von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Singspiel in drei Aufzügen, Libretto: J.G. Stephanie d.J., nach einer Dichtung von C.F. Bretzner, UA: 16. Juli 1782, Hoftheater, Wien (Deutsche Erstaufführung 1782, Bonn)
Regie: Markus Dietz. Bühne: Mayke Hegger
Dirigent: Wolfgang Lischke, Beethoven Orchester Bonn, Chor, Video: Oliver Iserloh, Licht: Max Karbe. Statisterie
Solisten:), Sigrún Pálmdóttir (Konstanze), Julia Novikova (Blonde), Mirko Roschkowski (Belmonte), Tansel Akzeybek (Pedrillo), Ramaz Chikviladze (Osmin), Hanno Friedrich (Bassa Selim)
Besuchte Aufführung: 29. März 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Konstanze, ihre Zofe Blonde und ihr Diener Pedrillo befinden sich als Gefangene des Selim Bassa in dessen Palast am Meer. Konstanzes Verlobter Belmonte macht die Entführten ausfindig und versucht sie zu befreien. Bassa Selim hat sich in die standhafte Konstanze verliebt und will sie zu seiner Favoritin machen, indessen hat sein muselmanischer Aufseher Osmin ein Auge auf Blonde geworfen, die sich mit List zu wehren weiß. Belmonte und Pedrillo planen die Flucht. Osmin soll mit schwerem Cypernwein betrunken gemacht werden, aber er wacht zu früh aus seinem Rausch auf, tobt und schwört Rache: die Flucht scheitert. Bassa zeigt sich jedoch edelmütig und gewährt allen die Freiheit, obwohl er in Belmonte den Sohn seines grüßten Widersachers erkennt.
Aufführung
Noch bevor die Ouvertüre ertönt, liegt Belmonte auf dem Podium vor den plakativ geschriebenen (unvollendeten) Lettern in Blutrot: Entführung. Von wem wurde er überwältigt? Auf der Bühne dominiert ein weißer Kubus die Szenen. Er steht für alle Schauplätze und wird im wahrsten Sinne des Wortes zur Projektionsfläche, der fortan mit Videos bespielt wird, die etwa die in einem Antlitz vereinigten Gesichter von Belmonte und Konstanze zeigen, oder die endlos weinende Konstanze. Die Kubuswände aus Papier dienen als Vordergrund für Schattenrisse und sind Wände, die am Ende durchbrochen werden. Die Kostüme sind von heute, die Bewohnerinnen des Serails als amazonenhafte, versklavte und wenig anmutige Wesen anzusehen, der Chor trägt schwarze militärische Uniformen. Der mit nacktem Oberkörper auftretende Selim Bassa (Hanno Friedrich) läßt nicht nur durch Osmin Grausamkeit walten, sondern ist, anders als bei Mozart, selbst äußerst brutal im Umgang mit seinen Sklavinnen und auch mit Konstanze.
Sänger und Orchester
Nach einer etwas spannungslos musizierten Ouvertüre, leitete Wolfgang Lischke eine musikalisch solide, nach und nach aufblühende Aufführung, die angenehm auf den von Mozart bewußt eingesetzten Klang der Klarinette ausgerichteten war. Mitunter hätte die Dynamik etwas subtiler, im Dienste der Textverständlichkeit zurückgenommen werden können. Liebling des Abends war der bärig dargestellte und in den tiefsten Töne hinabsteigende, gesanglich gut verständliche Osmin des Georgiers Ramaz Chikviladze. Wohl seinen bescheidenen Deutschkenntnissen entgegenkommend, ließ der Regisseur ihn Schimpftiraden, gegen Pedrillo und Verwünschungen gegen Blonde, die auch so klar wurden, in seiner georgischen Sprache sprechen. Für unsere Ohren war es ein kleines Stück Exotik, der zugleich an Mozarts Humor erinnerte. Die bezaubernde Julia Novikova war die ebenso schelmische wie energische, stets musikalisch klare Blonde. Mirko Roschkowskis weicher Tenor in der Partie des Belmonte war hörenswert. Tansel Akzeybek nahm ebenso als Schelm, wie mit spielerisch geführtem Tenor als Pedrillo ein. Sigrún Pálmdóttir verkörperte eine tapfere Konstanze, unüberhörbar waren jedoch manche Schärfen ihrer Stimme.
Markus Dietz’ als Kubus fixierter Serail könnte überall sein. Als ob Konstanze jemals bei Mozart von Selim Bassa handgreiflich belangt worden wäre, als ob jener aus Ärger über Konstanzes Standhaftigkeit seine Sklavinnen beinahe zu Tode gequält hätte. (Buhrufe und Verlassen der Aufführung war eine Reaktion). Selim Bassas Gewalttätigkeit macht aus ihm einen Herrscher ohne Würde, vielmehr einen von Trieben gesteuerten Menschen. Diese Interpretation läßt die edle Tat der Begnadigung am Ende als merkwürdige Laune erscheinen. Ein Lichtblick war die launisch zelebrierte Fehde zwischen Osmin und Pedrillo. Nicht einleuchtend war hingegen, weshalb Pedrillo, der Liebling der Serails, rot angemalt werden mußte. Ein guter, sängerfreundlicher Einfall hingegen war das Errichten eines Laufsteges vor dem Orchestergraben, auf dem die finalen Quartette bestens zu Gehör kamen. Die gelegentlichen Auftritte aus dem Graben heraus, belebten und erweiterten die Szene.
Fazit
Musikalisch betrachtet eine hörenswerte Aufführung, abgesehen von ein paar Schwächen (Konstanze), sowie etwa der häufig schlechten Textverständlichkeit in den Arien. Die Lichtregie gefiel gut. Schlimm genug, daß die Leichtigkeit des Singspiels mit fast penetrant dichten Videoeinspielungen, sowie der Umdeutung des Selim Bassa zum brutalen Triebmenschen einer psychologisierten Tragödie zum Opfer gefallen ist.
Felicitas Zink
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Bassa Selim (Hanno Friedrich) und Konstanze (Sigrún Palmdóttir) in einer erzwungenen Umarmung.