Fidelio
von Ludwig van Beethoven (1770-1827), Oper in zwei Aufzügen, Libretto: Joseph Sonnleitner und Friedrich Treitschke, UA: Erste Fassung 1805, Endfassung 1814, Wien.
Solisten: Michael Kupfer (Minister Don Fernando), Thomas Gazheli (Don Pizarro), George Vincent Humphrey (Florestan), Bettine Kampp (Leonore), Jens Waldig (Rocco), Paola Leggeri (Marzelline), Giorgio Valenta (Jaquino), u.a.
Besuchte Aufführung: 3. Januar 2015Così fan tutte
von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Libretto: Lorenzo da Ponte, in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, UA: 1790, Wien
Solisten: Anna Princeva (Fiordiligi), Aurora Faggioli (Dorabella), Michael Kupfer (Guglielmo), Ferdinand von Bothmer (Ferrando), Sophie Gordeladze (Despina), Giulio Boschetti (Don Alfonso)Così fan tutte: Dirigent/Regie Gustav Kuhn,
Fidelio: Regie/Bühne: Alexander Polzin,
Orchester und Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl, Choreinstudierung: Erich Polz
Besuchte Aufführung: 2. Januar 2015Liederabend
Die schöne Müllerin
von Franz Schubert (1797-1828), Liederzyklus für Singstimme und Klavier
Klavier: Eric Schneider, Bariton: Michael Kupfer
Besuchte Aufführung: 5. Januar 2015
Im Winter 2014/2015 finden zum dritten Mal die Winter-Festspiele statt – und es fällt wirklich Schnee. Führte das zu Problemen bei der Anreise oder im Opernbetrieb? Offensichtlich nicht! Die Zufahrten sind schneefrei, auch der Opernbetrieb lief reibungslos. Der Shuttleservice ermöglicht eine gefahrlose Anreise bis nach München oder Salzburg. Fidelio und Così fan tutte waren nahezu ausverkauft, nur der Liederabend Schöne Müllerin war etwas spärlicher besucht.
Der Orchestergraben wird für Opern abgesenkt, damit die Musik indirekt in den Saal gelangt und es den Sängern ermöglicht, mit ihrer Stimme über das Orchester zu kommen. Das relativ breite hohe Zuschauerhaus hat eine sehr transparente Akustik, die messerscharf auch noch Nuancen der Stimme erfaßt. Der Hall ist deutlich, aber kurz.
In Erl sind die Inszenierungen einfach und schlicht, verzichten auf sinnfreie Regieeinfälle – auch wenn Alexander Polzin die Regie (und Bühnenbild) des Fidelio übernimmt. Immer noch spielt die Musik unter Gustav Kuhn mit seinem Orchester und der Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl die erste Geige. Die Klangfarben sind beeindruckend vielfältig und unter Kuhn entsteht unter den optimalen Bedingungen der Akustik des neuen Festspielhauses ein unvergleichlicher, weicher Klang. Der Chor ist mit weichem Klang für Fidelio eingestellt. Zwar wirkt der Chor etwas statisch und die breite Aufstellung quer über die Bühne führt manchmal dazu, daß ab und an Stimmgruppen dominieren, aber die Personenführung im Fidelio löst die Positionierungsstatik immer wieder auf.
Fidelio
Aufführung
Das Bühnenbild besteht aus einer dunklen leeren Fläche, auf der sich ein Totenkopf als Artefakt dreht. Der Hinterkopf liegt offen, in ihm ist Fidelio gefangen. Ein großes Leinentuch verdeckt zunächst den Totenkopf, bis Leonore in das Innere des Gefängnisses gelangt. Für Polzin gibt es kein Gefängnis, sondern eine Art „Fehlen“ der persönlichen Freiheiten. Das wird auch an den stilisierten, unkonkreten Kostümen deutlich: Der Chor ist zunächst wie eine Mumie in Stoffbahnen gehüllt, die Bewegungen, Reden und Sehen hemmen. Nach der Befreiung (durch den Minister?) sind sie in eine Art zerlumpte Alltagskleidung gehüllt, ebenso wie Fidelio. Die Anzüge der männlichen Hauptrollen sehen aus wie eine Mischung aus Anzug und Schlafanzug, die Schuhe wie eine Mischung aus Überschuh und Pantoffel. Don Pizarro trägt weiß, der Minister grau, die Gefängnisaufseher blau – nur Leonore wechselt die Identität mit einem grünbraunen Kleid. Am Ende verschwinden alle unter der Stoffbahn.
