MACBETH – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

von Guiseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten (Version 1865), Libretto von Francesco Maria Piave und Andrea Maffei, nach Shakespeare, UA: 14. März 1847 Florenz, Teotro della Pergola, 2. Version: 19. April 1865 Paris, Théâtre Lyrique

Regie/Bühne: Mario Martone, Kostüme: Urasula Patzak, Choreographie: Rafaella Giodano, Licht: Pasquale Mari

Dirigent: Daniele Gatti, Orchestre National de France, Chœur de Radio France, Chorleiter Stéphane Petitjean

Solisten: Roberto Frontali (Macbeth), Susanna Branchini (Lady Macbeth), Andrea Mastroni (Banquo), Jean-François Borras (Macduff), Sophie Pondijclis (Ehrendame der Lady Macbeth), Jérémy Duffau (Malcolm)

Besuchte Aufführung: 4. Mai 2015 (Premiere)

MACBETH -

MACBETH –

Kurzinhalt

Drei Hexen weissagen Macbeth die Königswürde und seinem Freund Banquo, Stammvater von Königen zu werden. Damit die Prophezeiung in Erfüllung geht, überredet die machthungrige Lady Macbeth ihren Mann, den König zu ermorden. Der Sohn des ermordeten Königs, Malcolm, der geflohen ist, wird des Mordes verdächtigt. Macbeth wird König. Der Weissagung wegen muß nun auch Banquo ermordet werden, aber seinem Sohn gelingt es zu fliehen. Während eines Festes erscheint dem König das Gespenst Banquos. Die Gäste fliehen entsetzt vor Macbeth’ Geistesverwirrung. Beim Hexensabbat erklären die Hexen dem König, er sei sicher solange der Wald von Birnam sich nicht auf seine Burg zubewege. Malcolms Heer rückt gegen des Königs Burg vor. Jeder Krieger trägt einen Zweig vor sich her, den er im Wald von Birnam abgeschnitten hat. Lady Macbeth durchlebt schlafwandlerisch-verwirrt alle verübten Mordtaten und stirbt. In der Schlacht wird Macbeth von Macduff, dessen Familie er getötet hat, erschlagen. Malcolm wird König.

Aufführung

Mario Martone und sein Team haben eine minimalistische Inszenierung geschaffen, die den Erfordernissen der Oper völlig gerecht wird. Nur wenige Requisiten, je nach Szene: ein Thron, eine Festmahlstafel, drei abstrakt leuchtende Durchgänge, ein Riesenspiegel, ein Schattenwald. Hin und wieder ein Videoeinsatz zur Untermalung. Sonst ist die Bühne leer und dunkel oder nur stellenweise beleuchtetet. Schwarze Umhänge für die Hexen, dunkle Kleider, Hosen und Hemden für das Volk, auch für Macbeth, wenn er nicht einen purpurnem Königsmantel oder eine stilisierte Rüstung mit Helm und Stiefeln trägt. Lady Macbeth mit langem roten Kleid. Malcolm und Macduff kommen auf zwei edlen, schön aufgezäumten Pferden auf die Bühne geritten, (die sich erstaunlicherweise trotz des donnernden Orchesters ruhig verhalten!). Die Choreographie der Hexenchöre ist einfach, aber lebendig.

Sänger und Orchester

Roberto Frontalis hell timbrierter Bariton hat die Farbe eines Heldentenors. Als Macbeth erreicht er, stimmlich und schauspielerisch, vor allem in zweiten Teil der Oper die volle dramatische Dimension seiner Rolle. Sein Dialog mit dem Hexenchor Che fate voi, misteriose donne? – Was wirkt ihr da, ihr grauen Spukgestalten (3. Akt, 3. Szene) ist sicherlich eine der stärksten Momente der Aufführung. Susanna Branchini ist eine eindrucksvolle Lady Macbeth. Ihre Stimme besitzt im Piano eine sanfte lyrische Resonanz and im Forte, mit starkem Vibrato, eine sich voll auslebende Schallkraft, die auch bei vollen Chorszenen noch dominiert. Von ihrem Auftreten im ersten Akt mit der Arie und Cabaletta Nel dì della vittoria io le incontrai – Sie begegneten mir am Tage des Sieges bis zur ergreifenden Wahnsinnszene Una macchia … è qui tuttora! – Dieser Fleck hier … kommt immer wieder! (4. Akt, 4. Szene) lebt sie Lady Macbeth. Beide Interpreten geben hier gute Beispiele für sängerische Vergegenwärtigung, für Darstellen im Singen. Andrea Mastroni ist mit tiefem und klangvollem Baß der unglückliche Banquo. Jean-Francois Borras (Macduff) glänzt in seiner Rachearie O figli! o figli miei! – Oh meine Kinder! (4. Akt, 1. Szene). Zu unterstreichen sei noch die dramatische Stärke des vielseitigen Chorgesangs. Daniele Gatti dirigiert Soli, Chor und Orchester kraftvoll, aber verhalten.

Fazit

Mit Macbeths innovativem musikalischem Stil leitet Verdi in seine zweite große Schaffensperiode über. Zum ersten Mal in dieser Oper überläßt de Komponist die Charakterzeichnung seiner Protagonisten nicht dem Gesang allein, sondern setzt dramatische Szenen, in denen eine fast prosahafte Deklamation Macbeths von einem Orchestersatz gestützt wird, dessen Motivik zur Darstellung des Seelenzustandes ebenso beiträgt wie der Gesang. (Silke Leopold/Robert Maschka, Who’s who in der Oper).

Dieses schwierige Übergangswerk Verdis hat das Théâtre des Champs-Élysées nun in einer ausgezeichneten Aufführung mit diesem Schwerpunkt auf Musik und Drama auf die Bühne gebracht. Der Applaus war einhellig.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Vincent Pontet

Das Bild zeigt: Roberto Frontali (Macbeth), Susanna Branchini (Lady Macbeth)

 

Veröffentlicht unter Opern