Frankfurt, Oper – PALESTRINA

Musik und Text von Hans Pfitzner (1869-1949), Eine Musikalische Legende in drei Akten
UA:, 12. Juli 1917, Prinzregententheater München
Regie: Harry Kupfer, Bühne: Hans Schavernoch, Kostüme: Yan Tax, Dramaturgie: Malte Krasting
Licht: Joachim Klein, Video: Peer Engelbracht
Regie: Kirill Petrenko , Museumsorchester, Chor: Matthias Köhler
Solisten: Palestrina (Kurt Streit), Ighino (Britta Stallmeister), Silla (Claudia Mahnke), Falk Struckmann (Kardinal Borromeo), Peter Marsh (Bischof von Budoja), Hans- Jürgen Lazar (Theophilus), Peter Bronder (Patriarch von Assyrien), Michael Nagy (Graf Luna), Franz Mayer (Erzbischof von Prag), Dietrich Volle (Bischof von Cadix), Simon Bailey (Zeremonienmeister) Magnus Baldvinsson (Kardinal von Lothringen), Alfred Reiter (Fürstbischof Madruscht) u.a.
Besuchte Aufführung: 7. Juni 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
frankfurt-palestrina.jpgSilla, Schüler Palestrinas, erzählt dessen Sohn Ighino begeistert von einem neu aufkommenden Musikstil in Florenz. Kardinal Borromeo beauftragt Palestrina mit einer Messekomposition für das Tridentiner Konzil und spricht sich strikt gegen den neuen Stil aus. Palestrina sieht sich aber nach dem Tod seiner Frau nicht mehr in der Lage, die Messe zu schreiben. Im Traum erscheinen dem Komponisten Visionen: Die großen Meister der Vergangenheit treten zu ihm und über Nacht vollendet Palestrina sein Lebenswerk. Silla und Ighino nehmen die Messe an sich. Unwissend berichtet Borromeo dem Kardinal Novagerio von seinem Mißerfolg bei Palestrina, dieser ermutigt ihn auch, Gewalt gegen den Komponisten anzuwenden. Das Konzil tagt und wird nach Tumulten unter den Bischöfen und Kardinälen aufgehoben.
Palestrina ist nach seiner Inhaftierung geschwächt. Ighino hat seine Messe den Kirchenschergen ausgeliefert. Palestrinas Opernkomposition wird umjubelt und gefeiert. Papst Pius IV. gratuliert und Borromeo entschuldigt sich bei Palestrina, der geistesabwesend scheint.
Aufführung
Eine rote Tribüne mit Sitzbänken ist das Hauptbühnenbild. Auf einer großen Leinwand sind im Hintergrund Projektionen von Bildern und Kurzfilmen zu sehen. Ein Spiegel in der Mitte der Bühne verdoppelt den Bildausschnitt. Zu sehen sind in sich verschlungene Stacheldrahtstränge, das Gesicht Stalins, marschierende Soldaten, rollende Panzer, wehende Fahnen. Davor spielt sich die eigentliche Handlung ab. Palestrina wird von Uniformierten mit Stacheldraht an seinen Flügel gefesselt, ein Dornenkranz wird ihm auf den Kopf gesetzt, er blutet bei den Worten „Der Erlöser“. Palestrina als Jesus? Die großen Meister, welche ihm im Traum erscheinen, tragen lange schwarze Gewänder und befreien ihn vom Stacheldraht. Blutverschmiert schreibt er an seiner Messe. Ighino und Silla legen ein Leichentuch über Palestrina. Das Konzil in Trident wird durch Wachen und Metalldetektoren gesichert. Kardinäle und Bischöfe tragen über Uniformen Scherpen und Mitren. Bei gemeinsamen Zwischenrufen in der Versammlung springen sie auf, setzen sich Mützen auf und wandeln sich genauso schnell wieder zurück. Mit Maschinenpistolen werden aufbegehrende Diener erschossen. Der Flügel wird für Palestrina zur Totenbahre. Von uniformierten werden Kränze niedergelegt und Kerzen entzündet. Palestrina steht an seinem eigenen Grab und singt, eine regelrechte Handlung findet nicht mehr statt. Gesungen wird nun aus Büchern, der Blick ist dabei ins Publikum gerichtet.
Orchester und Sänger
Der Tenor Kurt Streit (Palestrina) glänzt an diesem Abend sängerisch und schauspielerisch. An Händen und Füssen gefesselt, wird er hin und her gezerrt und singt in jeder Körperhaltung gerade die schwierigen Passagen bravourös. Gegen die starke sängerische Leistung Kurt Streits fällt die des kränkelnden Falk Struckmann (Kardinal Borromeo) leider deutlich ab. Gleich zwei Mal versagt ihm im ersten Akt bei hohen und langen Haltetönen die Stimme.
Britta Stallmeister (Ighino) und Claudia Mahnke (Silla) liefern beide eine beachtliche Leistung, die sich in den musikalischen Gesamteindruck des Abends einbettet.
Die neun verstorbenen Meister der Tonkunst, alle auch zu hören in Bischofsrollen, verdienen hier besondere Erwähnung, mit ihren leisen elegischen Gesängen berühren sie zutiefst und strahlen auch in Solopassagen. Gerade der Wechsel zwischen tiefem Baß und hohem Tenor verursacht bisweilen Gänsehaut. (Peter Marsh, Peter Bronder, Hans-Jürgen Lazar, Michael Nagy, Franz Mayer, Dietrich Volle, Simon Bailey, Magnus Baldvinsson, Alfred Reiter)
Das Frankfurter Museumsorchester spielt unter der Leitung von Kirill Petrenko grandios und glänzt sowohl in den Pianissimo Stellen als auch den fulminanten aufbrausenden Passagen. Die Unisono – Einsätze der Baßgruppe sind exakt geführt und vermitteln den Eindruck, als käme der Klang nur aus einem einzigen Instrument.
Fazit
Wieder die Inszenierung einer Oper, die Krieg in den Vordergrund stellt. Die Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg sind mittlerweile schon fast nervend. Auch wenn eine Verbindung Hans Pfitzners zum totalitären System nicht abzuleugnen ist, so fehlt mir bisweilen immer noch die Verbindung zu Palestrina. In der Pause vernehme ich ein „Nicht schon wieder“. Der Applaus ist dennoch heftig, gilt aber vor allem den musikalischen Leistungen des Abends.
Eine ideologiefreie Inszenierung wäre sehr wünschenswert und erfrischend.
Katharina Rupprich

Bild: Barbara Aumüller
Das Bild zeigt: Kurt Streit (Palestrina; am Boden sitzend), Statisterie der Oper Frankfurt, im Hintergrund das Solistenensemble (Erscheinungen Meister der Tonkunst) und der Chor der Oper Frankfurt.

Veröffentlicht unter Frankfurt, Oper, Opern