von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Commedia per musica in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 26. Januar 1790 Wien, Burgtheater
Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme: Christopher Melching, Dramaturgie: Katja Pfeifer
Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester Vorpommern und Opernchor, Choreinstudierung: Rustam Samedov
Solisten: Kristi Anna Isene (Fiordiligi), Anna Wagner (Dorabella), Alexandru Constantinescu (Guglielmo), Dennis Marr (Ferrando), Anette Gerhardt (Despina), Tye Maurice Thomas (Don Alfonso)
Aufführung: 23. Mai 2013 (Premiere, in deutscher Sprache)
Die jungen Soldaten Guglielmo und Ferrando sind der festen Meinung, ihre Verlobten Fiordiligi und Dorabella seien der Inbegriff der Treue. Don Alfonso verspottet sie, und um sie zu überzeugen, daß auch ihre Frauen keine Ausnahme seien, überredet er sie zu einer Wette. Sie verabschieden sich von den Mädchen und geben vor, zur Armee gehen zu müssen. Unter Don Alfonsos Anleitung und mit Despinas Hilfe stellen sie sich anschließend in Verkleidung den Mädchen vor und versuchen, sie zu verführen. Zunächst bleiben sie standhaft, doch letztendlich verliebt sich zuerst Dorabella in den verkleideten Guglielmo, und dann Fiordiligi in Ferrando. Don Alfonso behält Recht, rät den beiden entrüsteten Männern aber dazu, ihren Verlobten zu vergeben. Während einer inszenierten Doppelhochzeit wird die Verkleidung aufgehoben. Das Fazit lautet: So machen es alle Frauen!
Aufführung
Horst Kupich verlegt die unkonventionelle Mozart-Oper in die frühen 60er Jahre, alle Kostüme sind demnach gestaltet, und auch die drei auf der Drehbühne angeordneten Räume sind entsprechend ausgestattet. Sie zeigen eine Bar, eine Küche und einen Außenbereich, der ganz zu Beginn als Umkleideraum funktioniert. Die Szenen spielen abwechselnd in diesen drei Räumen ab. In ihrer Verkleidung sind Guglielmo und Ferrando an den beiden großen männlichen Idolen der Zeit, James Dean und Elvis Presley, ausgerichtet; sogar das berühmte Motorrad darf nicht fehlen. Der Mädchenfreundschaft mit Cocktails, lackierten Nägeln, albernen Spielen mit Kondomen und dem Anhimmeln von Fotos wird die Männerfreundschaft mit Dosenbier, Frotzeln und gemeinsamem Abhängen entgegengesetzt. Die Handlung rückt in den Zusammenhang der sexuellen Befreiung.
Sänger und Orchester
Ein außergewöhnlich harmonisches und klanglich ausgewogenes Sängerensemble präsentiert sich an diesem Abend dem Publikum. Alle Stimmen fügen sich perfekt zu einem äußerst angenehmen Ensembleklang zusammen, behalten dabei aber stets ihren eigenen Ausdruck. Gemeinsam ist ihnen eine warme Klangfarbe: Alexandru Constantinescu (Guglielmo) im Baritonregister mit klarem, kernigem Charakter – daneben Dennis Marr (Ferrando) mit natürlichem, offenem, ungekünsteltem Tenor, der nur gegen Ende etwas angestrengt wirkt. Beide transportieren überzeugend die Coolness der großen Vorbilder (Constantinescu bringt es sogar fertig, mit einer im Mundwinkel hängenden Zigarette zu singen), und beide lassen in der ersten Szene sehen, daß sie durchaus ansehnliche Oberkörper besitzen. Die beiden hübschen blonden Damen Kristi Anna Isene (Fiordiligi) und Anna Wagner (Dorabella) zeigen mit großem Stimmumfang viel Expressivität und Gestaltungskraft, erstere im hellen, in allen Registern gleichmäßig kräftigen Sopran, letztere im dunklen, volltönenden Mezzo. Dieses harmonische Quartett komplettieren Anette Gerhardt (Despina) und Tye Maurice Thomas (Don Alfonso), sie im hohen Sopran mit gestalterischer Vielfalt und einem ausdrucksstarken, feinfühlig variabel eingesetztem Vibrato, er mit betont komischem Auftreten und sonorem Baß. Schauspielerisch bieten alle eine hervorragende, ausgelassene witzige, knisternd erotische und rührend gefühlvolle Leistung.
Der Chor, der bei dieser Aufführung nur extrem kurz gegen Ende auf die Bühne kommt (zuvor wird mit gefilterten Einspielungen gearbeitet, um den Eindruck einer Radiosendung zu erwecken), präsentiert sich gewohnt spielstark und einsatzfreudig. Golo Berg puscht das Orchester erfolgreich zu flotten, schwungvollen Tempi, leider gelegentlich hörbar auf Kosten der Intonation. Dem positiven Gesamteindruck tut das aber dank einer hervorragenden Abstimmung mit den Solisten keinen Abbruch.
Fazit
Die Handlung in den Kontext der sexuellen Revolution zu bringen, erweist sich als grandioser Schachzug. Der Text paßt dazu so gut, daß man fast meinen könnte, Mozart hätte solche Zeiten vorausgesehen. Die komischen Seiten der Oper werden gelungen hervorgehoben, so daß stellenweise der ganze Saal in lautes Lachen ausbricht. Dennoch erspart Kupich dem Publikum nicht die Problematik – am Ende steht keine heitere Auflösung, es wird keineswegs klar, wer nun eigentlich wen heiratet und ob überhaupt. So leicht sind die Menschen nicht zu verzeihen bereit, und man muß erst lernen, mit der neuen Freiheit umzugehen. Ohne diese Unsicherheit hätte das Publikum sicherlich hinterher getobt! So blieb es bei einem wohlverdient langen, begeisterten, aber letztendlich normalen Applaus für eine durch und durch gelungene, harmonische, lustige und coole Vorstellung.
Anna-Juliane Peetz-Ullman
Bild: Barbara Braun/MuTphoto
Das Bild zeigt v. l. n. r.: Anette Gerhardt (Despina), Tye Maurice Thomas (Don Alfonso), Dennis Marr (Ferrando), Kristi Anna Isene (Fiordiligi), Anna Wagner (Dorabella), Alexandru Constantinescu (Guglielmo).