von: Giacomo Puccini (1858-1924), Operntrilogie, Libretto: Giuseppe Adami und Giovacchino Forzano, UA: 14. Dezember 1918 New York, Metropolitan Opera
Regie: Mario Corradi, Bühne/Kostüme: Italo Grassi, Licht: Dirk Sarach-Craig
Dirigent: Kazem Abdullah und das Sinfonieorchester Aachen
Solisten: Wong-jo Choi (Michele), Alexey Sayapin (Luigi/Rinuccio), Patricio Arroyo (Il Tinca/Gherardo), Leila Pfister (La Frugola/Zita), Linda Ballova (Giorgetta), Irina Popova (Suor Angelica), Marion Eckstein (Zia Principessa), Enrico Marabelli (Gianni Schicchi), Suzanne Jerosme (Lauretta)
Besuchte Aufführung: 15. Januar 2017 (Premiere)
Il Tabarro – Der Mantel
Die Beziehung von Michele und Giorgetta leidet unter dem Tod des gemeinsamen Kindes. Giorgetta betrügt ihren älteren Mann mit dem jungen Hafenarbeiter Luigi. Als Michele dies herausfindet, tötet er Luigi und wickelt ihn in den Mantel, mit der er sonst seine Frau wärmte.
Suor (Schwester) Angelica
Die Nonne Angelica wartet im Kloster auf Nachricht von ihrem unehelich geborenen Sohn. Deswegen war sie von der Familie verstoßen worden. Als sie von ihrer Tante, der Fürstin, aufgesucht wird, erfährt sie, dass ihr Sohn verstorben ist. Aus Verzweiflung vergiftet sie sich.
Gianni Schicchi
Der Buoso Donati ist verstorben und hat zuvor seine Familie enterbt. Gianni Schicchi, dem Vater von Rinuccios Geliebter Lauretta, gelingt es jedoch durch eine List, das Testament zugunsten aller zu ändern.
Aufführung
Il Tabarro spielt in den 1990er Jahren, Suor Angelica in den 1960er, Gianni Schicchi in den 1930er Jahren, während der italienischen Mussolini-Ära. Die Kostüme sind der Zeit entsprechend angepaßt. Die Hafenatmosphäre in Il Tabarro wird durch blaues Licht an der Rückwand und aufgestapelte Kisten im Vordergrund angedeutet. In Suor Angelica werden Torbögen eines Klosters sowie am linken Rand ein Stein mit Pflanzen als Garten gezeigt. Bei Gianni Schicchi hängt ein großes Bild von Mussolini von der Decke. Verbindendes Element zwischen den Einaktern ist das Thema Mutterschaft, das durch das Symbol des Kinderwagens in die Handlung eingebaut wird: sowohl Giorgetta als auch Angelica schieben in einer Art Vorspann einen Kinderwagen, Lauretta rollt der Kinderwagen im Finale quasi vor die Füße, um eine Schwangerschaft anzudeuten.
Sänger und Orchester
Kazem Abdullah dirigiert mit großen Legatobögen die schwelgenden Streicherklänge der drei Kurzopern. Dadurch kann sich der leitmotivische Charakter in allen drei Opern gut entfalten. Auch die Kontraste zwischen ruhigen und temperamentvollen Partien werden gut ausgeglichen. Alexey Sayapin (Luigi) glänzt mit seinem metallischen Tenor in der Rolle des verzweifelten Hafenarbeiters Luigi und zeigt eine große Bandbreite an Emotionen in seinem Gesang. In der Arie Hai ben ragione – Da hast du recht läßt er seinen Tenor scheppernd in der Höhe schallen, in der Tiefe nimmt er sich dagegen im Pianissimo zurück und fleht mit sotto voce. Seine Gesangspartnerin Linda Ballova (Giorgetta) überzeugt durch einen voluminösen, runden Sopran, der sehr samtig klingt und den sie ebenfalls gut in der Höhe unter Kontrolle hat. Ein Highlight des Abends ist das Duett Ma chi lascia il sobborgo – Aber wer die Vorstadt verläßt: hier ergänzen sich Ballovas warmer Sopran und Sayapins kühler Tenor zu einem wunderschönen Zusammenklang. Woong-jo Choi (Michele) sorgt mit seinem grollenden Baßbariton für dunkle Töne und markiert den verzweifelten Ehemann sehr ernst und düster. Dabei überzeugt sein einschmeichelnder Gesang im Mezzoforte dies besonders gut.
In Suor Angelica glänzt Irina Popova (Angelica) durch emotionales Schauspiel und Gesang, die wirklich zu Tränen rühren. In der Arie Senza mama bimbo tu sei morto – Ohne Mutter bist du gestorben setzt sie ihren glockenklaren Sopran mit sehr viel Gefühl ein und haucht die Passagen im sotto voce, so daß man den seelischen Schmerz in ihrer Stimme heraushören kann. Auch das Ausschicken auf einem Ton beherrscht sie ohne dabei flattrig in der Stimme zu werden. Einen stimmlichen wie auch dramatischen Gegenpol dazu bildet Marion Eckstein (Zia Princessa), deren dunkler Mezzosopran, unterstützt durch eine arrogante Bühnendarstellung, die Boshaftigkeit der Tante zum Ausdruck bringt. Dabei zieht sie die Phrasen in der Bruststimme sehr in die Länge und beherrscht die Übergänge von tiefen zu hohen Tönen ohne Umbruch in der Stimme.
Den lustigen Teil des Abends leitet Enrico Marabelli (Gianni Schicchi) durch einen temperamentvollen Gesang ein, bei dem er sehr akzentuiert und lautmalerisch seinen kratzigen Bariton einsetzt. Ebenfalls erwähnenswert ist die Darbietung von Suzanne Jerosme (Lauretta), die die bekannte Arie O babbino caro – Oh liebes Väterchen mit ihrem zarten Sopran sehr gut präsentiert: Die Spitzentöne klingen bei ihr sehr leicht und fast schon gehaucht, dabei bindet sie die Töne und läßt viel Raum zur dynamischen Entfaltung.
Fazit
Tragödie, Drama und Komödie an einem Abend: das gelingt der Aachener Inszenierung von Il Trittico mit Leichtigkeit und viel Liebe zum Detail. Allen voran die leidenschaftliche Darstellung des Ensembles, sowohl gesanglich, als auch schauspielerisch. Sie sorgt für viel Abwechslung und emotionale Höhepunkte. Unterstützt wird alles durch die hervorragende Leistung des Orchesters die den Glanz der Puccini Musik im Saal verbreitet. Einfach grandios!
Melanie Joannidis
Bild: Carl Brunn
Das Bild zeigt: Patricio Arroyo, Katharina Hagopian, Michael Terada, Kim Sevelsbergh, Leila Pfister, Enrico Marabelli, Jorge Escobar, Vasili Tsanaksidis, Alexey Sayapin, Suzanne Jerosme