von Guiseppe Verdi (1813-1901), Oper in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach Victor Hugo, UA: 11. März 1851 Venedig, Teatro La Fenice,
Regie: Claus Guth, Bühne/Kostüme: Christian Schmidt, Licht: Olaf Winter, Choreographie: Theresa Rotemberg, Dramaturgie: Konrad Kuhn, Video: Andi A. Muller.
Dirigent: Nicola Luisotti, Orchester und Chor der Opéra National de Paris Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten: Michael Fabiano (Herzog von Mantova), Quinn Kelsey (Rigoletto), Olga Peretyatko (Gilda), Rafal Siwek (Sparafucile), Vesselina Kasarova (Maddalena), Isabelle Druet (Giovanna), Mikhail Kolelishvili (Graf Monterone), Michal Partyka (Marullo), Christophe Berry (Matteo Borsa), Tiago Matos (Graf von Ceprano), Andrea Soare (Contessa), Adriana Gonzalez (Page der Contessa), Florent Mbia (Amtsdiener des Grafen)
Besuchte Aufführung: 11. April 2016 (Premiere)
Vorbemerkung
Innerhalb von zwei Jahren zwischen März 1851 und März 1853 hat Verdi die Trilogie Rigoletto, Il Trovatore und La Traviata auf die Bühne gebracht. Während er in den beiden letzten Opern wieder halbwegs zu herkömmlicheren Formen zurückkehrt, erlaubt sich Verdi bei Rigoletto alle Freiheiten.
Nicht nur besteht die Oper hauptsächlich aus Duetten oder Ensembleszenen, und nicht wie üblich hauptsächlich aus Arien, sondern auch der Ton wechselt ständig von komisch zu ernst, von grotesk zu tragisch, ein Rhythmus löst in schneller Abfolge den nächsten ab. Und Verdi scheut sich auch nicht im 1. Akt auf Tanzformen des 18. Jahrhunderts zurückzugreifen. Erst der dritte Akt erhält einen einheitlich tragischen Ton. So ist es nicht erstaunlich, daß die Kritik die Oper völlig verrissen hat, doch das Publikum war begeistert und ist es bis heute geblieben. Interessant ist die gewollte oder ungewollte Parallele zu Mozarts Don Giovanni. Auch hier ein der wahren Liebe unfähiger Verführer, auch hier ein Komtur (hier der Graf von Monterone) der mit Grabesstimme den Racheengel darstellt. Nur daß der Rachestrahl hier nicht den Herrn, sondern den Diener trifft.
Kurzinhalt
Auf einem Ball bei Hof spricht man vor allem über die letzten Liebesabenteuer des Herzogs. Als Hofnarr Rigoletto, der wegen seines beißenden Spotts bei vielen verhaßt ist, den Graf von Monterone mitleidlos auslacht, weil der Herzog seine Tochter verführt hat, verflucht ihn der Herzog, was Rigoletto schwer trifft. Gilda, das einzige und über alles geliebte Kind Rigolettos, verschweigt ihrem Vater, daß sie in der Kirche einen jungen Studenten (in Wirklichkeit den Herzog) kennengelernt und sich in ihn verliebt hat.
Die Höflinge entführen sie nachts aus Rigolettos Haus. Dieser findet sie im Herzogspalast wieder, aber zu spät, der Herzog hat sie verführt. In einer Spelunke außerhalb der Stadt muß Gilda von ferne mitansehen, wie der Herzog Maddalena, die Schwester des Wirts und Berufsmörders Sparafucile umwirbt. Rigoletto schickt Gilda nach Hause, denn er hat Sparafucile dafür bezahlt, den Herzog umzubringen. Auf die Bitten Maddalenas verspricht ihr Bruder den Herzog zu verschonen, wenn sich ein anderes Opfer findet. Durch ihre Liebe zum Herzog getrieben kehrt Gilda verkleidet zur Spelunke zurück. Sie überhört dort das Gespräch der Geschwister und beschließt, sich für ihren Geliebten zu opfern. Als Rigoletto um Mitternacht zurückkehrt, findet er nicht den Leichnam des Herzogs, sondern seine sterbende Tochter vor.
Aufführung
Claus Guth und sein Team haben, mit einer Ausnahme, eine recht neutrale, der Oper entsprechende Inszenierung geschaffen. Die Handlung läuft, als einziges Dekor, in einem riesigen, zum Zuschauerraum offenen Pappkarton ab. Die Kostüme entsprechen zu Beginn der Oper dem Stil des 16. Jahrhunderts, doch werden bald darauf zu zeitgenössischen Straßenkleidern oder Smokings für die Höflinge. Als Besonderheit wird Rigoletto ständig von einem in Lumpen gekleideten Doppelgänger beschattet, der während der Ouvertüre, allein auf der Bühne das Ende des Dramas vorwegnimmt, indem er aus einem Pappkarton das blutbefleckte weiße Kleid der ermordeten Gilda hervorzieht und weint. Auch Gilda tritt hin und wieder doppelt oder dreifach auf: als kleines Kind oder als junges Mädchen. Auch verschiedene hübsche Videos zeigen die kleine Gilda auf einer Blumenwiese. Die Beleuchtung ist diskret, die Choreographie flüssig, manchmal etwas slapstick. Seitenscheinwerfer werfen vergrößerte oder verzerrte Schatten auf die Seitenwände des Riesenkartons.
Sänger und Orchester
Quinn Kelsey ist Rigoletto. Seine tiefe Bariton-Baßstimme scheint keine Grenzen zu haben. Sie ist warm und voll und kann doch mit dröhnender Wucht ausladen, doch vor allem kommt sie aus seinem Inneren und damit strahlt auch dieser verzweifelte Clown eine bewegende Menschlichkeit aus. Michael Fabianos mitreißende, jugendliche Tenorstimme mit hellem warmem Timbre ohne jegliches Pathos prädestiniert ihn für die Rolle des Herzogs. Nicht nur die Ballade am Anfang der Oper oder das allzu bekannte la donna è mobile, sondern vor allem auch das Lamento zu Beginn des zweiten Akts ella mi fu rapita! geben einen Eindruck von der Schönheit seiner Stimme sowohl in lyrischen wie in dramatischen Szenen.
Olga Peretyatko ist mit enormer stimmlicher Kraft und fabelhaftem technischem Know-How eine eher dramatische Gilda. Etwas herb im ersten Akt, wird ihre Stimme weicher und strahlender im dritten Akt und vor allem im Quartett bella figlia dell’amore und in der Schlußszene. Rafal Siwek mit sonorem Baß und Vesselina Kasarova mit klangvollem Mezzo-Sopran sind der Sparafucile und seine Schwester Maddalena. José Luis Basso hat wieder gute Arbeit geleistet bei der Einstudierung des Opernchors. Nicola Luisotti dirigiert Soli, Chor und Orchester souverän durch die wechselhafte Partitur.
Fazit
Die Inszenierung dieser dramatischen menschlichen Tragödie wäre nicht genial, aber durchaus angebracht gewesen, hätte der Regisseur nicht den geschmacklosen Fehlgriff getan, gerade die musikalisch vielleicht wertvollste und zugleich tragischste Szene der Oper, nämlich das berühmte Quartett im 3. Akt, mit einer eher ordinären Sex-Kabarett-Nummer zu untermalen.
Die musikalische Interpretation der Oper war ausgezeichnet und wurde entsprechend gefeiert.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Monika Rittershaus
Das Bild zeigt: Quinn Kelsey (Rigoletto) bedroht Mikhail Kolelishvili (Graf Monterone)