von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: Arrigo Boito, UA: 1887, Mailand, Teatro alla Scala. Regie: Calixto Bieito, Bühne: Susanne Gschwender, Kostüme: Ingo Krügler, Licht: Michael Bauer, Dramaturgie: Ute Vollmar
Dirigent: Paolo Carignani, Orchester: Philharmonisches Staatsorchester Hamburg und Opernchor, Choreinstudierung: Eberhard Friedrich
Solisten: Marco Berti (Otello), Svetlana Aksenova (Desdemona), Claudio Sgura (Jago), markus Nykänen (Cassio), Peter Galliard (Roderigo), Alexander Roslavets (Lodovico), Bruno Vargas (Montano), Nadezhda Karyzina (Emilia), Michael Reder (Herold)
Besuchte Aufführung: 8. Januar 2017 (Premiere)
Die Handlung der Oper folgt der von Shakespeares gleichnamiger Tragödie: Der übergangene Fähnrich Jago beschließt, den Oberbefehlshaber der venezianischen Flotte Otello und den von ihm beförderten Cassio zu Fall zu bringen. Dies gelingt Jago, indem er nach und nach Otellos unbegründeten Verdacht schürt, daß seine Frau Desdemona ihn mit Cassio betrügt. Jago geht dabei so geschickt vor, daß Otello schließlich den Entschluß faßt, Desdemona zu töten. Zuvor beschimpft der von Eifersucht zerfressene Otello Desdemona in aller Öffentlichkeit und wirft sie vor Augen des venezianischen Botschafters zu Boden. Zwischenzeitlich schafft es Jago, Roderigo dazu zu überreden, Cassio zu ermorden. Am Ende erwürgt Otello die unschuldige Desdemona in ihrem Bett. Zu spät erscheint Jagos Frau Emilia und klärt die Intrige auf. Otello begeht Selbstmord, Jago entkommt.
Aufführung
Der komplett in schwarz getauchte Guckkasten wird die gesamte Zeit von einem gelben Ladekran dominiert. Mitte des zweiten Aktes wird daran eine Person aufgehängt. Desdemona singt ihr langes Abschiedssolo auf dem Kran, und am Ende kriecht der sterbende Otello an seine Spitze. Zu Beginn der Aufführung versperrt Stacheldraht die Rampe, dahinter reckt der Chor in grelles Licht getaucht seine gefesselten Hände emport. Bevor die Musik beginnt, gibt der Chor geisterhaft hauchende Laute von sich, Bilder aus der Flüchtlingsbewegung werden wachgerufen. Bei der Feier über den Sieg gegen die Türken spritzen die in Abendgarderobe gekleideten Hauptfiguren dann Champagner in die durstige Menge. Die Personenführung ist oftmals statisch.
Sänger und Orchester
Svetlana Aksenovas Desdemona ist nicht nur anrührend, ihr weicher wie blühender Sopran weiß auch über die volle Länge ihres großen Solos mit Weidelied und Ave Maria gegen Ende einzunehmen. Sie gehört sicher zu den Höhepunkten dieser Premiere. Marco Bertis Otello wirkt zu Beginn stimmlich noch grob, fängt sich dann aber rasch, sodass die Maßlosigkeit seiner Eifersucht zunehmend deutlicher wird. Stimmlich ist sein Porträt an diesem Abend wohl am realistischsten gehalten, schauspielerisch fällt er leicht ab. Claudio Sguras Jago wirkt jederzeit souverän und angemessen dämonisch. Stimmlich wirkt er gegenüber Berti um einiges glatter, was aber zu seiner Bühnenerscheinung passt. Peter Galliard als Roderigo, Markus Nykänen als Cassio und Nadezhda Karyzinas Emilia geben ebenfalls eine gute Figur ab, die Emilia wirkt wunderbar dramatisch. In ausgezeichneter Verfassung war an diesem Abend das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Paolo Carignani. Nicht nur zeichneten vor allem die Holzbläser zu Beginn ein plastisches Bild des Meeressurms, die harmonischen Schärfen der Partitur passten sich auch wunderbar ins klangliche Gesamtbild der Partitur ein. Zudem stimmte im farben- und gestenreich aufspielenden Orchester auch die Abstimmung mit der Bühne.
Fazit
Musikalisch ist dieser Otello durchweg überzeugend, oft sogar noch mehr als das. Die Regie hinterließ am Premierenabend gemischte Gefühle. Starregisseur Calixto Bieito empfingen am Ende sowohl Buhs als auch Bravi. Wer sich mit dem bisweilen drastischen Geschehen auf der Bühne anfreunden kann, dürfte mit diesem Otello bestens bedient werden.
Dr. Aron Sayed
Bild: Hans Jörg Michel
Das bild zeigt: Claudio Sgura (Jago), Markus Nykänen (Cassio), Marco Berti (Otello), Peter Galliard (Roderigo), Chor der Hamburgischen Staatsoper, Komparserie