Cavalleria rusticana
von Pietro Mascagni (1863-1945), Melodramma in einem Aufzug, Libretto: Giovanni Targioni-Tozetti und Guido Mensaci nach Giovanni Verga, UA: 17. Mai 1890 Rom, Teatro Constanzi
Regie/Bühne: Philipp Stölzl, Kostüme: Ursula Kudrna
Dirigent: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden, Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Salzburger Bachchor, Salzburger Festspiel und Theater Kinderchor, Choreinstudierung: Jörn Hinnerk Andresen
Solisten: Liudmyla Monastryska (Santuzza), Stefania Toczyska (Mamma Lucia), Jonas Kaufmann (Turiddu), Ambrogio Maestri (Alfio) Annalisa Stroppa (Lola)
I Pagliacci (Der Bajazzo)
von Ruggero Leoncavallo (1857-1919), Libretto: Ruggero Leoncavallo, UA 1892, Mailand
Solisten: Maria Agresta (Nedda), Jonas Kaufmann (Canio), Tansel Akzeybek (Beppo), Dimitri Platanias (Tonio), Alessio Arduini (Silvio)
Besuchte Aufführung: 6. April 2015
Cavalleria rusticana: Santuzza und Turiddu sind eigentlich ein Liebespaar, aber Turiddu verbringt die Nacht mit seiner ehemaligen Geliebten Lola, die sich während seiner Soldatenzeit mit dem Fuhrmann Alfio verheiratet hatte. Santuzza erfährt von der Untreue und konfrontiert damit Turiddu, welcher sie daraufhin verläßt. Santuzza verrät Turiddu an Alfio, welcher diesen zum Duell fordert, was für Turiddu tödlich endet. Mit dem berühmt gewordenen veristischen Schrei der Santuzza fällt der Vorhang.
Pagliacci: Canio entdeckt, daß seine Frau Nedda ihn betrügt und will von ihr den Namen des Liebhaberwissen. Doch beide müssen auf die Bühne, die Vorstellung beginnt. In dem Stück stellt Canio den betrogenen Ehemann Bajazzo dar und fordert von Colombine/Nedda den Namen ihres Liebhabers. Als Nedda sich weigert, tötet Canio voller Wut Nedda auf der Bühne – und ihren zu Hilfe eilenden Liebhaber.
Aufführung
Philipp Stölzl hat ein geniales Konzept gefunden, um die gewaltige Bühnenbreite des Großen Festspielhauses optimal ausnutzen zu können: mittels Rahmen wird die Bühne in sechs unabhängige Fenster (drei oben, drei unten) aufgeteilt. Diese können von Personen genutzt werden, aber auch für Bilder oder für Videoprojektionen. So sind unterschiedliche Perspektiven auf das Handlungsgeschehen möglich, Details können fokussiert dargestellt werden, mit Bildern Assoziationen geweckt oder Stimmungen vermittelt werden. Auf diese Weise kann man einzelne Personen beim dem Kirchgang in Großaufnahme darstellen oder die Zuschauerreaktionen während der Bajazzo-Vorstellung detailliert sehen. In Cavalleria rusticana wird eher mit einer in schwarz-weiß gehaltenen Optik gearbeitet, während in Pagliacci eher Bonbonfarben vorherrschen. In Cavalleria rusticana herrscht die typische zeitlos-historische sizilianische Landhausmode vor, Alfio ist der örtliche Pate im gestreiften Anzug. Hingegen spielt Pagliacci eher in der heutigen Zeit, die Kostüme für die Bajazzo-Aufführung entsprechen den historischen Vorgaben und sind eindeutig als Harlekin oder Colombine erkennbar.
Sänger und Orchester
Im Zentrum des Interesses und Grund für die überbordende Nachfrage des Publikums steht der Auftritt von Opernlieblings Jonas Kaufmann als Turiddu und Canio. Es wird deutlich, daß er weniger ein Wagner-Tenor ist, er vielmehr seine Domäne im italienischen Fach hat. Seine Stimme ruht in sich selbst, das Piano leuchtet, die Höhen strahlen, die Nuancen der Farbgebung der italienischen Verve sind unerschöpflich. Die Leiden des Canio sind jederzeit glaubhaft, sein Ridi, pagliaccio – Lache, Bajazzo ist auch ohne Fortissimo mitreißend und aufwühlend. Eine ebenbürtige Partnerin ist Maria Agresta als warmherzige, volltönende Nedda, während sich Liudmyla Monastryska(Santuzza) eher durch einen zu schneidenden Sopran auszeichnet. Ambrogio Maestri leiht einen zurückhaltenden Mafia-Paten Alfio die Stimme, hingegen zeichnet sich Annalisa Stroppa als Lola mit jugendlich naiv dynamisch, leichten Sopran aus. Tansel Akzeybek (Beppo) verfügt über einen lyrischen Tenor mit großer Reichweite, Dimitri Platanias (Tonio) charakterisiert einen vielschichtigen Intriganten, Alessio Arduini zeigt sich als strahlender jugendlicher Liebhaber Silvio. Er scheint auch Potential für das Tenorfach zu haben.
Über all dem schwebt Christian Thielemann, der mit der Sächsischen Staatskapelle eindrucksvoll unter Beweis stellt, daß er nicht nur für die deutsche Romantik zuständig ist, sondern auch ein Händchen für den italienischen Verismo hat. Da wird keine Effekthascherei betrieben, sondern mit genau kalkulierten Tempo- und Lautstärkenänderungen gearbeitet, die dann in wahren Explosionen der Gefühle enden. Trotz der Lautstärke werden die Solisten nie zugedeckt, sondern optimal in den Orchesterklang eingebettet.
Fazit
Musikalisch ein herausragender Abend, mit zwei Stars der Opernszene: Zum einen überzeugt Christian Thielemann mit der Staatskapelle mit viel Gefühl für eine Italianità und Jonas Kaufmann ist für Rollen im italienischen Fach eine der herausragendsten Besetzungen unserer Tage. Dazu kommt ein sinnstiftender Einsatz des Regietheaters, denn Philipp Stölzl bebildert die Handlung anschaulich an Originalschauplätzen anstatt dem Publikum Erläuterungen aufzudrängen. Grund genug für das Publikum, einen rundum gelungenen, äußerst spannenden Opernabend heftig zu feiern.
Oliver Hohlbach
Bild: Andreas J. Hirsch
Das Bild zeigt: die totale Bühne