von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: Salvatore Cammarano, UA: 19. Januar 1853, U.A.: Rom, Teatro Apollo
Regie: Alex Ollé, Bühne: Alfons Flores, Kostüme: Lluc Castell, Licht: Urs Schönebaum.
Dirigent: Daniele Callegari, Chor und Orchester der Opéra National de Paris, Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten: Ludovic Tézier (Il conte de Luna), Anna Netrebko (Leonora), Ekaterina Semenchuk (Azucena), Marcelo Alvarez (Manrico), Roberto Tagliavini (Ferrando), Marion Lebèque (Ines), Olexiy Palchikov (Ruiz), Constantin Ghircau (ein alter Zigeuner), Cyrille Lovighi (ein Bote)
Koproduktion mit De Nationale Opera, Amsterdam
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2016 (Premiere)
Der Bruder des Grafen Luna soll als kleines Kind von einer Zigeunerin gestohlen und verbrannt worden sein. Leonore träumt vom geheimnisvollen Troubadour, in den sie sich verliebt hat. Graf Luna und Manrico, der Troubadour, die beide Leonore umwerben, treffen unter dem Fenster Leonores aufeinander. Es kommt zum bitteren Zweikampf, bei dem Manrico siegt, bringt es aber nicht über sich, den Grafen zu töten. Die Zigeunerin Azucena erinnert sich wie sie, als ihre schuldlose Mutter vom alten Grafen Luna auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, in ihrer Verwirrung statt den Sohn des Grafen, den sie gestohlen hatte, das eigene Kind ins Feuer warf.
Graf Luna will Leonore entführen, Manrico kann es verhindern und flieht mit ihr. Ferrando nimmt Azucena als Mörderin des Grafensohnes gefangen, Manrico eilt seiner vermeintlichen Mutter zu Hilfe, wird übermannt und soll hingerichtet werden. Um ihn zu retten, willigt Leonore zum Schein in eine Ehe mit dem Grafen ein, nimmt aber vorher Gift. Erst nach Manricos Hinrichtung, enthüllt Azucena dem Grafen, daß er soeben den eigenen Bruder getötet hat.
Aufführung
Il Trovatore ist im Grunde eine zeitlose Tragödie, die man ohne weiteres auch ins Moderne mit zeitgenössischen Kostümen und Uniformen übertragen kann, wie der spanische Regisseur Alex Ollé und sein Team es getan haben. Der Zuschauer kann dann wählen, ob er die Handlung auf Grund der Stahlhelme in den spanischen Bürgerkrieg versetzen will, wobei die Armee des Grafen Luna zu der Francos wird und die Zigeuner zu Republikanern. Oder ob er das zeitlose Drama ohne Geschichtsbezug vorzieht. Die wenig inspirierte, aber neutrale Inszenierung läßt beides zu.
Die spärliche Beleuchtung mit Lagerfeuern und Laternen schaffen eine entsprechend düstere, in der Zigeunerszene fast Goyahafte Atmosphäre. Die Bühnenbilder sind Variationen mit immer denselben mal höheren, mal niedrigeren, mal über der Bühne hängenden viereckigen massiven Säulen.
Die hintere Bühnenwand ist ein wie eine Wasseroberfläche sich bewegender Spiegel, was dem Geschehen eine irreale Nuance verleiht. Auch spiegelt sich darin der von unten beleuchtete Dirigent.
Sänger und Orchester
Es war eine jener, vor allem für einen Il trovatore nicht allzu häufigen Aufführungen mit vollzähliger Starbesetzung. Anna Netrebko sang die Leonore, eine der anspruchsvollsten Sopranrollen Verdis, die mannigfaltigen Nuancen der Kavatinen und die Virtuosität der Kabaletten meisterhaft ausschöpfend. Sie war wirklich ergreifend im Timor de mi – Angst um mich? und dem anschließenden Miserere – Erbarme dich (Mönchchor) (4. Akt, 1.Szene) und verdiente sich damit anhaltenden Szenenapplaus. Die freudige Überraschung des Abends war Ekaterina Semenchuk. Faszinierend in ihrer wilden Leidenschaft spielte und sang sie mit kraftvollem, wohl abgerundetem, dramatischem Mezzosopran die Zigeunerin Azucena, die eigentliche Hauptfigur der Oper. Ihre manchmal bewußt fahlen tiefen Lagen wirken erschreckend, wie in Stride la vampa! – die Flamme lodert (2. Akt, 1. Szene) oder in der Schlußszene. Marcelo Alvarez sang den feurigen Manrico mit klarem, geschmeidigem Lirico spinto-Tenor und glänzt nicht nur in der martialischen Stretta Di quella pira – beim Anblick des gräßlichen Feuers (3. Akt, 6. Szene), sondern vor allem auch im vorhergehenden zärtlichen Ah si, ben mio – oh du mein Gut, mit dir vereint Ludovic Tézier stellt mit der ihm eigenen, vollkommen kontrollierten reinen Stimmführung den Grafen Luna dar. Besonders schön im lyrischen Ardita! e qual furente amore – Gewagt! Rasende Liebe und beleidigter Stolz fordern es von mir (2. Akt, 2. Szene). Schließlich sei in den Nebenrollen noch der klangvolle Baß Roberto Tagliavinis erwähnt. Hervorzuheben sei auch der Chor, der als Soldaten, Nonnen oder Zigeuner, die Handlung wirkungsvoll unterstrich. Daniele Callegari dirigierte Soli, Chor und Orchester und wurde der stark rhythmischen Partitur voll gerecht.
Fazit
In kurzem Abstand zwischen Rigoletto (1851) und La Traviata (1853) entstanden, ist dieses Werks durch sein Libretto sicherlich das unvollkommenste der drei, musikalisch aber steht es den beiden anderen Opern an funkelnder Leuchtkraft nicht nach. Ein besonders erfreulicher Premierenabend mit viel wohlverdientem Applaus.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Charles Duprat
Das Bild zeigt: Anna Netrebko (Leonore) und Ludovic Tézier (Graf Luna)