Zürich, Opernhaus – AGRIPPINA

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Libretto: Vincenzo Grimani, UA: 26. Dezember 1709, Teatro San Giovanni Crisostomo, Venedig
Regie: David Pountney, Bühnenbild: Johan Engels, Kostüme: Marie-Jeanne Lecca, Choreografie: Beate Vollack, Licht: Jürgen Hoffmann
Dirigent: Marc Minkowski, Orchestra La Scintilla der Oper Zürich
Solisten: Vesselina Kasarova (Agrippina), Lázló Polgár (Claudio), Anna Bonitatibus (Nerone), Eva Liebau (Poppea), Marijana Mijanovic (Ottone), Gabriel Bermúdez (Lesbo), Ruben Drole (Pallante), Josè Lemos (Narciso), Wiebke Lehmkuhl (Giunone)
Besuchte Aufführung: 10. Mai 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
zurich-agrippina.jpgAgrippina erfährt vom angeblichen Tod ihres Gatten Claudio, des Kaisers von Rom. Sie schickt daraufhin die ihr ergebenen Diener Narciso und Pallante, um im Volk den Namen ihres Sohnes Nero als neuen Herrscher zu verbreiten. Sie hofft, sich so die Macht zu erhalten, da römische Kaiser nicht durch Erbmonarchie sondern durch Wahl legitimiert werden. Während der Inthronisierung Neros wird die Rückkehr Claudios bekannt, der den Statthalter Otho als Dank, daß dieser ihm das Leben rettete, zum neuen Kaiser ausruft. Otho allerdings würde wegen seiner Liebe zu Poppea, einer im Kaiserhaus hochbegehrten Dame, sogar auf den Thron verzichten, wovon auch Agrippina weiß. Als der in Leidenschaft entbrannte Claudio zu Poppea eilt, verweigert diese ihm ihre Zuneigung auf den Rat Agrippinas hin, denn Otho als neuer Kaiser beanspruche sie nun für sich. Bei einem Zusammentreffen Poppeas mit Otho bemerken beide die Intrige Agrippinas. Um sich zu rächen, bestellt Poppea Nero in ihr Gemach. Als Claudio eintrifft nennt sie diesen den eigentlichen Usurpator und nicht Otho. Auch Narciso und Pallante offenbaren Claudio den Betrug Agrippinas. Diese versichert, so gehandelt zu haben, um dem Kaiser den Thron zu bewahren. So gewährt Claudio am Ende Nero den Thron und legitimiert das Verhältnis Poppeas und Othos.
Aufführung
Die Inszenierung läßt leider wenig vom eigentlichen römischen Schauplatz erkennen. Das antike Rom ist in dieser Inszenierung einer Drehbühne mit verschiedensten Raumkomplexen gewichen. In der Mittelachse erhebt sich ein großes Reagenzglas, das wohl eine Art Spannungsthermometer darstellen soll. Die verschiedenen Zimmer zeigen ein Labor, Poppeas Schlafgemach mit allerlei Kuscheltieren, die im dritten Akt zum Leben erwachen, einen Fitneßraum und ein Schlachthaus, das mit seinen Blutlachen der Szene eines Horrorfilms äußerst nahe kommt. An den eigentlichen Schauplatz der Handlung erinnern lediglich ein den Thron symbolisierendes ionisches Säulenkapitell sowie ein Lorbeerkranz, der sich in besagtem Thermometer befindet.
Sänger und Orchester
Alle Hauptrollen sind mit exzellenten Darstellern besetzt, die an diesem Abend ihr Rollendebüt geben. So erscheint Vesselina Kasarova (Agrippina) in jeder Szene als intrigante Herrscherin, auch bei Arien wie
tu ben degno sei dell’allor – du bist des Lorbeers würdig, was den fliegenden Wechsel der Affekte von Heuchelei und Verachtung verblassen läßt. Charismatisch sang Lázló Polgár (Claudio) mit seiner obertonreichen Stimme, die dem Kaiser trotz der buffonesken Elemente große Ruhe und Bedächtigkeit verlieh. In der Arie voi che udite il mio lamento – die ihr mein Klagen hört, eine der ergreifendsten Nummern der Oper, wirkte Marijana Mijanovic (Ottone) trotz ihrer erkennbaren Routine auf dem Gebiet der Barockmusik etwas verhalten. Eva Liebau (Poppea) brachte ihre Auftrittsarie vaghe perle, elette fiori – schöne Perlen, erlesene Blumen mit großer Leichtigkeit zu Gehör. Allerdings wurde der Reiz der Verspieltheit dieser Arie durch ein sehr rasch genommenes Tempo des Orchesters ein wenig geschmälert. Vor allem glänzte Anna Bonitatibus (Nerone) in ihrer Arie come nube che fugge dal vento – wie eine Wolke, die vor dem Wind flieht. Sie beeindruckte stimmlich durch ihren geschmeidigen Klang bis in die Spitzentöne sowie einer großen Bravour in den Koloraturen, die vor allem durch die Parallelführung in den Instrumenten eine große künstlerische Herausforderung darstellt. Das Züricher Ensemble La Scintilla unter Mark Minkowski musizierte einen brillanten Händel, auch in den konzertanten Stellen wie der Ouvertüre.
Fazit
In der Inszenierung dominiert ein Hang zu Übertreibung buffonesker Szenen, die sehr amüsant gestaltet sein mögen, jedoch nichts mit der Handlung gemein haben. Vor allem lassen Dirigent und Regisseur ein gemeinsames Konzept vermissen, wie es beispielsweise vor kurzem beim Händelschen Radamisto des Staatstheaters Karlsruhe zu erleben war. So erschienen bei aller Brillanz die Darsteller nur als Einzelpersonen, ein homogenes Ensemble vermißt man. Ein großes Lob für Eva Liebau und Lázló Polgár, von deren gesundheitlicher Einschränkung an diesem Abend nichts zu merken war.
Daniel Rilling

Bild: Suzanne Schwiertz
Das Bild zeigt Eva Liebau (Poppea) und Marijana Mijanović (Ottone)

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