von Richard Wagner (1813 – 1883), Zweiter Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, Libretto vom Komponisten
UA 1869 Bayreuth
Regie: Staffan Valdemar Holm, Bühnenbild und Kostüm: Bente Lykke Møller, Licht: Torben Lendorph, Dramaturg: Stefan Johansson
Dirigent: Gregor Bühl, Königliche Hofkapelle
Solisten: Lars Cleveman (Siegfried), Niklas Björling Rygert (Mime), Terje Stensvold (Wanderer), Marcus Jupither (Alberich), Katarina Dalayman (Brünnhilde), Lennart Forsén (Fafner), Marianne Hellgren Staykov (Waldvogel), Anna Larsson (Erda)
Besuchte Aufführung: 12. März 2009 (B Premiere)
Kurzinhalt
Siegfried, der Sohn der Geschwister Siegmund und Sieglinde, wird von Alberichs Bruder, dem Zwerg Mime, einsam im Wald großgezogen. Mimes heimliches Ziel ist es, den starken und furchtlosen Jüngling gegen den Drachen Fafner aufzustacheln, damit er ihn töte und seinem Ziehvater so den Ring verschaffe. Doch Siegfried rebelliert gegen Mime und wird zunehmend unkontrollierbar. Als er den Riesenwurm tatsächlich getötet hat, bringt er überraschend den Ring an sich und erkennt nun auch die List und Berechnung Mimes. Aus Zorn bringt er ihn um und macht sich auf zum Brünnhildefelsen, um dort die Walküre zu erwecken und ihre Liebe zu erringen. Auf dem Weg dorthin trifft er auf den Wanderer – den durch die Menschenwelt streifenden Gott Wotan – und kämpft mit ihm. Wotans Speer, der ihm die Macht über die Welt sicherte, wird zerschlagen und seine Herrschaft ist damit beendet. Alle zukünftigen Ereignisse finden nun ohne ihn statt.
Aufführung
Wie in den anderen Teilen dieser Ring-Inszenierung auch sind die übersichtlichen, symmetrischen Räume, in denen die Handlung spielt, sowie ein gewisser Zug zur Abstraktion vorherrschend. Fafners Höhle ist beispielsweise eine kleine Freiluftbühne, vor der ein stummes Publikum den Kampf des Possenreißers Fafner mit dem jungen Siegfried beobachtet. In der ersten Szene des dritten Aufzugs wird eine soziale Lesart des Textes sichtbar, die sonst in dieser Inszenierung keine große Rolle spielt: Wotan, zum machtlosen Wanderer gealtert, lauert Siegfried und Erda vor einem Haus auf, in dem eine großbürgerliche Gesellschaft feiert. Erda wird eingelassen, der sichtlich heruntergekommene Wanderer hingegen nicht. Ein neues Zeitalter ist angebrochen, wie auch das Schlußbild zeigt. War der Brünnhildefelsen in der Walküre noch von einer grünen Koppel umgeben, erheben sich nun rauchende Fabrikschornsteine in der Ferne.
Sänger und Orchester
Zwar hatten sowohl Lars Cleveman (Siegfried) als auch Katarina Dalayman (Brünnhilde) an diesem Abend mit einer Indisposition zu kämpfen, doch war Clevemans Leistung in der Titelrolle wirklich über jeden Zweifel erhaben. Sowohl sein Spiel als auch seine bis zum Schluß souverän gesungene Partie hinterließen beim Publikum einen imponierenden Eindruck. Die von Wagner in der Partitur geforderten klanglichen Nuancen bekam man zu hören, etwa die sehr ruhig und mit schlanker, beinahe schon falsettartiger Tongebung zu singenden Passagen während des Waldwebens oder zu Beginn der Schlußszene des Siegfried, aber auch die energischen Spitzentöne in den Schmiedeliedern und das bewegliche Parlando in den Dialogen mit Mime. Leider machte es ihm das Dirigat Gregor Bühls an diesem Abend nicht gerade leicht, denn Bühl nahm vor allem im ersten Aufzug die Tempi zu schnell und trug zuweilen dynamisch etwas zu dick auf. Zwar kam es zu keinem wirklichen Unfall, aber seine Tendenz, die Sänger zu treiben, verwischte mitunter die melodischen Konturen und ließ den Gesangstext undeutlich werden. Wie in den anderen Stockholmer Ring-Teilen auch trugen Terje Stensvold (Wanderer), Anna Larsson (Erda) und Marcus Jupither (Alberich) ihre Partien mustergültig vor, wohingegen Lennart Forsén (Fafner) trotz elektronischer und akustischer Verstärkung – wie bei Wagner vorgeschrieben singt er durch ein Sprachrohr – stimmlich zu wenig beeindrucke. Der mit Abstand beste Sänger dieses Abends war allerdings ohne Zweifel Niklas Björling Rygert als Mime, dessen unglaublich deutliche Aussprache des Deutschen, rhythmische Sicherheit und stimmliche Beweglichkeit, die ein genaues Studium seiner großen Vorgänger in dieser Rolle verrät, sich mit einer an das Akrobatische grenzenden schauspielerischen Virtuosität paaren, die vor allem den ersten Aufzug zu einem kurzweiligen Erlebnis machte. Allein schon seine eminente Leistung ist einen Besuch dieser Siegfried-Inszenierung wert.
Fazit
Musikalisch und von der Darstellung der Charaktere her ist dieser Siegfried grundsolide, auch wenn das Dirigat Bühls leider nicht mit dem Leif Segerstams, der ebenfalls als Dirigent des Stockholmer Rings auftritt, konkurrieren kann, zumindest was das Eingehen auf die Sänger betrifft. Das Bühnenbild ist weniger statisch als in der Walküre, die Wahl der inszenatorischen Mittel ist jedoch nicht immer restlos überzeugend. Vor allem die Bedeutung des Geschehens vor Fafners Höhle im zweiten Aufzug bleibt unklar. Dennoch wird den Darstellern in den übrigen Teilen genügend Freiraum zugestanden, um ihre Figuren überzeugend zu entwickeln.
Dr. Martin Knust
Bild: Mats Bäcker
Das Bild zeigt: Marianne Hellgren Staykov als Waldvogel