LE PETIT FAUST – DR. FAUST JUNIOR – München, Theater am Gärtnerplatz

von: Florimond Ronger alias Hervé (1825-1892), Operette in drei Akten, Text: Hector Crémieux und Adolphe Jaime UA: 23. April 1869 Paris, Théâtre des Folies-Dramatiques

Regie: Rudolf Frey, Bühne/Kostüme: Rainer Sinell, Choreografie: Beate Vollack

Dirigent: Michael Brandstätter und das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Solisten: David Sitka (Faust), Elaine Ortiz Arandes (Mephisto), Alexandra Flood (Marguerite), Maximilian Mayer (Valentin), Sarah Mzali-Aristidou (Lisette), Andromahi Raptis (Clorinde), Dorothée (Victória De Sousa Real)

Besuchte Aufführung: 16. Mai 2015 (Premiere)

München Le petit FaustVorbemerkung

Le petit Faust ist in zweifacher Weise eine Parodie: sowohl auf die Literaturvorlage von Goethe, als auch auf die zehn Jahre zuvor vertonte Oper von Gounod.

Kurzinhalt

Doktor Faust hadert mit seinem Schicksal. Als Valentin seine Schwester Marguerite in seine Obhut übergibt, verliebt sich Faust sofort. Mephisto bietet Faust einen Handel an: Schönheit, Jugend und Reichtum als Gegenleistung für seinen Verstand. Faust willigt ein und lebt von nun an ein freizügiges Leben. Aber er kann Marguerite nicht vergessen. Er findet sie wieder und hält sofort um ihre Hand an. Da er reich ist, sieht Marguerite in ihm eine gute Partie und willigt ein. Valentin, der aus dem Krieg zurückkehrt, versucht die Verbindung zu verhindern. Im Kampf ersticht Faust Valentin. Doch Valentins Geist verflucht die Ehe. Als Faust Marguerite gesteht, daß er seinen gesamten Reichtum aufgeben will, zeigt Marguerite ihr wahres Gesucht und verflucht den Mörder ihres Bruders. Aber Mephisto zwingt das Paar bis in alle Ewigkeit aneinander gekettet zu tanzen.

Aufführung

Die Bühne der Münchner Reithalle ist zweigeteilt: auf der linken Seite spielt das Orchester in einem abgetrennten Separee, in der Mitte ist die Hauptbühne. Der hintere Bereich wird durch ein Tor abgetrennt, über dem im zweiten und dritten Akt die Überschrift l’enfer (Hölle) zu lesen ist. Die kahle Bühne läßt viel Raum für das wilde Schauspiel der Darsteller, gespickt mit einer großen Portion Humor, dabei lebt das Stück besonders von Showeinlagen, wie einer Tanzanimation des Publikums. Die Kostüme spiegeln das Flair des 19. Jahrhunderts wider: die Damen tragen weit ausgestellte Korsettkleider in metallischen Erdtönen, die Soldaten erscheinen in blau-roten Uniformen.

Sänger und Orchester

Die Kooperation des Theaters mit der Hochschule für Musik ist eine Symbiose aus erfahrenen Darstellern und dem Nachwuchs. Insgesamt ergänzt sich das zu einem runden Gesamtbild. Die Ouvertüre stimmt mit beschwingten Walzerrhythmen ein in die leichte Tanz- und Unterhaltungsmusik: Michael Brandstätter dirigiert sehr ausgewogen und läßt viel Raum für die Entfaltung der Instrumente. Sanfte Töne in den Bläsern wechseln sich mit beschwingtem Geigenspiel ab. Die Crescendo-Bögen werden bis zum Höhepunkt gesteigert. David Sitkas (Faust) Interpretation des Faust, ist die eines gutmütigen, eher vertrottelten Alten, seine jugendliche Tenorstimme verleiht ihm eine sehr zarte Seite, dabei singt er sehr akzentuiert und scharf in den Höhen. Seine Mitstreiterin Elaine Ortiz Arandes (Mephisto) besticht in der Hosenrolle des Mephistos mit einem erzählerischen Sopran, ihr Timbre klingt leicht silbrig und ist in der Höhe voluminös. Ein besonderer Genuß ist der Auftritt von Alexandra Flood (Marguerite): sie zeigt die gesamte Bandbreite des gesanglichen Könnens, von in der Bruststimme gesungenen tiefen Tönen bis die im sotto voce gehauchter Spitzentönen. Ihr agiler, sehr schlanker Sopran klingt in den Koloraturen leicht und flink, dabei legt sie besonders viel Wert auf die komödiantische Interpretation ihrer Rolle, jodelt, kreischt und zetert mit ihrer Stimme. Als Josephine Baker Verschnitt im 1920er Jahre Kleid legt sie im zweiten Akt gewissermaßen eine flotte Sohle aufs Parkett und animiert sogar das Publikum zum mittanzen. Als männlicher Gegenpart besticht Maximilian Mayer (Valentin), dessen majestätischer Tenor Qualitäten eines Heldentenors hat. Das scheppernde Timbre seiner metallischen Stimme zeigt er nicht nur im Militäraufmarsch im ersten Akt, sondern auch als beschwörende Reinkarnation, die seine Schwester vor der Ehe mit Faust warnt. Für einen dramatischen Höhepunkt sorgt der Chor im dritten Akt: der synchrone und sehr harmonische Gesang von Männer und Frauenstimmen ist rhythmisch und, von der Intonation her, perfekt aufeinander abgestimmt.

Fazit

Die Münchner Inszenierung zeigt mit der Hervé Aufführung mal eine ganz andere Facette der Operette und beeindruckt durch Originalität und Humor. Aus musikalischer Sicht ist es schön, jungen Talenten bei ihrer Arbeit zusehen zu können, die sich alle Male mit den gestandenen Profis messen können. Allen voran Alexandra Flood und Maximilian Mayer, die eine hervorragende Figur machen.

Melanie Joannidis

Bild: Christian POGO Zach

Das Bild zeigt: Alexandra Flood (Marguerite), Chor, Statisterie

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