DON GIOVANNI – Berlin, Komische Oper

von W.A. Mozart (1756-1791), Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 29. Oktober 1787 Prag, Gräflich Nostitzsches National-Theater

Regie/Bühne: Herbert Fritsch, Kostüme: Victoria Behr, Choreinstudierung: David Cavelius,

Dirigent: Henrik Nánási, Orchester der Komischen Oper Berlin, Chorsolisten der Komischen Oper Berlin

Solisten: Günter Papendell (Don Giovanni), Erika Roos (Donna Anna), Adrian Strooper (Don Ottavio), Alexey Antonov (Komtur), Nicole Chevalier (Donna Elvira), Jens Larsen (Leporello), Philipp Meierhöfer (Masetto), Alma Sadé (Zerlina)

Besuchte Aufführung: 30. November 2014 (Premiere)

Wolfgang Amadeus Mozart Don Giovanni Dramma giocoso in zwei Akten (1787)   Musikalische Leitung: Henrik Nánási, Kristiina Poska Inszenierung und Bühnenbild: Herbert Fritsch Kostüme: Victoria Behr Dramaturgie: Johanna Wall, Sabrina Zwach Chöre: David Cavelius Licht: Franck Evin   Auf dem Bild Nicole Chevalier (Donna Elvira), Jens Larsen (Leporello)   Foto: Monika Rittershaus   Veröffentlichung bei Nennung des Fotografen für Rezensionen sowie Ankündigungen über die Produktion an der Komischen Oper Berlin honorarfrei. Reproductions for editorial puposeses including reviews and program announcements covering the production at the Komische Oper Berlin are free of charge, if the photographer is fully credited. Please send a copy to Komische Oper Berlin, Pressestelle, Behrenstr. 55-57, D-10117 Berlin, presse@komische-oper-berlin.deKurzinhalt
Eine klassische Don Juan-Geschichte im Spanien des 17. Jahrhunderts. Hier treibt der aristokratische Wüstling Don Giovanni auf der ständigen Suche nach Liebesabenteuern sein Unwesen. Schon bevor der Vorhang sich hebt, nähert er sich des Nachts der jungen Donna Anna. Ihr Vater, der Komtur, fordert ihn zum Zweikampf und wird dabei tödlich verwundet. Anna läßt ihren Verlobten, Don Ottavio, blutige Rache schwören. Auf der Flucht werden Don Giovanni und sein Diener Leporello mit Donna Elvira, einem der unzähligen Liebesopfer, konfrontiert. Ungerührt eilt er weiter und spannt dem Bauerntölpel Masetto die Braut Zerlina aus. Sein nächstes Ziel ist die Zofe Donna Elviras. Während sich die Gruppe der ihn verfolgenden Opfer und Gegenspieler vergrößert, ruft ihn die geisterhafte Stimme des ermordeten Komturs zum Abendmahl. Don Giovanni zeigt keinerlei Reue und muß zur Hölle fahren.

Aufführung
Die Bühne ist in der ersten Szene leer, mit Blick auf die Technik. Erst in der Ouvertüre, die hier zur zweiten Szene überleitet, gleiten großformatige schwarze Spitzenvolants herab. Die an Fächer, Negligés und Flamencorüschen erinnernden Vorhänge verschleiern das Geschehen und verwandeln die Bühne in ein erotisch-düsteres Labyrinth. Sie sind die einzige Kulisse für das vorwiegend bei Nacht stattfindende Verwirr- und Versteckspiel. In der Bewegungschoreographie und Rollenführung wird an die Tradition der Commedia dellʾarte angeknüpft, an komische Pantomimen, die kreischen, zappeln und keinen Slapstick auslassen. Die Kostüme von Victoria Behr sind spanisch, überzeichnet in ihrer grellen Farbigkeit und ausladenden Formgebung.