Sänger und Orchester
Nicht verstecken müssen sich die sängerischen Leistungen: Bettine Kampp ist ein lyrischer Sopran mit leichter, leuchtender Stimme. Sie beginnt am Anfang etwas verhalten, kann aber in der Aussprache mit Florestan aufdrehen und dominieren. Dabei verfügt George Vincent Humphrey (Florestan) über ein samtenes Stimmaterial, jedoch fehlt die Durchschlagskraft im Forte, die Höhe will nicht strahlen und die technischen Probleme beim Ansingen von exponierten Tönen sind deutlich hörbar. Thomas Gazheli ist ein schwerer Bariton mit wirklich filigraner, intonationssicherer und wortverständlicher Technik, er kann den vielschichtig-bösartigen Charakter des Pizarro sehr überzeugend gestalten. Sein Gegenspieler als Rocco ist Jens Waldig, der mit treffsicheren und durchschlagsstarken Bariton mit der baßlastigeren Stimme dagegen halten kann. Paola Leggieri ist eine etwas sprunghafte Marzelline und Giorgio Valenta (Jacquino) ein unscheinbarer Liebhaber.
Mit der Rolle des Ministers ist Michael Kupfer als schwerer Wagnerbariton mit vielen Nuancierungsmöglichkeiten fast schon unter Wert besetzt.
Così fan tutte
Aufführung
Das Bühnenbild wird dominiert durch eine Kugel, die über einer Designer-Terrassen-Landschaft hängt. Mal stehen hier Liegestühle, mal eine weiße Couchgarnitur. Die Kostüme sind entsprechend ansprechend: Die Fotos der Damen im Badeanzug bzw. Sommerabend-Kleid sind heiß begehrt, die Herren tragen – nachdem sie die lieblos im Army-Shop zusammengekauften Uniformen abgelegt haben – modische Trachtenanzüge mit nicht dazu passendem grünen Mantel. Durch die Farben sind die Paare erkenntlich, Ferrando trägt rotes Karo, Guglielmo blaues Karo, Dorabella blaue Kleidung, Fiordiligi eher rote Kleidung.
Sänger und Orchester
Die Rolle des Guglielmo in der Così fan tutte gestaltet Michael Kupfer beispielhaft. Mindestens ebenbürtig sind die drei Damen. Anna Princeva leiht der Fiordiligi die passende lyrisch-weiche Mozart-Stimme, die stets intonationssicher und glockenklar geführt wird. Manchmal klingt es jedoch etwas eindimensional, ist aber wortverständlich. Sophie Gordeladze verfügt über einen wunderbar sicheren Sopran, auch mit verstellter Stimme (Falsett) kann sie die Nebenrollen der Despina als Arzt oder Notar glaubhaft aussingen. Ferdinand von Bothmer (Ferrando) und Giulio Boschetti (Don Alfonso) kommen an diese grandiose Leistungen nicht heran, wirken blaß, kraftlos und durchschlagsschwach.
Liederabend
Frisch gestärkt mit einer Forelle Müllerin Art aus dem Gasthaus Blaue Quelle gleich unterhalb des Festspielhauses (und aus diesem Grunde sehr gut besucht) ist Schuberts Die schöne Müllerin gleich noch viel schöner.
Michael Kupfer ist ein durchschlagsstarker und doch lyrischer Wagnerbariton, der Rollen gestalten kann und dabei immer wortverständlich ist. Gerade in diesem vielschichtigen Liederzyklus ist dies von entscheidender Bedeutung. Hier gilt es den verschiedenen Leidenszuständen des verliebten Müllers vom Beginn seiner Wanderschaft bis zum Selbstmord Leben einzuhauchen. Jede Note ist bei Schubert wichtig, jede Tempowahl und Änderung der Lautstärke bedeutsam. Aber Michael Kupfer findet seinen Weg, der die Zuhörer bis zum letzten Ton in seinen Bann zieht.
Fazit
Erl hat sich mittlerweile auch im Winter als Festspielort etabliert. Man streitet nicht über Inszenierungen oder Sängerleistungen, sondern genießt die Musik und die Bayerisch-Tiroler Küche. Den einhelligen und heftigen Jubel des Publikums kann man als eindrucksvolle Zustimmung werten. Einzig Schneefall kann den Zuschauerstrom behindern. Im kommenden Sommer hingegen mit dem Schwerpunkt auf Wagners Ring des Nibelungen gibt es kein Halten: Die beiden Zyklen sind schon jetzt fast vollständig ausverkauft.
Oliver Hohlbach
Bild: APA/Tiroler Festspiele Erl
Das Bild zeigt: Anna Princeva (Fiordiligi), Aurora Faggioli (Dorabella), Michael Kupfer (Guglielmo), Ferdinand von Bothmer (Ferrando) (Così fan tutte)