Othmar Schoeck (1886–1957), Oper in einem Aufzug, Libretto: Othmar Schoeck nach Heinrich von Kleists gleichnamiger Tragödie (1808), UA: 8. Januar 1927, Semperoper, Dresden
Regie: Alexander Schulin, Bühnenbild/Kostüme: Cornelia Brunn, Choreographie: Martina Wüst, Dramaturgie: Diane Ackermann, Katharina Kost, Beleuchtung: Gerhard Becker
Dirigent: Phillippe Bach, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Chor und Extrachor des Theater Lübeck
Solisten: Anne-Carolyn Schlüter (Penthesilea), Anna Baxter (Prothoe), Anne Ellersiek (Meroe), Astrid von Feder (Oberpriesterin der Diana), Gerard Quinn (Achilles), Daniel Szeili (Diomedes), Szymon Chojnacki (Herold, Hauptmann) und Oda Pretzschner (eine Oberste der Amazonen)
Besuchte Aufführung: 20. März 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Achill hat mit seinem Heer die Amazonen besiegt. Die geschwächte und ohnmächtige Amazonenkönigin Penthesilea verschont er, da er in sie verliebt ist. Penthesilea hat ebenfalls Gefühle für Achill und so rät ihm ihre Gefährtin Prothoe, daß er ihre Niederlage verschweigen soll, da Penthesilea nur denjenigen lieben darf, den sie selbst besiegt hat. Als Penthesilea erwacht, ist sie sich ihres Sieges sicher und gibt sich der Liebe hin, wodurch sich ihr Volk befremdet von ihr abwendet. Achill und Penthesilea geraten in einen Konflikt und letztendlich verrät Achill, daß er einen Betrug aus Liebe begangen hat. Achill will in seine Heimat zurückkehren, aber Penthesilea weigert sich ihm zu folgen, schützt ihn aber weiterhin vor den Amazonen, wodurch sie durch die Oberpriesterin ihres Amtes enthoben wird. Achill will sich Penthesilea noch mal in einem symbolischen Kampf stellen und sich von ihr besiegen lassen. Penthesilea versteht die Situation falsch und ihre Liebe schlägt in Haß um und wahnsinnig geworden tötet sie Achill. Als sie ihre Tat begreift, bleibt für sie als einziger Ausweg der Selbstmord.
Aufführung
Hinter dem fabriktorartigen Vorhang, der zunächst stecken bleibt (?!), kommt eine große Fabrikhalle zum Vorschein: Hohe, graue, dreckige Wände mit kaputten Fenstern und bunkerartigen Durchgängen umgeben umgestürzte Tische und Balken. Überall liegt Papier in den Zwischenräumen, und der einzige massive, braune Tisch, der nicht umgestürzt ist, steht rechts im Vordergrund. Die Frauen erscheinen in grauen Hosenanzügen, Kostümen oder langen Kleidern und tragen in Halterungen Pistolen. Die Männer sind in schwarzem Smoking gekleidet. Penthesileas tritt, nachdem sie Achill im Bühnenhintergrund getötet hat, in einem blutgetränkten, knielangen Hemd auf. Ihr Gesicht und ihre Beine sind mit Blut beschmiert. Sie trägt einen abgetrennten Arm von Achilles. Eine ausgewogene Lichtregie vermittelt die zu jeder Gefühlslage – Liebe, Haß, Wut und Wahnsinn passende Eindringlichkeit.
Sänger und Orchester
Die Mezzosopranistin Anne-Carolyn Schlüter als Penthesilea kann schauspielerisch sowie sängerisch glänzen. Sie setzt alle Facetten ihres Empfindens authentisch um: So wandelt sie sich von einer geschwächten, liebenden Frau, über eine mächtige Amazone, wütende Betrogene und Wahnsinnige bis hin zum verzweifelten Menschen. Die großen Intervallsprünge gelingen ihr mit Bravour und verstärken die Dramatik. In den vielen Dialogen zeigt sie eloquentes, ausdrucksstarkes Sprechtheater. Gerard Quinn (Achill) steht ihr als männlicher Gegenpart durch Balance und kraftvolles Durchsetzungsvermögen in der Stimme gegenüber, aber in nichts nach. Philippe Bach gelingt es mit dem außergewöhnlich besetzten Philharmonischen Orchester – viele Blechbläser und Klarinetten – die facettenreiche Dramatik zu unterstützen, die abrupten Einsätze sind präzise. Die Momente des stimmlichen Durcheinanders des Chores und Extrachores gehören zu den außergewöhnlichsten Momenten der Inszenierung.
Fazit
Der Mut, eine moderne, selten aufgeführte Oper zu inszenieren, wird zum Schluß mit großem Beifall und Bravos belohnt. Der Opernabend in Lübeck bleibt im Gedächtnis und hat eine positive, noch zu verarbeitende Nachwirkung.
Frederike Arns
Bild: Jörg Metzner
Das Bild zeigt: Anna Baxter (Prothoe), Sandra Maxheimer (Meroe), Anne-Carolyn Schlüter (Penthesilea), Oda Pretzschner (Eine Oberste der Amazonen), Astrid von Feder (Oberpriesterin der Diana) und Chor und Extrachor des Theater Lübeck.