Sänger und Orchester
Regisseur Herbert Fritsch geht nicht nur mit dem Libretto, sondern auch mit der Partitur sehr frei um. Mozarts Anspielungen auf drei Opern seiner Zeit, darunter auch sein Figaro, wurden im Finale des zweiten Aktes willkürlich ausgeweitet auf alle möglichen Melodiefetzen, angefangen bei Händels Halleluja bis zum Da-Da-Da der Neuen Deutsche Welle. Die Rezitative wurden in einen temporeichen Staccato-Gesang umgewandelt und gleich Gewehrsalven ausgespukt. Generalmusikdirektor Henrik Nánási dirigierte das Orchester der Komischen Oper Berlin. Trotz pointiert spielerischer Kommentierung des Geschehens und sensibler Begleitung der Sänger, blieben viele musikalische Höhepunkte unausgeschöpft, vor allem im Finale.

Eine gute Wahl war die Besetzung der Zerlina mit Alma Sadé. Die Sopranistin wurde ihrer Rolle mit stimmlicher Leichtigkeit und einem sehr feinen, ironischen Spiel gerecht. Sie entfaltete ihr Können in Vedrai carino – Wenn Du fein artig bist, das sie mit lyrisch-zarter Stimme zu einer wirklichen Verführungsarie machte. In dem Duettino La ci darem la mano – Reich mir die Hand, mein Leben harmonierte sie mit Günter Papendell als Don Giovanni. Stimmlich und darstellerisch agil, gelang es Papendell auf bestechende Weise, die Verführungskünste der Titelfigur mit der erotischen Kraft seiner Gesangsstimme zu vereinen. Erika Roos, die nicht zum festen Ensemble der Komischen Oper gehört, meisterte den anspruchsvollen Part der Donna Anna scheinbar mühelos, mit umfangreicher und expansionsfähiger Stimme. Den hohen technischen Anforderungen der Triller und verzierten Passagen wurde sie dennoch selten gerecht. Ein Gesamtkunstwerk war Nicole Chevalier als Donna Anna in ihrem kanariengelben pompös-gerüschten Flamenco-Kleid und zerlaufener Wimperntusche im weißen Gesicht. Chevalier sang entschlossen und akzentuiert, auch, wenn sie zuweilen ins Hauchige abglitt und wenig koloristische Nuancen zeigte. Jens Larsen verkörperte den Leporello stimmlich und darstellerisch solide. Gleich zu Beginn beklagte er sich in gekonnt vokalen Trippelschritten über sein Dasein als Domestik; vernuschelt gerieten hingegen die vermutlich nicht zu meisternden Speed-Rezitative dieser Produktion. Tenor Adrian Strooper (Don Ottavio) hat keine sehr tragfähige Stimme und ging mehrfach im Orchester unter. Trotzdem vermochte er seine Arie Dalla sua pace – Nur ihrem Frieden bewegend über die Bühne zu bringen.

Fazit
Ein überaus dominanter Theaterregisseur, Herbert Fritsch, hat den Hoch lebe die Freiheit-Ruf des Don Giovanni sehr beim Wort genommen. Die opera buffa ist zweifellos ein Genre, das viel Nonsens zuläßt. Sehr verspielt, frech und frivol zieht Fritsch alle Register des Slapsticks und nimmt die heute vorherrschende Theaterästhetik aufs Korn. Zielscheibe des Spotts sind nicht Vernunft, Moral und bürgerliche Konformität. Die Regie bemächtigt sich des Librettos und der Rezitative – und leider ebenso der düsteren Dramatik und musikalischen Momente, von denen man meinen könnte, sie sei unempfindlich gegen alle Moden der Oper. Immer, wenn dieses dramma giocoso für einen Moment lang innehält und in Moll umschwenkt, wie in der Todesszene des Komturs, Annas Klagegesang und dem Erscheinen des steinernen Geistes, glitt die Produktion ins allzu Banale ab und hinterließ ein Premierenpublikum, das sich entweder gut unterhalten fühlte oder seinem Entsetzen freien Lauf ließ.

Norma Strunden

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild zeigt: Nicole Chevalier (Donna Elvira), Jens Larsen (Leporello)

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