von Richard Wagner (1813-1883), Vorabend zum Bühnenfestspiel in vier Szenen, Libretto: Richard Wagner, UA: 1869 München
Regie: Andre Bücker, Bühne: Jan Steigert, Kostüme: Suse Tobisch, Projektionen: Frank Vetter.
Dirigent: Antony Hermus, Anhaltische Philharmonie Dessau
Solisten: Ulf Paulsen (Wotan), Rita Kapfhammer (Fricka), Angelina Ruzzafante (Freia), Javid Samadov (Donner), David Ameln (Froh), Albrecht Kludszuweit (Loge), Stefan Adam (Alberich), Ivan Turšić (Mime), Stephan Klemm (Fasolt), Dirk Aleschus (Fafner), Anja Schlosser (Erda), Katharina Göres (Woglinde), Jagna Rotkiewicz (Wellgunde), Anne Weinkauf (Floßhilde)
Besuchte Aufführung: 30. Januar 2015
Kurzinhalt
Alberich wirbt um die drei Rheintöchter, die ihn aber nur verspotten. Daraufhin entsagt er der Liebe und stielt ihnen das Rheingold. Aus diesem Gold läßt er einen machtvollen Ring schmieden, mit dessen Kraft er sich die Nibelungen untertänig macht. Die Riesen Fafner und Fasolt haben für den Gott Wotan die Burg Walhall erbaut, und fordern nun von ihm als ihren Lohn die Göttin Freia. Doch Wotan will Freia nicht herausgeben, und der intrigante Gott Loge überzeugt ihn davon, als Ersatz Alberich den Ring und das Rheingold wieder zu entreißen. Alberich verflucht den Ring, den Wotan den Riesen reicht, um Freia zu lösen. Fafner erschlägt seinen Bruder, die Götter aber ziehen in die Burg Walhall ein.
Aufführung
Was ist das „Rheingold“? Eine zentrale Frage, die in Dessau an Bedeutung dadurch gewinnt, daß der Ring gemäß der Entstehungsgeschichte inszeniert wird, also von der Götterdämmerung rückwärts. Das Rheingold ist helles Licht aus einem Kubus, aufbewahrt in einer Wundertrommel, die durch Drehung der Seitenwand bewegte Bilder sichtbar macht. Aus dem Licht zeichnen die versklavten Nibelungen Cartoons, denn auf dem Medium Film oder Bild gründet sich die Macht, die alle erstreben. Verdeutlicht wird dies durch Projektionen (in der Ästhetik des Bauhaus-Stils) auf zwei halbkreisförmige Flächen um eine zumeist karge Bühnenfläche. Walhall ist die oberste Plattform des Walkürenfelsens, ein riesiger Rubik-Würfel, der sich horizontal auffächern läßt. Oben freuen sich die Götter falsch und feig, ihre unschuldigen rein-weißen Kostüme erinnern an den Beginn des 20.Jahrhunderts.
Sänger und Orchester
Eine der Vorzüge dieser Premiere ist ohne Zweifel die Erkenntnis, daß man auch an vermeintlich kleinen Häusern einen Ring auf hohen Niveau besetzen kann, in diesem Fall besonders die drei zentralen Rollen des Rheingolds: An erster Stelle ist Ulf Paulsen zu nennen, mit seiner hellen baritonal gefärbten Stimme läßt er als Wotan viele stimmliche Gestaltungsmöglichkeiten erkennen – und verfügt über genügend Reserven, um besonders in den tiefen Lagen Charakter zu zeigen. Das wird deutlich bei den inneren Kämpfen, aber auch in der Auseinandersetzung mit Loge oder Alberich. Albrecht Kludszuweit (schon als Mime im Siegfried aufsehenerregend) singt als lyrischer Tenor mit Saft und Kraft einen tiefsinnigen Loge, singt die Phrasen betont aus, betont wortverständlich die Sätze: Es wird deutlich, warum Loge nicht in Walhall einzieht. Das stimmliche Duell mit den Göttern kann Stefan Adam (Alberich) mit dämonischer Tiefe offen halten. Hier wird auch deutlich, daß Antony Hermus mit den Sängern mitfühlt – gerade Stefan Adam erhält genügend Zeit und Raum, um die Rolle zu gestalten: Er ist kein Zwerg, sondern agiert auf Augenhöhe mit den Göttern. Aber auch die Zusammenarbeit mit der Anhaltischen Philharmonie kann mit der Einbindung der Sänger und auch orchestral überzeugen, selten hat man das Anschwellen des Rheins, den berühmten Es-Dur-Akkord am Anfang, so feinsinnig gewoben und transparent gehört, beim Einzug der Götter hört man die kommenden Probleme heraus. Auch die Nebenrollen können sich hören lassen: Rita Kapfhammer verfügt über ein schier unerschöpfliches Stimmvolumen und Tonummfang und entspricht dem Format der freundlichen Göttergattin Fricka. Angelina Ruzzafante hat als schwerer Koloratursopran kaum Aufwand mit der kurzen Rolle der Freia, ihre Hilferufe bleiben in Erinnerung.
Ivan Turšić (Mime) und David Ameln (Froh) können in den Tenorrollen mit sicherer Höhe Aufmerksamkeit erregen, Javid Samadov (Donner) und Anja Schlosser (Erda) bleiben zu blaß.
Fazit
Mit geradezu frenetischem Beifall feiert das Theater Dessau die letzte Ring-Premiere und die letzte Premiere der Ägide, Intendant André Bücker (Regie) und GMD Antony Hermus. Beide verlassen das Haus, nachdem wegen rigider Sparmaßnahmen modernes Musiktheater wahrscheinlich nur noch wenig möglich ist. Dieser Ring zeigt mit farbenprächtigen Bildern (manchmal mit zuviel Farbe und Formen), detailliert durchdachter Personenregie und einer fesselnd, beispielhaften musikalischen Erläuterung durch Orchester und Solisten, was eine gute Intendanz leisten kann.
Oliver Hohlbach
Bild: Claudia Heysel
Das Bild zeigt: Ulf Paulsen (Wotan)