesellschaft auf und boten dabei stets einen ausgewogenen Gesamtklang. Gleich zu Beginn sang der Chor gemeinsam mit Tye Maurice Thomas (Enterich), welcher sich gesanglich bewährte und die komischen Aspekte der Rolle stark sächselnd hervorhob.
Unter der Leitung von Henning Ehlert verzauberte das Philharmonische Orchester Vorpommern das Publikum bereits mit der Ouvertüre. Die Abstimmung zwischen dem Orchester, den Solisten und dem Chor wies keine auffälligen Probleme auf, zumeist stimmte alles punktgenau überein.
Fazit
Mit der Operette Der Bettelstudent schaffte man es, das Publikum ausgezeichnet zu unterhalten. Jenes lachte herzhaft über die Pointen, und insbesondere Ollendorfs Couplet im dritten Akt über die Hansestadt Greifswald fand viel Anklang. Die mutige Umsetzung wurde mit häufigem Szenenapplaus und schließlich mit langem Klatschen gewürdigt.
Tin Huynh-Le
Bild: Barbara Braun/MuTphoto
Das Bild zeigt: Thomas Rettensteiner (Oberst Ollendorf, Bildmitte), Mitglieder des Opernchores (sächsische Offiziere)