von Claudio Monteverdi (1567-1643), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Giacomo Badoaro nach den Gesängen XiII-XXIV aus der Odyssee (um 700 v. Chr.) von Homer, UA: Frühjahr oder Herbst 1640 Venedig, Teatro San Cassiano
Regie: Mariame Clément, Bühne/Kostüme: Julia Hansen, Licht: Bernd Purkrabek
Dirigent: Emmanuelle Haïm, Le concert d’Astrée
Solisten: Rolando Villazón (Ulisse), Magdalena Kožená (Penelope), Katherine Watson (Giunone), Kresimir Spicer (Eumete), Anne-Catherine Gillet (Amore/Minerva), Isabelle Druet (Fortuna/Melanto), Maarten Engeltjes (L’Humana Fragilità/Pisandro), Callum Thorpe (Tempo/Antinoüs), Lothar Odinius (Jupiter/Anfinomo), Jean Teitgen (Nettuno), Mathias Vidal (Telemaco), Emiliano Gonzalez Toro (Eurimaco), Jürg Schneider (Irus), Mary-Ellen Nesi (Ericlea)
Besuchte Aufführung: 27. Februar 2017 (Premiere, Koproduktion mit der Stiftung Staatstheater Nürnberg (Bühne/Kostüme) und der Opéra de Dijon
Vorbemerkung
Wir sind noch in den Anfängen der abendländischen Operngeschichte, und im Übergang der Renaissance- zur Barockmusik. Nach Orfeo (1607) ist Il Ritorno ein weiterer Schritt Monteverdis hin zur Vollendung, die er in seinem letzten Werk L’Incoronazione di Poppea (1643) erreicht hat. Monteverdis Anschauung von der Oper bleibt während seines ganzen Schaffens … grundsätzlich gleich. Was sich allerdings verändert, ist die musikalische Realisierung, so stark, daß man sich manchmal fragen möchte, ob diese und jene Werke vom selben Meister stammen……Das aber ist kein Grund, die Echtheit des Ritorno anzuzweifeln; Schwankungen der Inspiration finden sich bei allen großen Meistern. Ungeachtet dessen kündet sich auf vielen Seiten des Ritorno schon die musikdramatische Wirkung an, die uns mit der Incoronazione di Poppea vollgültig entgegentritt. (A. Feil/W. Osthoff).
Penelope sehnt sich nach ihrem verschollenen Gemahl. Minerva läßt Ulysses erkennen, daß er im heimatlichen Ithaka gelandet ist und verwandelt ihn in einen Greis, um ihn unerkannt in seinen Palast zu bringen. Dort versucht Melanto Penelope zu überreden, Ulysses zu vergessen und einen der Freier zu heiraten. Währenddessen gewährt der Hirte Eumete dem vermeintlichen alten Bettler die Gastfreundschaft. Telemach kehrt nach Ithaka zurück, und Ulysses gibt sich ihm zu erkennen. Während die Freier während eines Festes Penelope bedrängen eine Entscheidung zu fällen, erscheint Eumete und verkündet Ulysses‘ und Telemachs Heimkehr. Um Zeit zu gewinnen verlangt Penelope, daß die Freier den Bogen des Ulysses spannen. Keinem gelingt es. Nun greift auch der alte Bettler nach dem Bogen, spannt ihn ohne Mühe und erschießt die Freier. Erst als Ulysses ihr Einzelheiten aus ihrem früheren Leben erzählt, glaubt Penelope daran, daß sie tatsächlich ihren verschollenen Gemahl wiedergefunden hat und schließt ihn in die Arme.
Aufführung
Schon die Premiere an einem Faschingsdienstag gibt läßt den Ton ahnen. Zwar ist das Bühnenbild streng und einfach: ein großer getäfelter Raum mit verschiebbaren Elementen, Stufen rechts und links, dann aber darüber eine Bühne auf der Bühne, die bei aufgezogenem Vorhang den Blick auf eine Wirtsstube mit Bar, Tischen und Stühlen freigibt. Das ist der Olymp, wo die Götter ihre Ränke schmieden.
