von Gaetano Donizetti (1797-1848), Oper in vier Akten, Libretto von Alphonse Royer, Gustav Vaez und Eugene Scribe, UA: 1840 Paris
Regie: Amelie Niermeyer, Bühne: Alexander Müller-Elmau, Kostüme: Kirsten Dephoff
Dirigent: Karel Mark Chichon, Bayerisches Staatsorchester, Chor der Bayerischen Staatsoper, Choreinstudierung: Sören Eckhoff
Solisten: Elina Garanca (Leonor de Guzman), Matthew Polenzani (Fernand), Mariusz Kwiecien (Alphonse XI), Mika Kares (Balthazar), Joshua Owen Mills (Don Gaspard), Elsa Benoit (Ines)
Besuchte Aufführung: 31. Oktober 2016
Der Novize Fernand und Leonor sind ein Liebespaar, obwohl sie die Geliebte des Königs ist. Um sich nah zu sein, verläßt Fernand das Kloster und Leonor ermöglicht es ihm, als Offizier in die königliche Armee einzutreten. Dort wird er zum Helden, der die Mauren besiegt. Abt Balthasar hat vom Papst den Auftrag, den König abzusetzen, falls er sich weigert, seine Geliebte zu verlassen, was er zum Schrecken des Königs auch durchsetzen könnte. Als Fernand den König um die Hand Leonores bittet, erkennt dieser die günstige Gelegenheit und gewährt ihm den Wunsch. Erst nach der Hochzeit erfährt Fernand, daß seine Gemahlin die Favoritin des Königs war und kehrt wütend ins Kloster zurück. Dort besucht ihn noch einmal Leonor, um ihn um Verzeihung zu bitten. Ihr Tod verhindert ihre Wiedervereinigung.
Aufführung
Eine abstrakte, nicht zu verortende Bühnendekoration steht im Zentrum der Handlung. Bis zu neun große Quader können hin- und hergeschoben oder neu angeordnet werden. Äußerlich ein Gitterkäfig, zeigen sie aber – von innen beleuchtet – Jesus am Kreuz, Heiligenfiguren, Kerzen zu Hauff und Grünpflanzen. Sie deuten damit das Kloster und den Palast an. Davor werden Stühle zu immer neuen Stuhlreihen aufgestellt, bieten Platz für den Hofstaat bzw. die Gläubigen. In der heutigen Zeit trägt man in der katholischen Glaubensgemeinschaft bei den Herren dunkle Anzüge mit einem Kruzifix am Revers und rote Kleider mit umhängtem großem Kreuz für die Damen. Die politische Gesellschaft trägt leger-festliche, zumeist blaue Abendgarderobe, Leonor ein auffallendes blau-rotes Kleid.
Sänger und Orchester
Gefühlvolle Arien mit emotional überbordenden Cabalettas, dramatisch divergierende Terzette und Quartette bis hin zu großen Ensembles mit Chören – und all das in den melodiös feinen Linien klassischen Belcantos. So sollte es klingen. Leider sieht Karel Mark Chichon die Favoritin fast ausschließlich als Grand Opéra und läßt das Staatsorchester bombastisch aufspielen – mit entsprechender Lautstärke, Pathos und wenig emotionalem Fegefeuer. Er trägt seine Ehefrau Elina Garanca durch die Titelrolle, ihre Leonor kann so wunderschöne Mezzo-Kantilenen verströmen, doch weder die leidenschaftlich Liebende, noch die aufbegehrende Favoritin kommen stimmlich über die Rampe. So bleibt sie auch hinter den Erwartungen zurück in der Arie O mon Fernand (3.Akt) – diese feurige Cabaletta ist eine der ersten großen italienischen Arien für Mezzosopran, begleitet von Harfen und Hörnern.
Ein wenig übermotiviert wirken ihre Kollegen. So klingt Mariusz Kwiecien als Alphonse sehr rauh, weil er ständig im Forte den Ehrgeiz des Königs überkompensiert. Einen Versuch leiser zu gestalten, wäre der differenzierten Klangwirkung zuträglich gewesen. Ein ähnlich gelagertes Problem hat Matthew Polenzanis als Fernand. Sein lyrisch timbrierter Tenor verliert im Forte das klare Bild und beginnt zu tremolieren. Aber er kann piano demonstrieren – in seiner klagend zurückgenommen Arie Ange si pur vermag er den Zuhörer zu rühren. Keinerlei Probleme hat der bestens einstudierte, stets stimmlich ausgewogen eingestellte Staatsopernchor – genauso wie die Überraschung des Abends, der junge finnische Baß Mika Kares als Balthasar: Eine wirklich furchterregende Erscheinung, sein Forte ist fast „hochdramatisch“.
Fazit
Die Favoritin ist ein leider viel zu selten gespieltes Werk Donizettis. Entstanden ist es als Übergangswerk zwischen Belcanto und französischer Grand Opera zur italienischen Oper, insbesondere des Verismo, und bietet anspruchsvolle und mitreißende Musik, hier in der Fassung des französischen Originals. Leider fehlt dieses Feuer in dieser Produktion, die Gefühle lodern nicht wirklich auf, Elīna Garanča kann Ihre Rolle nicht mitreißend gestalten, ihre Emotionen zwischen zwei Geliebten bleiben blaß und nichtssagend. Auch die zeitliche Aktualisierung der Inszenierung läßt wichtige Fragen offen: in welchem Staat in Europa ist heutzutage noch die katholische Kirche Träger der öffentlichen Meinung bzw. der Politik? So wird das leider nur ein beliebig belanglos dahinplätschernder Abend, der eine hochkarätige Besetzung nicht richtig einbinden kann. Sehr kurzer emotionsloser Applaus. Redlich verdient hätten ihn nur der Chor und der Baß Mika Kares.
Oliver Hohlbach
Bild: Wilfried Hösl
Das Bild zeigt: Elina Garanca (Leonor de Guzman)