Rheingau Musik Festival – L’ISOLA DISABITATA – DIE UNBEWOHNTE INSEL

von Joseph Haydn (1732-1809), Azione teatrale in zwei Teilen, Libretto: Giovanni Batista Bonno, UA: 5./6. Dezember 1779, Schloß Eszterháza

Regie: Jan-Richard Kehl, Bühne/Kostüme: Andreas Wilkens

Dirigent: Walter Althammer, Orchester der Studierenden der Hochschule für Musik u. Darstellend Kunst, Frankfurt a/M

Solisten: Sandrine Droin (Costanza), Josy Santos (Silvia), Yongseung Song (Gernando), Miroslav Stricevic (Enrico)

Besuchte Aufführung: 6. September 2015

RMF 2015: HfMDK Frankfurt zu Gast im Kloster Haydn, L'isola disabitata am 06.09.2015

RMF 2015: HfMDK Frankfurt zu Gast im Kloster Haydn, L’isola disabitata am 06.09.2015

Vorbemerkung

Das Rheingau Musik Festival findet seit 1988 zwischen Juni und September in der Region um Wiesbaden und Lorch statt und zählt zu den bekanntesten Musikfestivals in Deutschland. 170 Konzerte finden an 50 verschiedenen Veranstaltungsorten statt, u.a. Kloster Eberbach, Konzertsaal Casino Wiesbaden oder der Alten Oper Frankfurt. Zum vierten Mal kooperiert das Festival mit der Frankfurter Musikhochschule in Form einer gemeinsamen Opernproduktion. Für die jungen Sänger und das Hochschulorchester ist es eine Chance Erfahrungen zu sammeln und die Hochschule nach außen darzustellen. Das Festival kommt mit einiger Opernproduktion aus. Der Schwerpunkt liegt eher auf Konzerten, musikalischen Weinproben und Kleinkunst liegt, was aber einer hohen Auslastung nicht im Wege steht.

Kurzinhalt

Gernando und seine Gattin Costanza, in Begleitung von ihrer Schwester Silvia, müssen wegen eines Sturmes auf einer Insel landen. Während sich die Damen in eine Höhle zurückziehen, wird Gernando von Piraten entführt. Nach 13 Jahren kehrt Gernando mit seinem Freund Enrico zu der Insel zurück, um nach Spuren seiner Gattin zu suchen, die diese Zeit auf der Insel mit Ihrer Schwester in völliger Einsamkeit zugebracht hat – nur in Gesellschaft eines Rehs, das Silvia als Haustier hält – während Costanza, die sich verlassen wähnt, eine wütende Nachricht in den Fels meißelt. Nach einer Phase des Suchens und Erklärens finden beide Paare wieder zusammen.

Aufführung

Streng genommen kann man nicht von einer Bühne reden, denn der ehemalige Altarraum der Basilika des Klosters Eberbach ist nur ein leerer Raum ohne Bühnentechnik. In diesem Fall empfiehlt sich ein statisches Bühnenbild, wie man es von Gastspielproduktionen kennt: Kreisförmig ansteigend angeordnete weiße Platten bilden eine ringförmige Spielfläche, in deren Zentrum das Orchester versenkt ist. Im Hintergrund befindet sich ein Kubus, auf deren Gaze-Vorderwand Texte projiziert werden. Wird der Innenraum beleuchtet, werden karibische Pflanzen sichtbar. Die farbenfrohen Kostüme sind der zeitgemäßen Strandsommer-Mode entlehnt, auch Taucher, Angler und Einheimische mit einem indigenen-indianischen Federband um die Stirn passen ins karibische Inselbild.

Sänger und Orchester

Eigentlich ein interessantes Konzept: Ein Professor der Hochschule, der über eine Vielzahl an Erfahrungen im Opernbetrieb verfügt – Walter Althammer – erarbeitet eine Opernaufführung mit Gesangsstudenten und weiteren Studenten, die das Orchester bilden. Alle ohne große Bühnenpraxis. Das Orchester verfügt über keine speziellen barocken Instrumente, man spielt auf heutigen Instrumenten mit Stahlsaiten. Für diese Aufführung hat man das Spiel ohne Vibrato geübt und erzielt so eine Vielzahl an barocken Klangeffekten. Auch die vier Gesangsstudenten bemühen sich um eine barocke, solistische Interpretation. Die Gestaltung der Arien und der Koloraturen entspricht aber der Aufführungspraxis von Mozart-Opern – immerhin auf hohem Niveau. Am überzeugendsten gelingt die Annäherung an barocke Klangwelten dem Mezzo Josy Santos (Silvia): Sie könnte auch eine Zukunft als schwerer Koloratursopran mit tiefem Timbre haben. Der Tenor Yongseung Song (Gernando) hat eine strahlend schöne Höhe und könnte im Legato-Gesang eine Zukunft finden, falls ihm nicht die Kräfte schwinden. Miroslav Stricevic (Enrico) besitzt eine spielerische Leichtigkeit zwischen Bariton und Baß. Sandrine Droin als Costanza ist ein zurückhaltender lyrischer leichter Sopran.

Fazit

Sicherlich muß man bei dieser Produktion einige Abstriche machen. Die Kloster-Basilika Eberbach ist kein Opernhaus, sondern ein Kirchenhaus mit fast unendlichem Nachhall, Bühnentechnik ist nicht vorhanden, doch die Beleuchtung ist professionell ausgerüstet. Das Orchester und Solisten bestehen aus studentischen Nachwuchskräften, denen man es entschuldigen muß, daß manchmal Einsätze oder Tonsätze danebengehen. Aber man erkennt eben auch das Potential dieser Künstler, die sich zu echten Solisten weiterentwickeln könnten, wie z.B. Josy Santos, zu einer Koloratursopran, oder Yongseung Song, zu einem Mozart-Tenor mit sicherer Höhe. Was man nicht durchgehen lassen darf sind die Regieeinfälle der Nachwuchsregisseure, die sich an absurden Einfällen überbieten. So wird einem fast der Besuch dieser Produktion durch die schlecht lesbaren Übertitel verleidet, wozu noch unlesbareren Kommentaren kommen. Oder die Frage wieso die Oper die unbewohnte Insel heißt, wenn sie doch von indigenen Menschen bevölkert wird. Ein als Haustier gehaltenes Rehlein wird dargestellt durch einen jonglierenden Jahrmarktkünstler, der auch noch die Handlung an sich reißt. Bitte, liebe Studenten des Fachs Regie: Die Handlung und die darin liegenden Konflikte darstellen – das Ergebnis nennt man Personenführung! Außerdem: Eingriffe in die Partitur sind nicht erlaubt, wie etwa die „zusätzlichen“ Pausen im Schluß-Quartett.

Oliver Hohlbach

Bild: Rheingau Musik Festival

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