Berlin, Staatsoper Unter den Linden – ORLANDO PALADINO – RITTER ROLAND

von Joseph Haydn (1732 – 1809), Dramma eroicomico in drei Akten, Text von Nunziato Porta, UA: Eszterháza 1782
Regie: Nigel Lowery und Amir Hosseinpour, Bühnenbild/Kostüme: Nigel Lowery, Choreographie: Amir Hosseinpour, Dramaturgie: Francis Hüsers, Licht: Olaf Freese
Dirigent: René Jacobs, Freiburger Barockorchester
Solisten: Marlis Petersen (Angelica), Pietro Spagnoli (Rodomonte), Tom Randle (Orlando), Magnus Staveland (Medoro), Sunhae Im (Eurilla), Victor Torres (Pasquale), Alexandrina Pendatchanska (Alcina), Arttu Kataja (Licone und Caronte)
Besuchte Aufführung: 8. Mai 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
berlin-staatsoper-orlando.jpgDer in die Königin Angelica verliebte Ritter Orlando durchstreift die Wüste, um sie und ihren Geliebten Medoro zu treffen. Sein Verstand ist getrübt, und er ist einzig von dem Wunsch nach Rache für seine enttäuschte Liebe beherrscht. Als es ihm endlich gelingt, die beiden zu stellen, schreitet die Zauberin Alcina ein. Doch auch sie vermag nicht, den verwirrten und rasenden Orlando zu heilen. Dazu schickt sie ihn in die Unterwelt. Dort trinkt er Wasser aus Lethe, dem Fluß des Vergessens, vergißt so seine unglückliche Liebe und kann nun mit Angelica und Medoro Frieden schließen.
Aufführung
Dekoration und Kostüme sind keiner bestimmten geschichtlichen Epoche zuzuordnen, sondern zeigen alle Schauplätze als rein phantastische Landschaften. Die Beleuchtung ist nach dem Vorbild der Bühnen im 18. Jahrhundert mitunter historisch, d.h. vorne unten am Bühnenrand angebracht. Die Regie versucht, die z.T. drastischen Wechsel zwischen heroischem und komischem Geschehen deutlich zu machen. In den komischen Abschnitten geht es dabei sehr nervös zu, die Darsteller untermalen ihren Gesang mit hastigen Gesten und im Hintergrund sind etliche ebenso unruhig agierende Komparsen zu sehen.
Sänger und Orchester
Sunhae Im (Eurilla) besitzt von allen Akteuren des Abends sicherlich die am meisten ausgeglichene Stimme und vermochte in allen Beziehungen zu überzeugen. Bei allen anderen Sängern zeigt sich eine möglicherweise dem (zu) großen Zuschauerraum geschuldete Tendenz, die Töne zu massiv zu singen, wodurch die Beweglichkeit der Stimmen leidet. Um nicht mißverstanden zu werden: Die Solisten dieses Abends beherrschen ihr Metier außerordentlich gut und liefern grundsolide Leistungen. Allerdings fehlte an diesem Abend ein stimmlicher Glanzpunkt. Marlis Petersen (Angelica) besitzt eine ausgeglichene, bewegliche Stimme. Ihre mit Koloraturen gespickte Partie ist sicherlich die größte sängerische Herausforderung dieser Oper, die sie allerdings nicht souverän zu meistern imstande war. Einige Spitzentöne waren intonatorisch unsauber ebenso wie die Koloraturen, insbesondere die abwärts gesungenen, die sie zudem ein wenig verwischte. Tom Randle gab zwar einen überzeugenden rasenden Orlando, doch fehlte ihm – wie den anderen männlichen Protagonisten – ein raumfüllendes Timbre, das dem hochdifferenzierten Spiel des Freiburger Barockorchesters als gleichwertig an die Seite zu stellen gewesen wäre. Artikulatorisch, rhythmisch und klanglich wurde der Text der Haydnschen Partitur unter René Jacobs’ Leitung, wie zu erwarten war, mustergültig vorgeführt. Die dankbarste Partie der Oper ist sicherlich die des Pasquale, die von Victor Torres darstellerisch, aber leider nicht musikalisch rundum zufriedenstellend gestaltet wurde. Insbesondere seine burleske Arie im ersten Akt wurde offensichtlich zu schnell dirigiert, denn hier kam er mit dem Textvortrag nicht hinterher.
Fazit
Der großartigste Akteur des Abends ist das Orchester unter seinem prominenten Dirigenten. Wer Haydns Oper in musikalisch historischem Gewande erleben möchte, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Die sängerischen Leistungen waren demgegenüber nicht derart exzellent. Keiner der Sänger der Hauptpartien vermochte musikalisch mitzureißen. Darstellerisch ist die gesamte Inszenierung zu unruhig geraten. Man hat den Eindruck, als wenn die Regie Humor mit Hektik verwechselt. Jedenfalls sind viele der zu sehenden Aktionen alles andere als überzeugend, weder inhaltlich noch vom Timing der Akteure her. Generell dürfte dieses für unsere Begriffe recht altertümliche Libretto nur schwer überzeugend in Szene zu setzen sein. Andererseits gibt es aber auch keine regietheatertypischen Entgleisungen und keine brutalen Verstöße gegen den originalen Text. Mit Einschränkungen zu empfehlen.
Dr. Martin Knust

Bild: Ruth Walz
Das Bild zeigt: Tom Randle als Orlando und Sunhae Im als Eurilla.

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