von Karol Szymanowski (1882-1937), Oper in drei Akten. Libretto: Karol Szymanowski und Jarosláw Iwaszkiewicz , UA: 16. Juni 1926 Warschau, Teatr Wielki
Regie: Lorenzo Fioroni, Bühne: Paul Zoller, Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Dirigent: Jacek Kaspszyk, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask, Jugendchor des Lehrergesangvereins
Solisten: Mikolaj Zalasinski (Roger), Ekaterina Godovanets (Roxane), David Yim (Hirte), Hans Kittelmann (Edrisi) u.a.
Besuchte Aufführung: 14. März 2015 (Premiere: in polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln)
In Palermo, in einer byzantinischen Kathedrale sind Geistliche, König Roger, seine Gemahlin Roxane und das Volk zum Gebet versammelt, als ein geheimnisvoller fremder Hirte erscheint, dessen flammender Rede über seine friedvolle Religion der Liebe alle verfallen. Roxane folgt ihm wie im Traum ins Gebirge und auch Roger folgt als letzter allen anderen als einfacher Pilger nach. Nach langem Umherirren finden er und sein Begleiter, der arabische Gelehrte Edrisi, Roxane und die anderen bei den Ruinen eines griechischen Tempels. Alle nehmen am bacchantischen Fest des als Gott Dionysos erscheinenden Hirten teil. Am Morgen steigt der König zum Altar empor und bietet sein Herz der Sonne dar.
Aufführung
Das Einheits-Bühnebild ist schwierig einzuordnen: Es ist eine Mischung aus Landungsbrücke, Schiffsdeck und sizilianischer Friedhof, der Boden ist zum großen Teil mit einem Ikarus-Mosaik bedeckt, der allerdings erst ab dem 1. Rang zu sehen ist. Stahlmasten ragen schief empor, sie tragen Scheinwerfer und knicken doch im großen Feuer am Schluß um. Am Anfang tragen alle Personen die traditionelle sizilianische schwarze Kleidung, um an einer Beerdigung teilzunehmen. Später, um dem Beispiel des Hirten zu folgen, wechselt man die Kleidung zum heutigen „Casual Dresscode“. Der Hirte, der schmierige Chef einer Schlepperbande, verschwindet mit dem Geld der „sizilianischen Flüchtlinge“, die Bühne geht im Flammenmeer unter.
Sänger und Orchester
Musikalisch stellt sich die Frage warum sich dieses Meisterwerk nicht längst im Standard-Repertoire im Umfeld der Wagner-Epigonen etabliert hat. Schon der Hirte ist eine mörderische Tenor-Rolle: So verlockend lyrisch wie Lohengrin, gepaart mit dem Durchschlagsvermögen des Tannhäusers. David Yim empfiehlt sich als Wagner-Tenor für höhere Weihen. Die glänzende geschmeidige Stimme erklimmt problemlos auch strahlende Höhen. Ekaterina Godovanets versucht der Königin Roxane eine königlich dynamische Ausstrahlung zu geben, es fehlt nicht an der Dramatik, sie klettert mühelos durch die Höhen und Tiefen, aber etwas mehr Brillanz wäre schön gewesen. Hans Kittelmann bleibt in der Rolle des Ratgebers Edrisi völlig blaß. Er berät König Roger, dem Mikolaj Zalasinski die getriebenen und zweifelnden charakterlichen Züge gibt. Mag er indisponiert gewesen sein, aber seine Schlußhymne singt er kraftvoll ausdrucksstark gegen alle Widrigkeiten: Als Opfer gebe ich mein Herz der Sonne. Dieses Finale ist eine einzige wilde, großen Orgie, vor allem das Orchester muß tanzen, Jacek Kaspszyk führt das Orchester mit starker Hand und Verve durch die hochanspruchsvolle Partitur – und es gelingt ihm mit dem Chor zu einer großen organischen Einheit zu verschmelzen.
Fazit
Musikalisch ist diese Produktion einer der Höhepunkte der Spielzeit in Nürnberg. Ein herausragendes Sängerensemble, das musikalisch gestalten und ausdrücken kann, das den hohen Anforderungen der Rollen jederzeit gerecht wird. Ein Dirigent, der das Orchester mit Wucht und Kraft durch den Urwald der spätromantischen oder spätimpressionistischen Melodien und Harmonien führt.
Dagegen steht leider eine Regie, die dem Inhalt des Stückes nicht vertraut ist – oder einfach nicht verstehen will: Der Hirte ist ein Menschenfänger mit der Macht des Wortes und kein Chef einer Schleuserbande für Flüchtlinge!. Man stellt ein unausgegorenes Konglomerat aus „heutigen Flüchtlingen über das Mittelmeer“ (Schlagwort: „Mare Nostrum“) und der Optik des Visconti-Films Der Leopard oder Fellinis Film Schiff der Träumer zusammenhanglos auf die Bühne. Der Bühnenbrand im Finale stellt (auch wegen der Lautstärke) jede Götterdämmerung in den Schatten und überdeckt auch die beiden Schlußsänger, deren Bravourarien in diesem Untergang verschwinden.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Die Beerdigung