LES INDES GALANTES (DIE GALANTEN INDIEN) – Nürnberg, Staatstheater

von Jean-Philippe Rameau (1683-1764), Ballett-Oper in einem Prolog und vier Akten, Libretto: Louis Fuzelier, UA: 23. August 1735 Paris, Académie royale de musique

Regie/Choreographie: Laura Scozzi, Bühne: Natacha Le Guen de Kerneizon, Kostüme: Jean-Jacques Delmotte

Dirigent: Paul Agnew, Staatsphilharmonie Nürnberg, Herrenchor und Chorgäste des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Michaela Maria Mayer (Hebe, Göttin der Jugend/Phani/Atalide), Florian Spiess (Bellone, Göttin des Krieges/Alvar), Csilla Csövari (Amour, Gott der Liebe/Roxane/Zima), Hrachuhi Bassenz (Emilie/Fatime), Martin Platz (Valere/Carlos/Tacmas/Damon), Marcell Bakonyi (Huascar), Vikrant Subramanian (Osman/Adario) u.a.

Besuchte Aufführung: 03. April 2016 (Premiere)

Nürnberg Les Indes GalantsKurzinhalt

Es ist wie im Paradies: Hebe, die Göttin der Jugend, erfreut sich am Spiel der Liebespaare. Doch um einen Streit mit der Kriegsgöttin Bellone zu schlichten, entsendet Amour Gefolgsleute in weit entfernte Länder, um „Formen der Liebe“ zu erkunden. Im ersten Aufzug, Der großmütige Türke, widersteht Emilie den Avancen des Paschas Osman, da sie Valère liebt. Dieser befindet sich unter versklavten Schiffbrüchigen. Der Pascha verzichtet auf Emilie und schenkt seinem Rivalen die Freiheit. Im zweiten Aufzug, Die Inkas in Peru, begehrt Huascar, Hohepriester der Sonne, die Prinzessin Phani, doch sie sucht den spanischen Konquistador Don Carlos. Bei einem Erdbeben während des Sonnenfestes wird Huascar wird von einem Felsbrocken erschlagen und Don Carlos gewinnt die Prinzessin. Der dritte Aufzug, Blumen, persisches Fest, ist eine Eifersuchtsgeschichte zwischen dem Prinzen Tacmas, seinem Freund Ali und Zaïre und Fatima. Aus Anlaß eines Blumenfestes löst sich der Streit in Wohlgefallen auf. Der vierte Aufzug, Die Wilden, spielt in den Wäldern der Neuen Welt und zeigt die Auseinandersetzungen zwischen französisch-spanischen Truppen und nordamerikanischen Indianern. Die Invasion kann verhindert werden, Adario bekommt Zima. Zum Happy-End kehren die Beteiligten ins Paradies zurück.

Aufführung

Laura Scozzi stellt wieder einmal eine einfallsreiche, bunte, aktualisierte und perfekt choreographierte Handlung auf die Bühne, Personen gewinnen ihre Charakterzüge durch Gesang, Gestik, Tanz oder Mittel der Situationskomik. Die nackten Tatsachen im Paradies fesseln den Zuschauer von Anfang an. Der großmütige Türke ist ein Schlepper, der Flüchtlinge in den Tod treibt. Bei den Nachfahren der Inkas geht es um den Kampf um die Nachschubwege des Drogenhandels, statt eines Erdbebens wird ein Drogenlabor abgefackelt.
Die persischen Blumen stehen für die Rolle der Frauen in der Welt und ihre Probleme im Islam oder in der heutigen westlichen Welt. Die amerikanischen Wilden wenden sich gegen die Abholzung der Naturwälder und seine Ursache, den heutigen Kommerz.

Sänger und Orchester

Eine wichtige Frage bei solchen barocken Opernproduktionen ist das Thema auf welchen Instrumenten gespielt wird. In diesem Fall spielt das Orchester auf den „üblichen“ Instrumenten (Stichwort „Streicher mit Stahlsaiten“), ergänzt durch ein Cembalo, Barockpauken und eine Musette de Cour. Letztere ist eine französische historische Sackpfeife, im Klangbild einem Dudelsack nicht unähnlich. Aber es gelingt Gastdirigenten Paul Agnew, stellvertretender Musikdirektor von Les Arts Florissants, das Orchester in Richtung barocker Klangwelten zu führen und für eine eindrucksvolle Untermalung des Bühnengeschehens zu sorgen.

Die Solisten, teilweise in Mehrfachrollen, können sängerisch den hohen Anforderungen an den französischen Barockgesang und die Freiheiten in Phrasierung und Verzierung nicht wirklich gerecht werden. Im normalen Repertoire kommen barocke Rollen zu selten vor. Hrachuhi Bassenz ist ein eloquenter Koloratursopran, hat das richtige Verhältnis zwischen Kraft und Strahlglanz und verfügt auch über ein wirkliches zärtliches verhaltenes Pianissimo mit dem sie ihre Rolle als Liebende glaubhaft machen kann. Michaela Maria Mayer mit ihrem schlanken, sauber geführten, manchmal etwas eindimensionalen Sopran, ist die richtige Stimme für die jugendlich naive Hebe, die Göttin der Jugend. Florian Spiess stellt mit eher heller Baßstimme ein dennoch Schrecken erregender Kriegsgott dar. Marcell Bakonyi als Huascar beklagt mit deutlich tieferem Baß die Zerstörung der Sonnentempel durch die spanischen Eroberer: Soleil, on a détruit tes superbes asiles – Sonne, man hat deine hehren Weihestätten zerstört.

Csilla Csövari gibt dem Liebesgott Amor mit ihrer leuchtenden und durchschlagsstarken Stimme den richtigen Ton – auch wenn manche hohen Tönen mißraten. Martin Platz spielt sich mit seinen Rollen als Valere, Carlos, Tacmas und Damon mit seinem ausgeprägten Charaktertenor in den Vordergrund.

Fazit

Barockoper im Spagat zwischen historischer Aufführungspraxis und Regietheater: Hier entstammt alles der Moderne: die Bühne, die Regie, die musikalische Gestaltung durch das Orchester und seine Instrumente, die Solisten des Nürnberger Ensembles mit geringer barocker Gesangspraxis. Nun muß man wissen, daß dies eine Übernahme von der Opera National de Bordeaux ist, dort spielten Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset und es sangen Solisten mit barocker Aufführungspraxis.

Der DVD-Mitschnitt von dort gilt mittlerweile als kleiner Geheimtip. Und die Ballettmusik ist nicht wie sonst meist gestrichen, sondern mit einem eigenen Tanzensemble umgesetzt: Tobender Beifall des Publikums!

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Florian Spiess (Bellone, Göttin des Krieges/Alvar) und Chor

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