von Jacques Offenbach, Phantastische Oper in fünf Akten, Libretto von Jules Barbier, UA: 10. Februar 1881 Paris, Opéra-Comique, Salle Favart
Regie: Renaud Doucet, Kostüme/Bühne: André Barbe, Dirigent: Hendrik Vestmann, Beethoven Orchester Bonn, Chor des Theaters Bonn (Einstudierung: Volkmar Olbrich)
Solisten: Sébastien Guèze (Hoffmann), Susanne Blattert (La Muse, Nicklausse, Netta Or (Olympia, Antonia, Giuletta, Stella), Martin Tzonev (Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle, Dapertutto), Christian Georg (Cochenille, Frantz, Pitichinaccio), Rolf Broman (Luther, Crespel), Johannes Mertes (Andrés, Spalanzani), Charlotte Quadt (Stimme der Mutter) u.a., Tänzerinnen und Tänzer
Besuchte Aufführung: 15. März 2015 (Premiere)
Ester Akt: In der Weinstube Lutter & Wegners zecht Hoffmann mit Studenten. Das Gespräch dreht sich um Hoffmanns zahlreiche unglückliche Amouren. Schließlich drängen die Studenten Hoffmann dazu, das Lied vom Zwerg Klein-Zack zu singen. Zweiter Akt, Olympia: Der Physiker Spalanzani hat die mechanische Puppe Olympia geschaffen. Für die „lebendigen“ Augen beim mysteriösen Coppelius bezahlt er mit ungedecktem Wechsel. Zusätzlich verkauft er eine Brille. Hoffmann sieht durch die Brille Olympia und keine noch so absurde Schwäche der Puppe hindert ihn daran, sich in sie zu verlieben. Der über den geplatzten Wechsel wütende Coppelius zerstört Olympia vor den Augen Hoffmanns. Dritter Akt Antonia: Hoffmann liebt die schöne Antonia. Sei will ihm zuliebe auf eine Karriere verzichten, da sie krank ist. Doch dann singt sie doch und stirbt. Vierter Akt Giulietta im Palazzo in Venedig: Die Gäste beim Kartenspiel. Wegen eines Diamanten läßt sich Giulietta auf Dapertutto ein. Hoffmann ersticht Giuliettas Diener Pitichinaccio, den Giulietta geliebt hat. Er muß fliehen. Fünfter Akt (Wirtshaus von Lutter & Wegner): Hoffmann ist betrunken im Kreis der Studenten, die ein trauriges Lied über das Leid der Liebe anstimmen. Nach Ende der Aufführung von Don Giovanni erscheint Stella im Wirtshaus, wird aber von Hoffmann abgewiesen. Bevor Lindorf mit Stella davonziehen kann, verspottet ihn Hoffmann in einer letzten Strophe des Lieds vom Zwerg Klein-Zack.
Aufführung
In Bonn hält sich der französische Regisseur an die beiden Rahmen gebenden Akte zu Beginn und am Schluß. Die Weinstube ist zur Höllenbar umbenannt und die diabolische Figur des Lindorf, später Coppélius, dann Dr. Miracle und Dapertutto wird als fantasievolle Varianten einer Ausgeburt der Hölle in Szene gesetzt. Besonders eindringlich die Dracula-Version als Dr. Miracle. Das Bühnenbild, in dem ein abgebranntes Theater stets im Hintergrund erhalten bleibt, bietet eine Fülle von fantasievollen Bildern: Olympia wird in einer an frühe Science Fiction Filme erinnernden Kulisse zum Leben erweckt; ein Kind als Begleiter des Coppélius mit mehreren Köpfen und Augen bietet einen spektakulären Anblick. Antonia, halb Skelett, halb Schönheit im Stil des Fin de Siècle, residiert – todgeweiht – im Eispalast. Revuehafte Kulisse, fliegende Gondeln und ein orgiastisches Treiben bebildern den Giulietta-Akt, der in Venedig spielt. Die Höllenbar ist im Stil eines Tingeltangels in Szene gesetzt.
Sänger und Orchester
Musikalisch wird die Aufführung von den beiden Protagonisten Hoffmann, Sébastien Guèze, und der Darstellerin aller vier weiblichen Charaktere, Netta Or, getragen. Ihre Sopranstimme verfügt über lyrische Intensität ebenso wie dramatische Fülle. Außerordentlich beweglich geht sie die Partien der von ihr dargestellten Künstlerinnen an. Sébastien Guèze, eine Einspringer in der Premiere, hat in Wiesbaden die kürzere Fassung des Hoffmann gesungen und kann mit seiner mühelosen Interpretation der großen Tenorpartie jugendliche Höhen und profunde Stimmführung angedeihen lassen. Seine junge Erscheinung ist zudem ein Plus für die Rolle. Aus den Nebenrollen ist Susanne Blattert als Muse und Nikalusse hervorzuheben. Sie bringt für die Mezzopartie alles mit, zudem wirkt ihre Bühnenerscheinung. Als Bösewicht vom Dienst kann Martin Tzonev (Dapertutto u.a.) mit seinem schwarzen Baß glänzen. Sein Spiel als diabolische Verkörperung ist überzeugend. Am Pult des Beethovenorchesters geht Hendrik Vestmann auf die differenzierte und in verschiedenen Stilen changierende Partitur mit Kennerschaft ein.
Fazit
Musikalisch war die Aufführung der Premiere eine großartige Leistung, Orchester und Sängerschar, nicht zuletzt der glänzende Chor musizierten und agierten engagiert. Die üppige und überbordende Fantasie von Regisseur Renaud Doucet und seinem Kostüm- und Bühnenbildner, André Barbe waren weitgehend ein Augenschmaus. Einige Regieanweisung mutete jedoch unverhältnismäßig voyeuristisch an wie die übertriebene Darstellung einer Animierdame in der Höllenbar, die allein auf ihre weibliche Reize fokussierte Darstellung der Olympia und die nicht zuletzt revuehafte Atmosphäre im Giulietta-Akt wirkte etwas plüschig und kitschig. Besonders stimmig in seiner Ästhetik wirkte der Antonia-Akt. Alles in allem eine sehr fantasievolle und musikalisch hörenswerte Aufführung.
Felicitas Zink
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Giulietta (Netta Or), Nicklausse(Susanne Blattert), Hoffmann(Sébastien Guèze),
Chor, Statisterie