von Georges Bizet (1838-1875), Oper in 3 Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimée, UA: 3. März 1875 Paris, Opéra-Comique, Salle Favart
Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme: Christopher Melching, Licht: Roland Kienow, Dramaturgie: Katja Pfeifer
Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester, Opernchor, Kinder- und Jugendchor des Theaters Vorpommern, Choreinstudierung: Rustam Samedov
Solisten: Anna Wagner (Carmen), Karo Khachatryan (Don José), Alexandru Constantinescu (Escamillo), Johannes Richter (Remendado), Jonathan Boudevin (Dancaïro), Tye Maurice Thomas (Zuniga), Maciej Kozlowski (Moralès), Kristi Anna Isene (Micaëla), Jardena Flückiger (Frasquita), Iuliia Tarasova (Mercedès), Vera Meiß (Lilli Pastia) u.a.
Besuchte Aufführung: 2. April 2016 (Premiere)
Kurzinhalt
Die unabhängige, in einer Zigarrenfabrik arbeitende Carmen verdreht den Männern reihenweise den Kopf. Nach einem handgreiflichen Streit wird die rebellische Carmen verhaftet. Um flüchten zu können, verführt sie den biederen Sergeant Don José, der dabei seine Verlobung mit der jungen Micaëla vergißt. Er läßt Carmen laufen und wird selber inhaftiert. Nach seiner Entlassung schließt er sich den Schmugglern an, um Carmen folgen zu können. Micaëla findet José im Schmugglerquartier und möchte ihn zu seiner im Sterben liegenden Mutter führen. Carmen schenkt inzwischen ihre Liebe dem siegessicheren Torero Escamillo. Vor der Stierkampfarena fleht José sie verzweifelt an, zu ihm zurückzukehren. Doch Carmen verhöhnt ihn und möchte zu Escamillo. Aus Verzweiflung ersticht José seine Geliebte.
Aufführung
Nach der Ouvertüre, die das Publikum in dramatische, spanische Klänge einstimmt, wird ein backsteinernes Fabrikgebäude mit Metalltreppen sichtbar. Soldaten putzen ihre Gewehre und warten auf die Wachablösung. Nach dem Klingeln der Werksglocke kommen die Fabrikarbeiterinnen aus einem dunklen, großen Tor und genießen ihre Frühstückspause. Der zweite Akt spielt in einer verruchten Kneipe. Dafür wird das Fabriktor zu einer Bühne mit Samtvorhängen und der Fabrikhof zum Gastraum mit Tischen und Stühlen umgestaltet. Das einstige Fabrikgebäude wird im dritten Akt in zwei einzelne Lagerhäuser getrennt und zum Schmugglerquartier umfunktioniert. Im letzten Bild ist der Eingang zur Stierkampfarena zu sehen, dargestellt mit einer hohen Bretterwand.
Regisseur Kupich verlagert die Handlung in das Grenzgebiet zwischen Mexiko und USA in das Jahr 1931. Die Kostüme passen sich der Zeit und dem Ort an. Dabei sind Anregungen der mexikanisch-spanischen Folklorekleidung erkennbar. Carmen besticht mit roten Kleidern und Escamillo trägt eine bunte Torerokleidung.
Der Gesang erfolgt auf Französisch, wobei die Dialoge in deutscher Sprache nach einer Fassung von Walter Felsenstein vorgetragen werden.
Sänger und Orchester
Die unangefochtenen Stars des Abends sind Anna Wagner (Carmen) und Karo Khachatryan (Don José). Beide bestechen mit ihrer brillanten schauspielerischen Leistung und hervorragenden Bühnenpräsenz. Anna Wagner glänzt in der Rolle der Carmen durch das geschmeidige Timbre ihres Mezzosoprans. Mit samtartiger und beweglicher Stimme singt sie die Habañera und betont ihre Rolle der geheimnisvollen Verführerin. Ihr lyrischer Gesang gewinnt stetig an Wärme und Volumen. Ebenso besticht Karo Khachatryan mit seinem klangvollen, gut fokussierten Tenor. Im Duett mit Micaëla Parle-moi de ma mère – Erzähl mir von meiner Mutter klingt seine Stimme besonders weich und rund. Die technisch brillante Kristi Anna Isene (Micaëla) ist sehr sicher in den Höhen und glänzt mit ihrem klaren, satten Sopran. Besonders ausdrucksstark singt sie die Arie Je dis que rien m’épouvante – Nichts kann mich erschrecken. Bemerkenswert ist Alexandru Constantinescu mit einer warmen, energischen und angenehm vibrierenden Stimme als Stierkämpfer Escamillo. Tye Maurice Thomas (Zuniga) erbringt sowohl schauspielerisch als auch gesanglich eine überzeugende Leistung. Sein betont komisches Auftreten wird von seinem kräftigen, sonoren Baß unterstützt. Auch das gut aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von Jardena Flückiger (Frasquita) und Iuliia Tarasova (Mercédès) sticht im Terzett Mêlons! Coupons! – Mischen wir die Karten! mit Anna Wagner hervor. Als Moralès zeigt Maciej Kozlowski seinen warmen, facettenreichen Bariton mit einer durchschlagenden Kraft.
Der Opernchor des Theaters Vorpommern hat wie immer einen großen Anteil am Geschehen und füllt seine Nebenrollen mit Einsatzfreude und viel schauspielerischem Geschick. Wirkungsvoll eingebunden ist Kinderchor und singt mit einer bemerkenswerten Sicherheit Avec la garde montante – Mit der Wache anzutreten sind wir Buben immer da.
Beschwingt und energiegeladen spielt das Philharmonische Orchester Vorpommern unter dem zuverlässigen Dirigat von Golo Berg. Bereits die Ouvertüre zeigt mit betörenden und dramatischen Klängen spanische und provenzalische Elemente. Insgesamt sind die Sänger und das Orchester sehr gut aufeinander abgestimmt.
Fazit
Eine gelungene, sehenswerte Inszenierung, die durchgängig mit sehr guten Sänger- und Schauspielleistungen überzeugte. Die Aufführung im ausverkauften Haus fand großen Anklang beim Publikum und wurde sehr herzlich aufgenommen. Das gesamte Ensemble hatte sich den langanhaltenden Applaus verdient!
Judith Hering
Bild: MuTPhoto/Braun
Das Bild zeigt: Anna Wagner (Carmen), Karo Khachatryan (Don José) und Mitglieder des Opernchores