von Wolfgang A. Mozart (1756-1791), Singspiel in drei Aufzügen, Libretto nach Bretzner von Johann Gottlieb Stephanie d.J., Dialoge neu eingerichtet von Alexandra Szemeredy & Magdolna Parditka nach Goethes West-östlicher Divan, UA: 16. Juli 1782 Wien, Burgtheater
Regie/Bühne/Kostüme: Alexandra Szemeredy & Magdolna Parditka
Dirigent: Anna-Sophie Brüning, Philharmonisches Orchester, Chor des Landestheater Coburg, Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Solisten: Frederik Leberle (Bassa Selim), Ana Cvetkovic-Stojnic (Konstanze), Jose Manuel (Belmonte), Anna Gütter (Blonde), Dirk Mestmacher (Pedrillo), Michael Lion (Osmin)
Besuchte Aufführung: 21. März 2015 (Premiere)
Das Singspiel greift ein beliebtes Thema des 18. Jahrhunderts auf: eine Entführungsgeschichte in der Türkei sowie eine Liebesgeschichte und deren Verwicklungen. Konstanze, ihre Dienerin Blonde und der Diener Pedrillo befinden sich als Gefangene im Topkapi-Palast des Selim Bassa in Istanbul. Konstanzes Verlobter Belmonte macht die Gefangenen ausfindig und versucht sie zu befreien. Bassa Selim findet Gefallen an Konstanze und will sie zu seiner Geliebten machen. Sein Aufseher Osmin hat es auf Blondchen abgesehen, die sich selbstbewußt zu wehren weiß. Belmonte und Pedrillo hecken einen Fluchtplan aus. Zwar gelingt es ihnen, Osmin betrunken zu machen, doch die Flucht scheitert. Osmin tobt und droht mit furchtbarer Rache, der Bassa aber zeigt Edelmut und gewährt den beiden Paaren ihre Freiheit, obwohl er erfährt, daß Belmonte der Sohn seines ärgsten Feindes ist.
Aufführung
Ein Serail gibt es nicht, die Handlung findet in einer englischen Internatschule „West-Östliches-Collegium“ statt. Auf einer Drehbühne sind die Schulräume nebeneinander angeordnet: Der Platz vor dem Schultor mit Schulwappen daneben, ein Klassenzimmer mit Tafel, ein Schlafraum mit Stockbetten, ein Sanitärraum mit Dusche und die Sporthalle. Der Leiter Bassa Selim ist ein Literaturprofessor, dessen Schwerpunkt Goethes West-Östlicher Divan ist – die neuen Dialoge orientieren sich zumindest teilweise daran. Osmin ist eine Art Faktotum, der den Zugang zum Internat überwacht. Außerdem ist er der Sportlehrer der Klasse. Die Kleidung ist dem gegenwärtigen „britischen Modegeschmack“ entliehen. Neben der üblichen Internats-Einheitsuniform grelle Muster, Pink und Rosa. Die Augen schmerzen beim Hinsehen.
Sänger und Orchester
Daß Mozarts Opern hohe Anforderungen an die Sänger stellen, war schon Mozart bewußt, er sprach bei Sängern von einer „geläufigen Gurgel“. Jose Manuel (Belmonte) ist ein lyrischer Tenor mit großer umfangreicher Mittellage, manchmal jedoch klingt die Stimme zu eng. Vor allem scheint er Sprachprobleme zu haben, ist unsicher und deshalb funktioniert die Arbeit in der Maske nicht richtig. Ana Cvetkovic-Stojnic kann als erfahrene Barocksängerin die Arien der Konstanze durchaus entsprechend gestalten. Ihre leuchtende und durchschlagsstarke Stimme versagt jedoch bei vielen hohen Tönen, das klingt in Traurigkeit ward mir zum Lose dadurch unglaubwürdig. Anna Gütter hingegen ist die ausdrucksstarke Soubrette, die der Blonden die passende jugendliche Strahlkraft verleiht: Welche Wonne, welche Lust! Sie paßt stimmlich perfekt zu ihrem Partner Pedrillo Dirk Mestmacher, der als Spieltenor gesanglich und sprachlich den unglücklichen jugendlichen Liebhaber lebhaft gestalten kann. Michael Lion, sonst mit tiefer sonorer und raumfüllend wohlklingender Stimme der stets überzeugende Hausbaß, kann dem türkischen Sportlehrer wenig Würde verleihen und die tiefen Töne in O, wie will ich triumphieren kann er kaum erreichen. Anna-Sophie Brüning geht diese Entführung sehr langsam an, verleiht dem Orchester Würde und Glanz. Jedoch fehlt die Dynamik, um dieser Teenagerklamotte jugendliches Tempo zu verleihen. Dabei bemüht sich der Chor redlich, den beiden Janitscharen-Chören durch ein mitreißendes Forte das Charisma und die Begeisterung eines Schüler-Chores zu verleihen.
Fazit
Die Zuschauer-Reaktionen sind zwiespältig: Einerseits leere Plätze nach der Pause und einige wenige Buh-Rufe – andererseits viel kindliches Gelächter und freundlicher Applaus am Schluß. Das mag daran liegen, daß es weder eine „Entführung“, noch ein „Serail“ gibt und auch keine Gefangenen eines absolutistischen arabischen Herrschers. Herausgekommen ist somit ein Klamauk zwischen einer englischen Version der Feuerzangenbowle und Goethes Werken, inklusive der zeitgemäßen Verwendung des Zitats „Fuck you Goethe“. Dadurch gelingt es zwar sämtlichen tagesaktuellen Fragen zum Thema „Islam“ aus dem Wege zu gehen, jedoch muß man Mozarts Meisterwerk in dieser Produktion mit der Lupe suchen.
Oliver Hohlbach
Bild: Andrea Kremper
Das Bild zeigt: Der Unterricht beginnt