von Richard Wagner (1813–1883), Romantische Oper in drei Akten, UA: 28. August 1850 Weimar Großes Fürstliches Hoftheater (Leitung: Franz Liszt)
Regie: Claus Guth, Bühne/Kostüme: Christian Schmidt, Licht: Olaf Winter, Choreographie: Volker Michl, Dramaturgie: Ronny Dietrich
Dirigent: Philippe Jordan, Orchestre et Chœurs de l’Opéra National de Paris, Choreinstudierung: José Luis Basso
Solisten : René Pape (Heinrich der Vogler), Jonas Kaufmann (Lohengrin), Martina Serafin (Elsa von Brabant), Tomasz Konieczny (Friedrich von Telramund), Evelyne Herlitzius (Ortrud), Egils Silins (Der Heerrufer) u.a.
Besuchte Aufführung: 18. Januar 2017 (Premiere, Koproduktion mit Teatro alla Scala, Mailand)
Vor dem deutschen König Heinrich dem Vogler beschuldigt Friedrich von Telramund sein Mündel, Elsa von Brabant, die er hätte heiraten sollen, des Brudermords. Wegen dieses Verdachts hätte er auf eine Heirat mit Elsa verzichtet und stattdessen Ortrud geheiratet. Nun fordere er Elsas Erbe, das Herzogtum Brabant für sich. Elsa verteidigt sich nicht und bittet, man möge den unbekannten Ritter, der ihr im Traum erschienen, für sie streiten zu lassen. Zum Erstaunen aller erscheint ein Ritter in einem Schwanenboot. Er sei bereit für Elsa zu kämpfen und sie zu heiraten, wenn sie nie nach seiner Herkunft frage. Elsa verspricht es. Dann kämpft er mit Telramund und besiegt ihn. Ortrud und Telramund werden verbannt, aber schwören Rache zu nehmen und das Geheimnis Lohengrins aufzudecken. Es gelingt ihnen mit giftigen Worten, Zweifel über die ehrenvolle Herkunft Lohengrins in Elsas Herz zu streuen.
In der Hochzeitsnacht kann Elsa nicht widerstehen, die verbotene Frage zu stellen. Gleichzeitig dringt Telramund ins Gemach ein, wird aber von Lohengrin erschlagen. Vor König und vor versammeltem Volk erklärt Lohengrin nun, er sei vom heiligen Gral geschickt, und müsse nun wieder dorthin zurückkehren. Er ließe Elsa aber sein Horn, sein Schwert und seinen Ring zurück, damit sie diese ihrem Bruder Gottfried übergebe, wenn dieser zurückkehre und die Herrschaft übernehme. Durch ein Gebet zerbricht er den Zauber, mit dem Ortrud Gottfried in einen Schwan verwandelt hat. Lohengrin reist ab. Elsa fällt tot in die Arme ihres Bruders.
Aufführung
Claus Guth hat die Handlung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegt. Die Bühne ist in allen drei Akten der Hof eines mehrstöckigen Wohngebäudes der Gründerjahre mit rundherum laufenden Balkonen und gußeisernen Säulen. Dieser Hof ist jeweils Versammlungssaal, Kampfplatz, Gerichtssaal oder ein mit Schilf bewachsenes Ufer eines Baches.
Auch die Kostüme sind aus derselben Zeit und entsprechend der Szenen: einfache dunkle Kleider und Anzüge, Frack und Zylinder oder Uniformen. Lohengrin läuft fast immer barfuß herum. Elsa ist immer in weiß mit blonden Haaren, Ortrud immer in schwarz mit dunklen Haaren.
In der Hochzeitsszene im zweiten Akt sind beide in prunkvolle Krinolinen gekleidet. Die Beleuchtung ist gedämpft, die Choreographie gut. Lohengrin kommt nicht im Schwanenboot an, sondern liegt plötzlich auf der Bühne und erwacht zum Leben. Auch fährt er nicht im Schwanenboot wieder ab, sondern wird von Soldaten erschlagen, während Ortrud sich erdolcht. So sind in Claus Guths Version am Ende der Oper beide Paare tot.
Sänger und Orchester
Stimmlich liefert uns Jonas Kaufmann einige sehr schöne lyrische Szenen wie die wunderschön ganz leise und geheimnisvoll gesungene Gralserzählung, bleibt aber in den heroischen Momenten eher verhalten. Das mag Regie-Anweisung oder Stimm-Rekonvaleszenz sein.
Martina Serafins klare, reine Sopranstimme betont die Unschuld Elsas, wie in Einsam in trüben Tagen im ersten Akt oder Euch Lüften, die mein Klagen im zweiten Akt. Die freudige Überraschung dieser Aufführung ist Evelyn Herlitzius. Ihr ausdrucksstarker, klangvoller dramatischer Mezzosopran und ihr verführerisch-intrigantes Spiel prädestinieren sie für die diabolische Rolle der Ortrud wie in den zwei Duetten mit Elsa im zweiten Akt.
René Pape singt mit voller, schön timbrierter Baßstimme den einsichtsvollen König Heinrich. Tomasz Konieczny, der kurzfristig für Wolfgang Koch einsprang, singt den Telramund mit etwas gleichfarbigem, metallisch-hellem Bariton. Egils Silins ist ein würdiger Heerrufer.
Philippe Jordan bringt mit Energie und Feingefühl die Klangfarben der Partitur, von den fast überirdischen hohen Streicher Pianissimi bis zu den Bläser Fortissimi, voll zum Ausdruck.
Fazit
Musikalisch eine ausgezeichnete Aufführung! Auch Bühnenbild, Kostüme, Beleuchtung sind gelungen. Sogar die Regie ist nachvollziehbar, mit einer einzigen Ausnahme – die Gestalt des Lohengrin. Hier hat Claus Guths „Psychoanalyse“ des Dramas ergeben, daß Lohengrin kein Held sei, es nicht sein könne. Denn laut seinen Regie-Notizen ist Lohengrin der ewige Retter, der immer aufgibt, weil er unfähig ist, sich selbst zu erkennen. So taumelt sein Lohengrin hier unsicher, geniert, verwirrt und barfuß als Anti-Held-Versager auf der Bühne herum. Womit natürlich auch seine Gralserzählung völlig unsinnig und unverständlich wird. Es gab dennoch viel Applaus.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Monika Rittershaus / Opéra national de Paris
Das Bild zeigt: Jonas Kaufmann (Lohengrin), Martina Serafin (Elsa von Brabant)