von Francesco Ciléa (1866-1950), Oper in vier Akten, Libretto: Arturo Colautti, nach Eugène Scribe und Ernest Legouvé, UA: 6. November 1902 Mailand, Teatro lirico
Regie: David McVicar, Kostüme: Brigitte Reiffenstuel, Bühne: Charles Edwards, Licht: Adam Silverman, Choreographie: Andrew George
Dirigent:Daniel Oren, Chor und Orchester der Opéra National de Paris, Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten: Marcelo Alvarez (Maurizio, Marschall von Sachsen), Wojtek Smilek (Fürst von Bouillon), Raúl Giménez (Abt von Chazeuil), Alessandro Corbelli (Michonnet), Alexandre Duhamel (Quinault), Carlo Bosi (Poisson), Angela Gheorghiu (Adriana Lecouvreur), Luciana d’Intino (Prinzessin von Bouillon), Mariangela Sicilia (Madamigella Jouvenot), Carol Garcia (Madamigella Dangeville)
Koproduktion mit Royal Opera House, London, Gran Teatre del Liceu, Barcelona, Wiener Staatsoper und San Francisco Opera
Besuchte Aufführung: 26. Juni 2015 (Premiere)
Kurzinhalt
Die Schauspielerin Adriana Lecouvreur empfängt ihren Geliebten Maurizio (Marschall von Sachsen), muß aber bald auf die Bühne. Sehr verliebt überläßt sie ihm einen kleinen Veilchenstrauß. Maurice hat der Prinzessin von Bouillon, deren Liebhaber er auch ist, ein geheimes Stelldichein gegeben. Der Prinzessin entgeht nicht der Veilchenstrauß. Sie ist eifersüchtig. Leichtfertig schenkt er ihr die Blumen. Ihr Treffen wird gestört. Die Prinzessin versteckt sich in einem Nebenraum. Auch Adriana erscheint und Maurizio bittet sie, der Unbekannte im Nebenzimmer zur Flucht zu verhelfen. Die Prinzessin erkennt in Adiana eine Rivalin, ohne zu wissen wer sie ist. Es kommt zum Streit, die Prinzessin läßt ein Armband fallen. Auf ihrem Empfang erkennt sie ihre Rivalin und beleidigt sie öffentlich. Adriana rächt sich, indem sie das gefundene Armband dem Prinzen überreicht und einen Theatermonolog über Ehebruch rezitiert. Einige Tage später erhält Adriana einen verwelkten Veilchenstrauß zugeschickt, dessen Duft sie einatmet Sie hält es für ein Abschiedszeichen Maurizios und ist verzweifelt. Da erscheint letzterer voller Liebe und macht ihr einen Heiratsantrag. Zu spät, die Veilchen waren ein „Geschenk“ der Prinzessin. Sie waren vergiftet: Adriana stirbt.
Aufführung
Das Team David McVicar-Reiffenstuel-Edwards-Silverman haben eine Inszenierung auf die Bühne gestellt, die mit prachtvollen Rokoko-Kostümen und klassischen stilgerechten Bühnenbildern die Welt des 18. Jahrhunderts der Handlung unterstreicht. Die Szenen wechseln zwischen aristokratischer Ästhetik im Gartenpavillon und im Palast des Prinzen (2. und 3. Akt) und fast ärmlicher Einfachheit in den Hinter-den-Kulissen-Logen des Theaters und in der kleinen Behausung der Schauspielerin (1. und 4. Akt). In jedem Akt ist – auf verschiedene Weise – das Theater im Theater heraufbeschworen. Die Beleuchtung ist diskret, unterstützt durch brennende Kerzenleuchter.
Sänger und Orchester
Angela Gheorghiu singt souverän, vielleicht etwas zu reserviert im Einsatz ihrer vollen Stimme in den dramatischen Szenen wie im Duett mit der Prinzessin im zweiten Akt, aber berückend in den lyrischen Szenen mit einem leisen, inneren Zauber, wie gleich zu Beginn der Oper in Io son l’umile ancella. Marcel Alvarez, wohl eingedenk, daß diese Rolle 1902 von Enrico Caruso kreiert wurde, bestreitet die Rolle des Maurizio mit gereifter, schön timbrierter Heldentenorstimme, reiner Stimmführung, lyrischer und klarer Diktion. Die freudige Überraschung des Abends war Luciana d’Intino, die mit tiefer, dunkler, klangvoller Mezzosopranstimme die leidenschaftliche, eifersüchtige Prinzessin singt und spielt, die auch vor Mord nicht zurückschreckt. Schon in ihrer ersten Arie Acerba voluttà, dolce tortura (2. Akt) gibt sie sich zu erkennen. Schließlich sei noch lobend Alessandro Corbelli erwähnt, der mit schönem warmem Bariton – sehr menschlich – den unglücklich liebenden, sich selbst belächelnden Theaterregisseur Michonnet singt und spielt. Daniel Oren dirigiert Solisten, Chor und Orchester.
Fazit
Das Melodrama geht weitgehend auf historische Begebenheiten zurück. Weder das Libretto noch die Partitur sind große Meisterwerke. Musikalisch war Ciléa offensichtlich von Puccini beeinflußt. Dennoch, durch die hervorragende Besetzung und eine selten schöne Inszenierung war es eine viel bejubelte Aufführung zum Ende der Saison an der Bastille.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Vincent Pontet
Das Bild zeigt: Angela Gheorghiu (Adriana Lecouvreur), Marcelo Alvarez (Maurizio, Marschall von Sachsen)