La Juive (Die Jüdin) – Staatstheater Nürnberg

von Jacques-Fromental Halévy (1799-1862), Oper in fünf Akten, Libretto: Eugène Scribe, UA: 23. Februar 1835 Paris, Salle Le Peletier

Regie: Gabriele Rech, Bühne: Dieter Richter, Kostüme: Gabriele Heimann

Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Leah Gordon (Rachel), Luca Lombardo (Eléazar), Uwe Stickert (Léopold), Banu Böke (Prinzession Eudoxie), Nicolai Karnolsky (Kardinal de Brogni), Kay Stiefermann (Ruggiero, Schultheiß), Jens Waldig (Albert, Feldwebel), u.a.

Besuchte Aufführung: 17. Januar 2016 (Premiere)

KurzinhaltDie Juedin

Konstanzer Konzil 1414: Der jüdische Goldschmied Eléazar wird fast von einer aufgebrachten Menge gelyncht, weil er einen christlichen Feiertag mißachtet. Bei ihm lebt Rachel, die glaubt, seine Tochter zu sein. Tatsächlich ist sie das Kind des Kardinals de Brogni, der es bei einem Brand verloren zu haben glaubt, es wurde jedoch von Eléazar gerettet und als Jüdin aufgezogen. Rachel hat eine Liebesbeziehung mit dem Prinzen Léopold, der sich als Jude Samuel ausgibt und mit der Prinzessin Eudoxie verheiratet ist. Als diese illegitime Beziehung bekannt wird, werden Eléazar, Rachel und Léopold festgenommen. Rachel entlastet im Prozeß Léopold, doch sie und ihr Ziehvater werden zum Tode verurteilt. Im Moment ihrer Hinrichtung offenbart Eléazar de Brogni, daß dessen Tochter gerade vor seinen Augen stirbt.

Aufführung

Jedem Akt wird genau ein Hintergrundbild zugeordnet, die sich teilweise nur durch wenige Änderungen unterscheiden: am Anfang sieht man die Stufen zum Kirchenportal, das von einer Rosette geprägt wird. Die gleiche Wand wird zu Eléazars Haus, die Rosette zeigt jetzt einen Davidstern, das Kirchenportal wird durch ein großes Bild eines jüdischen Rabbi verdeckt, zusätzlich sind Fenster und Bücherregale aufgestellt. Zum Pessachfest haben sich 13 Personen versammelt, wie weiland die Jünger zum Abendmahl. Für den Festsaal werden die Vorhänge zugezogen, Gericht gehalten wird im ausgebrannten Haus Eléazars, die Hinrichtung Rachels in einen überdimensionalen Wasserkocher (Taufe mit kochendem Wasser) findet in der ausgebrannten Kirche statt. Die Kostüme entstammen der heutigen Zeit, die Uniformen der Soldaten sind im pseudo-faschistischen Schnitt.

Sänger und Orchester

Der Grund weshalb La Juive so selten gespielt wird, ist weniger in den großen Tableaus mit vielen Chorsängern, Statisten und monumentalen Bühnenbildern der Grand Opera zu suchen, als daß vielmehr exzellente und technisch speziell geschulte Sänger erforderlich sind, denn La Juive enthält zahlreiche spektakuläre Koloraturarien, anspruchsvolle Ensembles und große Chorsätze. Die Besetzung der drei Hauptrollen gilt als schwierig, besonders im Tenorfach: Eine wahre Starbesetzung ist Uwe Stickert  als Léopold. Mehrfach klettert der Spezialist fürs schwere französische Tenor-Fach mit halsbrecherischen, aber sicher gemeisterten Wechseln zwischen Kopf- und Bruststimme bis zum hohen Des – und entfacht wahre Begeisterungsstürme.

Luca Lombardo ist unstrittig ein (deutscher) Charaktertenor mit viel Volumen und Überzeugungskraft auch im dramatischen Bereich. Als Eléazar kann er hierbei nicht mithalten, wirkt leiser, gehemmt und über wenig Ausdruckskraft. Leah Gordon als Rachel zeigt wahre Größe. Ihr sehr verspielter Sopran verfügt über eine warme und lyrische Stimme, technisch sauber gestaltet sie die leuchtend hohen Lagen – auch wenn sie manchmal ein wenig tremoliert.

Nicolai Karnolsky kann mit seinem markigen Baß und seiner stimmigen Tiefe mit der Mantel-Arie des Colline glänzen und wird mit Szenenapplaus belohnt. Er gestaltet die Rolle des Kardinals de Brogni zu einer wichtigen Hauptrolle um: Die stimmliche Auseinandersetzung im Finale mit Eléazar gewinnt er. Banu Böke als Prinzessin Eudoxie bleibt im Vergleich zu Leah Gordon leider blaß und zurückhaltend, kann aber im dramatischen Ausbruch, wenn sie Rachel um die Verschonung Léopolds anfleht, überzeugen. Gute Leistungen zeigen auch die kleinen Rollen, so ist Jens Waldig ein treffsicherer und durchschlagsstarker Bariton mit einer baßlastigen Stimme. Eine großartige Leistung vollbringt der verstärkte Chor mit seinen präzisen Einsätzen. Die Klangwirkung im Zusammenspiel mit dem Orchester ist diesem Meisterwerk der Pariser Grand Opera würdig.

Fazit

Im Prinzip ist jede Aufführung von Halévys Jüdin ein dankenswertes Ereignis, deren Besuch schon wegen der musikalischen Klangfülle dringend ratsam ist. Auch hier muß man mit Kürzungen leben: In diesem Fall fehlt das Vorspiel, die beiden Balletteinlagen sind nur rudimentär vorhanden, im  dritten Akt wird die Ballettpantomime Eroberung Jerusalems durch das Stühlerücken Reise nach Jerusalem zur heiteren Randnotiz. Die hochmotivierten Leistungen des Chores, des Orchesters und der Solisten entsprechen dem Niveau eines Staatstheaters, spielen aber darüber hinweg, daß man von der Regie alleine gelassen wurde. Lediglich der Streit zwischen Eléazar und Brogni entspricht der Dramatik der Musik, Leopold steht meist nur ungeschickt auf der Bühne, ist weder Liebhaber noch Lüstling – Rachel  steht meist unbeteiligt daneben. Heillose Verwirrung erzeugen zusätzliche in die Handlung aufgenommene Pogrome: Juden werden mit Davids-Sternen beschmiert, obwohl Brogni gerade Übergriffe verboten hat, Eléazar Haus und die Kirche werden handlungswidrig abgebrannt, das Finale findet in Ruinen statt. Am Ende etwas zögerlicher Applaus, für die Solisten und das Orchester heftigster Jubel.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt:  Dreizehn bei Tisch: Pessach Fest bei Eleazar

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