HÄNSEL UND GRETEL – Salzburg, Landestheater

von Engelbert Humperdinck (1854-1921), Märchenoper in drei Bildern, Libretto: Adelheid Witte, geb. Humperdinck, nach dem Märchen der Brüder Grimm, U.A.: 23. Dezember 1893 Weimar, Hoftheater

Regie: Johannes Reitmeier, Bühne und Kostüme: Court Watson

Musikalische Leitung: Adrian Kelly, Mozarteumorchester Salzburg, Kinderchor der Salzburger Festspiele, Choreinstudierung: Wolfgang Götz

Solisten: Jukka Rasilainen (Vater), Anna Maria Dur (Mutter), Elisabeth Jansson (Hänsel), Athanasia Zöhrer (Gretel), Franz Supper (Knusperhexe), Rowan Hellier (Sandmännchen), Tamara Ivanis (Taumännchen)

Besuchte Aufführung: 30. Oktober 2016 (Premiere)

salzburg-haenselKurzinhalt

Hänsel und Gretel singen und tanzen, um ihren Hunger zu vergessen, ihre Mutter schickt die Kinder in den Wald, um Beeren zu sammeln, weil sie nichts mehr zum Abendessen hat. Der Vater kommt erfreut nach Hause, weil er all seine Besen verkauft hat und Lebensmittel kaufen konnte. Die Kinder finden den Weg nicht mehr und fürchten sich. Das Sandmännchen legt sie zur Ruhe und 14 Engel behüten sie. Am Morgen entdecken sie ein verlockendes Knusperhäuschen, an dem sie ihren Hunger stillen. Doch die Hexe überrascht sie: Hänsel wird  in einen Käfig gesperrt, damit er einen fetten Braten für die Hexe abgebe. Doch Gretel gelingt es, Hänsel zu befreien, und gemeinsam stoßen sie die Hexe in den Backofen. Damit befreien sie auch all die anderen Kinder, die von der Hexe gefangen gehalten wurden. Kinder und Eltern feiern ein Freudenfest.

Aufführung

Zu einer märchenhaften Inszenierung gehört auch eine Verwandlung auf offener Bühne, die entweder von Geisterhand geschieht oder durch gute Geister: In diesem Falle geschehen die meisten Umbauten durch extravagante Auf- und Zuklappmechanismen, die alleine schon sehenswert sind. Da fährt ein Holzstapel auseinander, verwandelt sich in die einfache Holzhütte der Eltern oder das viel buntere, mit Lebkuchen dekorierte Hexenhäusel. Oder für Pilze oder Wäschespindeln fahren zunächst Stangen heraus und klappen dann den Schirm herunter. Die Kostüme entsprechen dem märchenhaften Charakter, die Hexe, die Waldbevölkerung, Sand- und Taumännchen sind phantasievoll und bunt, während die Stadtbevölkerung aktuelle Mode trägt, die an die Salzburger Landhausmode erinnert – besonders bei Hänsel und Gretel. Die Kinder lockt die Hexe durch Spielereien an, ein Jongleur leiht der Hexe die Fähigkeiten – er kauft auch dem Vater die Besen ab. Wenn dieser Artist die Maske fallen läßt, kommt ein abschreckender Horror-Clown hervor, der die Kinder in die Irre führt.

Sänger und Orchester

Humperdinck zählt zu den Wagnerepigonen. Da bietet es sich an, die Rollen der Eltern mit erfahrenen Wagnersängern zu besetzen. Jukka Rasilainen ist als Vater Peter fast schon überqualifiziert, rückt die Rolle in Nähe von Wagners Wotan, das Rallalala, rallalala, heissa, Mutter, ich bin da hat man selten so ausdrucksvoll, so genau in der Notenlinie gehört. Anna Maria Dur ist ein hochdramatischer Sopran mit sicherer stählerner Höhe. Der Mutter Gertrud räumt sie mentale Härte, aber auch träumerische, mitfühlende Momente im piano ein. Die Knusperhexe ist mit einem ausdrucksstarken lyrischen Tenor im romantischen Stil mit Franz Supper besetzt, der wie eine Hexe bösartig keifen und ihrem Gewissen auch mit klarer ruhiger Stimme Ausdruck verleihen kann. Die Kinderrollen gehören jüngeren Kräften, die gewissermaßen von der Elterngeneration eine „Lehrstunde“ bekommen. Elisabeth Jansson nutzt sie, ein solider Mezzo mit deutlicher Aussprache, dem noch die richtige Betonung, Phrasierung und Durchschlagskraft fehlt, so daß ein blasser Eindruck des Hänsels zurück bleibt.

Athanasia Zöhrer ist die jugendlich-naive Sopranistin (mit deutlicher Tendenz zum Koloratursopran), die das Publikum mitreißt, und ihren Jungmädchen-Charme eindrucksvoll ausspielt. Herzerfrischend das Brüderlein, komm tanz mit mir. Sand- und Taumännchen sind getrennt besetzt und bieten zwei Salzburger Ensemblemitgliedern die Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln. Rowan Hellier ist das Sandmännchen, das mit Abends will ich schlafen geh‘n die Kinder mit kindlich sanfter Stimme in den Schlaf wiegt. Tamara Ivanis hat als Taumännchen am nächsten Morgen die Aufgabe, die Kinder zu wecken. Ein wichtiger Rückhalt der Vorstellung ist der große Kinderchor mit mehr als vierzig Mitgliedern. Sie klingen sauber und rein, hell und klar – die marginalen Probleme mit der großen Breite der Bühne und damit der Intonation der einzelnen Stimmgruppen haben auch die „Erwachsenen Chöre“ der Salzburger Festspiele. Humperdincks Musik ist bald polternd, bald unheimlich dunkel, dann wieder ausgelassen, fast operettenhaft fröhlich und mit den hineingewobenen bekannten Volksweisen ein Meisterwerk der Romantik. Dank Adrian Kelly und dem Mozarteum-Orchester klingt es alles auch märchenhaft: so mitfühlend erlebt man den Abendsegen fast nie. Die Solisten werden auf Händen durch die Partitur getragen. Für die kindlichen Zuhörer werden die Volksweisen mit viel kindlichem Charme vorgetragen. Alle Zuschauer sind gebannt.

Fazit

Diese Produktion ist eine der herausragenden Produktionen dieses Jahres: der märchenhafte Charakter, der in diesem Fall zeitlos auf die Bühne gestellt wird, zeigt den Einfallsreichtum des Salzburger Landestheaters auf, wie man Bühnentechnik sinnvoll nutzt, um „Ah-und-Oh!-Effekte“ beim Publikum zu erreichen: die Felsenreitschule muß erst einmal gefüllt werden! Mit kleinen Gruselmomenten ist diese Produktion uneingeschränkt für kleine und große Kinder geeignet, die an dem kurzweiligen Abend Spaß und Freude haben. Großes Publikum, große Oper, großes Staunen, großer Applaus!

Oliver Hohlbach

Bild: Anna-Maria Löffelberger

Das Bild zeigt: Elisabeth Jansson (Hänsel), Athanasia Zöhrer (Gretel)

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