DIE HOCHZEIT DES FIGARO – Nürnberg, Staatstheater

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Commedia per musica in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte nach Beaumarchais UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater

Regie: Mariame Clement, Bühne und Kostüme: Julia Hansen

Dirigent: Peter Tilling, Staatsphilharmonie Nürnberg, Opernchor des Staatstheaters Nürnberg, Chorleitung Tarmo Vaask.

Solisten: Nicolai Karnolsky (Figaro), Michaela Maria Mayer (Susanna), Jochen Kupfer (Graf Almaviva), Hrachuhi Bassenz (Gräfin Almaviva), Solgerd Isalv (Cherubino), Laura Demjan (Barbarina), Taehyun Jun (Bartolo), Leila Pfister (Marcellina), Hans Kittelmann (Basilio), Sebastian Köchig (Don Curzio), Sebastien Parotte (Antonio).

Besuchte Aufführung: 27. Juni 2015 (Premiere)

Nuernberg Figaro gp 0201Kurzinhalt

Figaro und Susanna sind Bedienstete des Grafen Almaviva und wollen heiraten. Cherubino entdeckt, daß der Graf Susanna nachstellt und deshalb will der Graf ihn als Offizier hinwegbefördern. Nachdem Cherubino der Gräfin ein Liebeslied vorgetragen hat, klopft der wütende Graf an die Tür. Cherubino kann aus dem Fenster flüchten, der Graf findet nur Susanna vor. Der Gärtner Antonio berichtet, er habe Cherubino aus dem Fenster springen sehen, aber Figaro behauptet, er wäre es selbst gewesen. In den Tumult platzt Marcellina, die Figaro im Gegenzug für ein ihr gegenüber abgegebenes Heiratsversprechen Geld geliehen hat und nun auf das Eheversprechen pocht. Die Heirat ist vom Tisch, als sich herausstellt, daß Marcellina Figaros Mutter ist. Nachts im Park erwartet die Gräfin in Susannas Kleidern den treulosen Ehemann. Figaro glaubt hingegen, seine Ehefrau will ihn betrügen. Einige Verwirrungen. Später finden die Paare wieder zueinander.

Aufführung

Auf einer sonst leeren Bühne, vor einem helleuchtenden Hintergrund stehen barocke Möbel, je nach Bedarf zusammen gestellt. Wir sehen Wäsche auf der Leine im zukünftigen Zimmer der Susanna, einen Sessel, den Cherubino zum Verstecken benutzt, ein Cembalo für die Klavierstunden mit Basilio und ein Prunkbett im Zimmer der Gräfin. Laub, Schuppen und Schaukel finden sich im Garten. Die Wände fehlen und ermöglichen so den Blick auf die im Moment nicht benötigten Darsteller im gräflichen Schloß, die sich ihren Alltagsgeschäften hingeben. Nur im Zimmer der Gräfin bildet eine große Schrankwand mit Türen einen rückwärtigen Abschluß. Die farbenfrohe Kleidung entspricht den barocken Gewohnheiten.

Sänger und Orchester

Die bemerkenswerteste Leistung des Abends erbringt Jochen Kupfer als Graf Almaviva. Ausgehend von seiner durchschlagskräftigen baritonalen Mittellage trägt seine makellos volltönende Stimme sowohl in der Tiefe als auch in der Höhenlage. Zusammen mit seiner Diktion und Rolleninterpretation kann man von „Maßstab setzen“ reden. Hrachuhi Bassenz ist im Gegensatz dazu eine nachdenkliche Gräfin. Ihr schwerer und eloquenter Koloratursopran hat das richtige Verhältnis zwischen Kraft und Strahlglanz und verfügt auch über ein wirkliches zärtliches verhaltenes Pianissimo mit dem sie ihre Auftrittsarie Porgi, amor, qualche ristoro – Gib, Liebe, etwas Linderung meinem Schmerz zum Erlebnis macht. Michaela Maria Mayer mit ihrem schlanken, sauber geführten, manchmal etwas eindimensionalen Sopran ist die richtige Stimme für die jugendlich naive Susanna. Nicolai Karnolsky wirkt anfangs indisponiert, kann sich aber im Laufe des Abends etwas davon befreien. Seine tiefe markige Baßstimme kann dem Figaro einen vielschichtigen Charakter verleihen. Hans Kittelmann ist ein eloquenter Basilio, klingt aber etwas nasal. Taehyun Jun als wahrlich bösartiger Baß charakterisiert die Figur des Bartolo zutreffend, auch wenn er manchmal tremoliert. Sebastian Köchig ist ein herrlich stotternder Don Curzio, Leila Pfister stimmlich eine Hexe namens Marcellina. Solgerd Isalv hat Probleme die männlichen Momente der Hosenrolle des Cherubino zu gestalten. Vielleicht kam der Sprung aus dem Nürnberger Opernstudio in diese Hauptrolle etwas überraschend früh. Es will ihr nicht so recht gelingen, in der Arie Voi che sapete che cosa è amor – Ihr, die ihr wißt, was Liebe ist mit dem Tempo Schritt zu halten, Noten auszusingen oder Text zu artikulieren. Das liegt aber auch an dem sehr flotten Dirigat: Peter Tilling fehlt irgendwie der Esprit für die zeitlose, „revolutionäre“ musikalische Komödie Mozarts. Schon durch die Ouvertüre führt er die Staatsphilharmonie Nürnberg zu hastig, musikalische Kostbarkeiten werden dabei übergangen. Figaros Arie Non più andrai, farfallone amoroso – Du streichst nicht mehr … woe eom verliebter Schmetterling umher (ein Spottlied auf die anstehende Militärzeit Cherubinos) ist kein Marsch, sondern eher ein Höllenritt.

Fazit

Dieser Figaro nimmt szenisch als heitere Sommerverwechslungskomödie für sich ein – allein schon wegen der farbenprächtigen barocken Kostüme. Die Handlung folgt dem originalen Plot und bemüht sich, die komplizierten Verstrickungen zu erläutern – besonders hinsichtlich der verlorenen Nadel. Lediglich die Verwendung eines nicht ganz zeitgemäßen Karabiners ist zu bemängeln: Figaro schwingt den Karabiner am Anfang gegen den Grafen, der Graf betritt mit dem Karabiner das Zimmer der Gräfin und die Gräfin ringt dem Grafen mit vorgehaltener Waffe die Entschuldigung ab, die schon deshalb niemanden überzeugt. Musikalisch hebt sich Jochen Kupfer hinsichtlich Durchschlagskraft und Bühnenpräsenz ohrenfällig vom ebenfalls hochklassigen Ensemble ab. Stürmischer Applaus zum Schluß!

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Versteckspiel um den Sessel herum: Solgerd Isalv (Cherubino), Michaela Maria Mayer (Susanna), Jochen Kupfer (Graf Almaviva)

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