von Giacomo Puccini (1858-1924), Tragedia giapponese in drei Akten (revidierte Version), Libretto: Luigi Illica und Guiseppe Giacosa nach David Belasco, UA: 17. Februar 1904 Mailand, Teatro alla Scala, revidierte Version: Brescia, 28. Mai 1904
Regie und Bühne: Robert Wilson, Kostüme: Frida Parmeggiani, Licht: Heinrich Brunke und Robert Wilson, Choreographie: Suzushi Hanayagi, Dramaturgie: Holm Keller
Dirigent: Daniele Rustioni, Chor und Orchester der Opéra National de Paris, Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten: Ermonela Jaho (Cio-Cio San), Piero Pretti (Pinkerton), Annalisa Stroppa (Suzuki), Gabriele Viviani (Sharpless), Nicola Pamio (Goro), Tomasz Kumiega (Prinz Yamadori), Mikhail Kolelishvili (der Onkel Bonze) u.a.
Besuchte Aufführung: 30. September 2015
Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton ist bezaubert von der erst 15jährigen Geisha Cio-Cio San und beschließt, sie zu heiraten. Sie ist glücklich und nimmt diese Hochzeit sehr ernst. Für ihn ist es nur ein Spiel mit ihr und dem Leben. Ein Onkel des jungen Mädchens, ein Bonze, verstößt sie aus der Familie, weil sie zum Glauben ihres Mannes übergetreten ist. Bald darauf fährt Pinkerton nach Amerika zurück. Drei Jahre wartet Cio-Cio San auf seine Rückkehr und gebiert ihm während der Zeit einen Sohn. Trotz ihrer prekären finanziellen Lage lehnt sie den Heiratsantrag des Prinzen Yamadori ab. Der amerikanische Konsul überbringt einen Brief, der Pinkertons Ankunft ankündigt. Die junge Frau ist überzeugt, daß er jetzt endgültig zu ihr zurückkehrt und läßt das Haus mit Blumen schmücken. Doch Pinkerton kommt mit seiner amerikanischen Frau, die ihr vorschlägt, ihren Sohn zu adoptieren. Pinkerton selbst wagt es nicht, sich zu zeigen. Cio-Cio San, verzweifelt und entehrt, verabschiedet sich von ihrem Sohn und gibt sich den Tod.
Aufführung
Robert Wilsons Inszenierung ist nun schon über 20 Jahre alt, aber sie ist immer noch sehenswert und inzwischen zu einem Meilenstein geworden. Es ist eine karge, minimalistische Sicht der Geschichte der kleinen Gaisha, die verführt und im Stich gelassen wird. Die Bühne ist leer, die Färbung des Hintergrunds spiegelt wirkungsvoll die jeweilige Stimmung wieder. Vereinzelte Scheinwerfer schaffen hin und wieder kleine, vorübergehende Intimszenen im leeren Raum. Die Kostüme sind die eines nicht einmal japanischen, sondern eines orientalischen Märchens. Aber auch hier ist es eine meist nur in schwarz, manchmal in weiß gehaltene, lange, altertümlich stilisierte Bekleidung ohne Farben. Die kleine Geisha ähnelt eher einer altägyptischen Prinzessin, der japanische Bonze einem Priester des Zarathustra. Die Choreographie läßt nur selten ein wenig menschlicher Annäherung zu. Meist stehen die Protagonisten weit von einander entfernt. Stilisiert ist auch die Gestik, vor allem die der Arme und Hände. Ob sie dabei vom japanischen No-Theater inspieriert ist oder von altägyptischen Tempelfresken, ist schwer zu sagen.
Sänger und Orchester
Nach La Traviata vor einem Jahr (siehe OPERAPOINT 2014, Heft 4) feiert Ermonela Jaho erneut einen Triumpf an der Pariser Oper, diesmal als Butterfly. Schon ihr Auftritt im ersten Akt mit einem makellos-strahlendem hohen D gibt den Ton an. Ihre Stimme erfüllt mit Wärme den kalten Raum. Doch im Sinne der Inszenierung interpretiert sie die sensible kleine Geisha – musikalisch wie schauspielerisch – hingebungsvoll, aber etwas verhalten, mit dem ihr eigenen Feingefühl und Nuance – Zierlich, fragil, graziös. Ihr gegenüber steht Piero Pretti als Pinkerton mit kraftvollem, schön timbriertem Heldentenor. Beide Stimmen verschmelzen wundervoll im bewegenden Duett am Ende des ersten Akts Viene la sera. Annalisa Stroppa singt mit vollem dunklem, wenn auch nicht sehr umfangreichem Mezzosopran die treue Dienerin Suzuki. Sehr reizvoll im Blumenduett mit Cio-Cio San im zweiten Akt. Gabriele Vivianis stellt mit ausdrucksstarkem Bariton den Konsul Sharpless dar. Nicola Pamio, Tomasz Kumiega und Mikhail Kolelishvili ergänzen das ausgezeichnete Ensemble.
Daniele Rustioni dirigiert Soli, Chor und Orchester mit Schwung, aber hat offensichtlich hin und wieder Schwierigkeiten zu verhindern, daß die Instrumente die Überhand gewinnen.
Fazit
Eine musikalisch ausgezeichnete Aufführung im Rahmen einer ästhetisch-eisigkalten Inszenierung. Ein bemerkenswerter Abend! Es gab viel wohlverdienten Applaus.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Christian Leiber, OnP
Das Bild zeigt: Ermonela Jaho (Cio-Cio San), die neue Frau von Pinkerton Annalisa Stroppa (Suzuki), Piero Pretti (Pinkerton), v.l.n.r.