von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), Dramma serio per musica, Libretto: Caterino Tommaso Mazzolà nach dem Dramma per musica (1734) von Pietro Metastasio, UA: 6. September 1791 Prag, Gräflich Nostizsches National Theater
Regie: Katharina Thoma, Bühne: Julia Müer, Kostüme: Irina Bartels, Licht: Olaf Winter
Dirigent: Andreas Spering, Orchestre symphonique Mulhouse, Chor der Opéra national du Rhin, Einstudierung: Sandrine Abello
Solisten: Benjamin Bruns (Tito), Jacquelyn Wagner (Vitellia), Stéphanie d’Oustrac (Sesto), Chiara Skerath (Servilia), Anna Radziejewska (Annio), David Bizic (Publio)
Besuchte Aufführung: 6. Februar 2015 (Premiere)
Vitellia, Tochter des entmachteten Kaisers Vitellius, plant ein Attentat auf Kaiser Tito. Dieser hat nicht sie, sondern Benerice, Prinzessin von Judäa, zur Gemahlin erwählt. In ihrem Verlangen nach dem Thron stiftet sie Sesto, den engsten Vertrauten des Kaisers, zum Komplott an. Aus Liebe zu Vitellia steckt er das Kapitol in Brand und ersticht den vermeintlichen Kaiser. In diesem Moment erfährt Vitellia, daß sie von Tito zur Throngemahlin ausgerufen wurde. Tito entkommt dem Mordanschlag, ist aber fest von der Unschuld Sestos’ überzeugt. Als Sesto ihm die Gründe seiner Tat verschweigt, unterzeichnet Titus im Zorn dessen Todesurteil. Nun erst erkennt Vitellia die Folgen ihrer Intrige und ist bereit, dem Kaiser alles zu beichten. Titus ist bereit, allen zu verzeihen.
Aufführung
Die Regisseurin setzt in erster Linie auf eine Drehbühne, die in stetem Wechsel vier unterschiedliche Schauplätze zeigt, so den Palast des Kaisers in schwarzem Marmor, das Büro Vitellias im Stil der 1950er Jahre, einen Privatraum im selben Stil sowie einen Außenbereich, in dem sich Servilia als Gärtnerin betätigt. Störend ist vor allem, daß die von Mazzolà und Mozart gestrichene Vorgeschichte pantomimisch während der Ouvertüre bei sich ständig drehender Bühne skizziert wird. Das feste Gerüst der musikalischen Einleitung wird so bei offenem Vorhang in starke Unruhe versetzt.
Sänger und Orchester
Andreas Spering entlockt den Straßburger Philharmonikern einen lebhaften musikdramatischen Klang. Vor allem die Wahl der Tempi haucht diesem dramaturgisch wohl schwächsten Werk Mozarts neues Leben ein. Am eindrucksvollsten sind die Arien mit Soloklarinette und Bassetthorn. Die Interpretation des Solisten reißt die Zuhörer mit und übertrumpft vor allem bei Vitellias Non più di fiori vaghe catene – Nicht mehr der Blumen schöne Ketten den sängerischen Glanz. Leider verfällt Jacquelyn Wagner in dieser Partie oft ins Ausdruckslose und ihre Charakterisierung bleibt stets kühl, von Verzweiflung und Rachegelüsten merkt man wenig. Benjamin Bruns als Tito meistert seine Partie anständig, doch hat man stets das Gefühl, der Tenor würde sich im deutschen Repertoire wie z.B. einem Max im Freischütz oder einem Florestan in Fidelio mehr zu Hause fühlen. Stéphanie d’Oustrac dagegen verbindet als Sesto auf brillante Weise die weibliche Hosenrolle mit dem Timbre eines Countertenors. Ihre sprachliche Artikulation ist lobenswert und zeigt ihr großes Einfühlungsvermögen für das italienische Fach. Hieran sollten sich viele Sängerkollegen ein Beispiel nehmen! Ebenso David Bizic als Publio, der neben einigen Ensembles nur eine Arie zu singen hat, durch seine kräftige Baßstimme den Zuhörer stets aufhorchen läßt. Anna Radziejewska neigt an vielen Stellen zu Forcierungen innerhalb der musikalischen Phrasen sowie teilweise etwas unglücklich plazierte messa di voce, doch fügt sich ihr Mezzosopran u.a. im Duett mit Sesto Deh prendi un dolce amplesso – Nimm diese liebliche Umarmung in das lyrische Gesamtbild. Chiara Skerath (Servilia) neigt an einigen Stellen zur Dramatisierung ihrer eher lyrisch angelegten Partie. Ihr Sopran ist hell und eindringlich. Die Klarheit des Opernchors überrascht. Selten hört man eine solche Transparenz bei einer absolut klaren Textverständlichkeit. Die bekannte Schwachstelle in La clemenza di Tito sind bekanntlich die sperrigen Rezitative des Mozart-Schülers Franz-Xaver Süßmayr. Leider neigen alle Interpreten zu einer modernen Alltagsdeklamation, wodurch die Anmut und höfische Eleganz von Metastasios Worten völlig zerstört wird. Dies hat sicherlich niemals den Redegewohnheiten eines Kaiserhofes entsprochen, weder in Wien noch im alten Rom.
Fazit
Dank der guten Akustik des Straßburger Opernhauses, das 1804 erbaut wurde und im Innenraum bislang glücklicherweise keinem größeren Sanierungswahn zum Opfer gefallen ist, erfährt die musikalische Interpretation ihre volle Entfaltung. Ein Glück also, daß der Bau eines neuen Opernhauses bislang nicht durchgesetzt werden konnte. Die dramaturgischen Schwächen der Libretto-Bearbeitung kann leider eine sogenannte Aktualisierung durch die Regie nicht beheben, hier sitzt die Regisseurin ein wenig in der Falle. Weshalb man sich allerdings auf eine nostalgische 1950er Jahre-Ausstattung geeinigt hat, bleibt ein Geheimnis.
Daniel Rilling
Bild: A. KAISER
Das Bild zeigt: Anna Radziejewska (Annio) li, Benjamin Bruns (Tito), Stéphanie d’Oustrac Sesto, re