DIE HUGENOTTEN – Würzburg, Mainfranken Theater

von Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Oper in 5 Akten, Libretto: Eugène Scribe, Gaetano Rossi, Emile Deschamps, in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln, UA: 29. Februar 1836, Opéra, Salle de la rue Le Peletier, Paris

Regie: Tomo Sugao, Bühne: Julia Katharina Berndt und Kostüme: Pascal Seibicke

Dirigent: Enrico Calesso, Philharmonisches Orchester Würzburg, Opernchor, Extrachor des Mainfranken Theaters Würzburg, Choreinstudierung: Anton Tremel

Solisten: Claudia Sorokina (Marguerite de Valois), Karen Leiber (Valentine), Silke Evers (Urbain), Uwe Stickert (Raoul de Nangis), Tomasz Raff (Marcel), Bryan Boyce (Graf von Saint-Bris), Daniel Fiolka (Graf von Nevers) u.a.

Besuchte Aufführung: 9. Oktober 2016

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Graf von Nevers feiert auf seinem Schloß den Vorabend seiner Hochzeit mit Valentine, wozu er den Hugenotten Raoul de Nangis eingeladen hat. Während des Fests erhält Raoul einen Brief. Er stammt von Marguerite der Valois, deren Ziel es ist, Raoul mit Valentine de Saint-Bris zu verloben – in der Absicht, einen Hugenotten mit einer einflußreichen katholischen Familie zu verbinden, um die religiöse Zwietracht zu entschärfen. Doch Raoul lehnt die Verlobung ab, da er Valentine (sie hatte noch während des Fests ihre Verlobung mit Nevers gelöst) für eine vermeintliche frühere Geliebte von Nevers hält. Darüber ist Graf von Saint-Bris, Valentines Vater, so erbost, daß er die Beleidigung durch ein Duell mit Raoul sühnen will. Unterdessen werden alle vom König nach Paris gerufen. Dorthin eilen auch Raoul und sein Diener Marcel. Doch der Religionsstreit der Hugenotten und Katholiken entlädt sich in einer Katastrophe: die Katholiken überfallen die Hugenotten im Schlaf und töten alle, auch Raoul und Valentine.

Aufführung

Eigentlich ist die Bühne leer: nur drei in allen Richtungen bewegliche Bühnenrampen stehen auf der (Dreh)- Bühne, mal längs, mal quer, lassen Auftritte von allen Seiten zu, Vorhänge werden auf und zu gezogen. Drei Akte lang blicken wir auf ein Kostümfest in einem Transvestiten-Club unter dem Motto „Renaissance ist morbide“. Es wimmeln Gestalten mit Halskrause, viel weißer Schminke im Gesicht und Stöckelschuhen über die Bühne – die Katholiken tragen schwarze Haare und Bärte, die Hugenotten dasselbe in rot. Die Handlung bleibt undurchsichtig und ist dadurch auch kaum mit der Partitur in Einklang zu bringen. Ab dem vierten Akt werden die Bühnen beiseite geräumt, auf der leeren dunklen Bühne laufen nun verdächtige Mafia-Gestalten mit italienischen Anzughosen, T-Shirt und Hosenträger mit Fackeln über die Bühne. Gewehrfeuer aus dem Off ersetzen Hinrichtungen, Blut und Leichen sind nicht zu sehen.

Sänger und Orchester

Dem Würzburger Theater muß man hoch anrechnen, daß das sängerischem Niveau hoch gehalten wird, es ist nach der Afrikanerin schon die zweite Meyerbeer-Oper in Würzburg. Eine wahre Starbesetzung ist Uwe Stickert als Raoul de Nangis. Mehrfach klettert der Spezialist fürs schwere französische Tenorfach mit halsbrecherischen, aber sicher gemeisterten Wechsel zwischen Kopf- und Bruststimme bis zum hohen Des, entfacht wahre Begeisterungsstürme – und ist im Ensemble nur einer der Leistungsträger. Karen Leiber ist die begehrenswerte Valentine. Ihr jugendlich dynamischer, aber durchschlagskräftiger Sopran hat an Ausdruckskraft enorm gewonnen, sie hat die richtige Einstellung zu dieser anspruchsvolle Partie gefunden und demonstriert, wie man Koloraturen mit technisch sauberen intonationssicheren Höhen zum Laufen bringt. Das bekannte Liebesduett Tu l’as dit! Oui, tu m’aimes – Du hast‘s ja gesagt, daß du mich liebst wird zum umjubelten Beweis, daß sich hier (mit Stickert) zwei Spitzenkräfte gefunden haben. Tomasz Raff ist ein nachdrücklicher und sehr beweglicher Baß-Bariton, seine Gestaltung des Kammerdieners Marcel erregt gewaltige Aufmerksamkeit. Ebenso Bryan Boyce, der  über die richtige, in der Tiefe sicher aufgestellte, markige Baßstimme verfügt, um dem Grafen von Saint-Bris einen abgrundtiefen Charakter zu verleihen. Claudia Sorokina als Marguerite ist die Grande Dame und Strippenzieherin. Ihr verträumter und leichter Sopran verfügt über eine warme und lyrische Stimme, auch in den Höhen – auch wenn man sich manchmal mehr dramatische Expressionen wünscht. Silke Evers hat die passende kindlich naive Soubretten-Stimme für ihren dienstbaren Geist Urbain. Daniel Fiolka zeigt einen hell timbrierten Bariton, der in der Rolle des Graf von Nevers aufgeht und mit viel Legato viel Volumen demonstriert.

Den hohen Ansprüchen dieser Oper an den Chor, an die allgegenwärtige Stimme des Volkes, wird der Opernchor des Theaters mehr als gerecht. Verstärkt durch zahlreiche Gäste werden die großen Chorszenen lebendig und präzise (Leitung: Anton Tremmel) entfaltet sich die große Wirkung dieser Grand Opera. Die Anforderungen Meyerbeers an alle Mitwirkenden sind sehr hoch, und es gelingt Enrico Calesso Orchester, Chor und Sänger zu einer Meyerbeer würdigen Einheit  zu verschmelzen. So werden die manchmal auftretenden Längen mit orchestraler Eleganz überspielt und die Emotionen mit Tempoänderungen und mitreißenden Crescendos hochgekocht. Es wird nicht die neue kritische Ausgabe gespielt, sondern eine eigene Strichfassung – z.B. Ballette und einige Aktschlüsse sind gekürzt.

Fazit

Es ist sehr problematisch, eine Oper, die an einem konkreten Datum wie der Bartholomäusnacht in Paris spielt, an einen anderen Ort in anderer Zeit zu verlagern. Der Weg einer surrealen absurden Bebilderung ist hierbei eindeutig noch weniger hilfreich, in diesem Falle nicht einmal unterhaltsam – sondern zutiefst fragwürdig. Ausgenommen nur der vierte und fünfte Akt, wenn die seltsamen Masken fallen, und es zum Massenmord kommt, ohne ihn bildlich darzustellen.

Sängerisch hingegen ist die heftig umjubelt gefeierte Produktion ein deutlicher Beweis, daß Meyerbeer auch heute noch einen Platz im Opernrepertoire beanspruchen muß. Und entspricht der hohen Leistungsfähigkeit des Mainfranken Theaters Würzburg.

Oliver Hohlbach

Bild: Nik Schölzel

Das Bild zeigt: Tomasz Raff (Marcel), Mitglieder des Opernchores

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