Die Hirtenszene ist wieder schlicht, eine riesige Kulissenwand mit bukolischer Landschaft und Blick auf verschneite Berge. Dann aber, um das Heitere herauszustreichen, denn es war ja schließlich eine Karnevalsoper und eine Oper fürs Volk, dreht Mariame Clément den Pop-art-Hahn auf. In der Szene, in der Ulysses die Freier erschießt, sind es Spruchbänder, à la Roy Lichtenstein, wie Smash! und Pow!, die die Handlung unterstreichen. Andere Szenen spielen vor einem silbern glitzernden Lametta-Vorhang. Später ist ein Riesen-Cheeseburger, à la Claes Oldenburg, die Schlaraffenland-Vision des verfressenen Iro, der sich als dickwanstiger Tourist in Sandalen, Bermudashorts, und Akropolis-T-Shirt überall hindurchfrißt.
Die Kostüme sind entweder im Stil des klassischen Altertums gehalten, wie die der graziösen Minerva, Penelope in weiß-grauem oder schwarz-goldenem langen Kleid, Ulysses mit langem Bart verkleidet, sieht aus wie ein minoischer Greis. Andere Kostüme sind modern, Smoking für die Freier, die ewig flirtenden Melanto und Eurimaco als Stubenmädchen und Majordomus, drei Nymphen à la folies bergère in Aquamarineschleiern und mit Straußenfedern auf den Kopf.
Sänger und Orchester
Monteverdi ist seinem Leitsatz: „Die Sprache sei die Herrin der Musik, nicht die Dienerin.“ zeitlebens treu geblieben. So herrscht in seinen Opern auch ein zwar schon ausdruckvoller und dramatischer Deklamationsstil vor, in dem die verschiedenen Ansätze einer Arie sich jedoch kaum noch vom einfachen Rezitativ unterscheiden. Magdalena Kožená hält bewundernswert mit kraftvoller, aber nuancierter und klangvoller Stimme den Bogen gespannt, der von den lang anhaltenden, ergreifenden lamenti der ersten Szene Di misera Regina über tragische Momente bis zum erlösenden, verliebt-beglückenden Wiederfinden mit dem Gemahl in der Schlußszene Hor sì ti riconosco, hor sì ti credo – nun erkenn ich dich, nun glaub ich dir führt. Ihr gegenüber ist Rolando Villazón mit tiefer Tenorstimme der vorsichtige Ulysses. Sehr stimmungsvoll sein Dreigesang mit den beiden sehr guten Tenören Kresimir Spicer (Eumete) und Mathias Vidal (Telemaco) Oh gran figlio d’Ulisse (2. Akt, 2. Szene).
Es folgt eine lange Liste von kleineren und dennoch wichtigen Rollen, die alle gut besetzt sind. Anne-Catherine Gillet ist die graziöse, aber tatkräftige Minerva. Das Paar Isabelle Druet (Melanto) und Emiliano Gonzales Toro (Eurimaco), lüstern-verspielt und stimmlich erfreulich in Duri e penosi son gli amorosi (1. Akt, 2. Szene) – harte Drangsal sind der Liebe wilde Triebe. Als die treue Ericlea ist im letzten Moment Mary-Ellen Nesi eingesprungen. Die drei Freier sind der Kontratenor Maarten Engeltjes mit klarer, reiner Stimmführung, Callum Thorpe mit gediegenem tiefen Baß, und der Tenor Lothar Odinius. Der erfolgreichste Clown des Abends ist ohne Zweifel Jürg Schneider als der fettleibige, ewig fressende Iro. Katharine Watson hätte eine ausgiebigere Rolle als die der Juno verdient. Jean Teitgen ist mit vollem Baß der rachsüchtige Neptun.
Emannuelle Haïm leitet mit der ihr üblichen mestria die Solisten und das für diese frühe Oper zwar klangvoll, aber sehr spärlich besetzte Orchester.
Fazit
Die Regie ist auch für die kleinste Nebenrolle bis in jede Einzelheit geregelt und kleine stumme Zusatzauftritte erheitern oder lockern die oft langen Monologe oder Ensembleszenen auf. Manche Regieeinfälle sind originell, so sind die Geschenke der Freier an Penelope: Miniaturarchitekturmodelle der modernen Prunkbauten, die sie für sie bauen wollen, dann wieder komisch, wie das Glitzersofa, das auf die Bühne herunterschwebt, in der Minerva den Telemach nach Ithaka befördert, von der Badestrandszene ganz zu schweigen.
Die Choreographie ist oft bewußt skulptural. Das Théâtre des Champs Élysées hat uns einen sehr schönen Faschingsabend bereitet.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Vincent PONTET
Das Bild Zeigt: Mathias Vidal (Telemaco), links, mit Kresimir Spicer (Eumete), Mitte, und Rolando Villazòn (Ulisse), rechts